Tageslichttechnik statt Sonnenschutz
Wer Tageslicht in seine Räume lenkt, spart an künstlicher Beleuchtung und damit Energie. Gleichzeitig muss aber Wärmestrahlung in Kauf nehmen, die teuer weggekühlt werden muss. Mit fresnelartig profilierten Jalousien, die effektiv gesteuert werden, so Lichtplaner Helmut Köster im folgenden Beitrag, lassen sich bei Bürogebäuden Energieeinsparungen im Betrieb bis zu 30 % realisieren.
Energie-Durchlassgrade zwischen 0,05 bei zweischaligem Fassadenaufbau und 0,1 bei innen liegenden Systemen Standard. Betrachtet man den Gesamtenergiebedarf durchschnittlicher Hochhäuser zum Beispiel in den USA, so ergibt sich ein Anteil für die elektrische Beleuchtung von zirka 32 % am Gesamtenergieverbrauch – primär tagsüber!
Da die gesamte durch elektrische Beleuchtung induzierte Energie schlussendlich in Wärme gewandelt wird, wird die Kühllast anteilig am Gesamtenergieverbrauch zu etwa 15 % durch die Beleuchtungsenergie zusätzlich belastet. Dieses Beispiel erlaubt die Prognose, dass der Gesamtenergieverbrauch eines Bürogebäudes alleine durch eine verbesserte Tageslichtnutzung um zirka 25 % bis 30 % reduziert werden kann.
Bei der Entwicklung von Lichtlenksystemen geht es immer um die Definition des Freund-/Feindverhältnisses zur Sonne in unterschiedlichen Klimata und Kulturen: Welcher Anteil der einstrahlenden Energie sollte zugunsten einer passiven Gebäudekühlung besser in den Himmel zurück reflektiert werden, welcher Anteil ist zugunsten der Tageslichtausleuchtung in den Innenraum einzulenken? Welcher Anteil soll als Heizenergiebeitrag wann genutzt werden?
Sonnenschutzmaßnahmen, die über keine besonderen Maßnahmen zur Lichteinlenkung/Raumausleuchtung verfügen, verschwenden die natürliche Ressource Tageslicht und insbesondere Strom für die Beleuchtung. Mit innen liegendem, farbigem Sonnenschutz ist die Anforderung einer passiven Kühlung auch nicht zu verwirklichen, weil die Lichtstrahlung an den Lamellen absorbiert und in Wärme gewandelt wird.
Folgende Beobachtung an einer Jalousie führt zur Entwicklung intelligenter Lichtlenklamellen: Abhängig vom Abstand der Lamellen in einem horizontalen Behang fällt die Sonne nur auf das zum Außenraum orientierte Teilstück. Es bietet sich daher an, Jalousielamellen in zwei optisch unterschiedlich wirkende Lamellenteilstücke aufzuteilen: Eine erste Lamellenhälfte zur Lichtauslenkung der direkten hohen Sonne (passive Gebäudekühlung) und eine zweite Lamellenhälfte zur Lichteinlenkung bei flacher Sonne (verbesserte Raumausleuchtung), zum Beispiel Lamellen vom Typ RetroLux der Fa. RetroSolar).
Aus Sicht des Nutzers gilt neben der Forderung nach gutem Licht und reduzierter Wärmestrahlung aus der Fassade insbesondere die Durchsicht: Der Nutzer will aus dem Fenster schauen. Um die Durchsicht eines Lamellenbehangs einerseits und die Lichttransmission andererseits weiter zu verbessern, kann das erste, retroreflektierende Lamellenteilstück auch W-förmig gestuft ausgebildet werden. Die Durchsichtigkeit ergibt sich bei diesen Lamellen zu 74 % bei gleichzeitiger weitgehender Reflexion der hohen Sommersonne in geöffnetem Zustand. In den unteren und oberen Behangteilen sind die zweiten Lamellenhälften, die als Lightshelfs dienen, unterschiedlich angestellt. Im unteren sind sie steiler, im Oberlicht flacher angewinkelt, sodass sich durch das Oberlicht eine verbesserte Raumtiefenausleuchtung und im unteren Fenster eine steile Lichtumlenkung an die Decke ergibt. Hierdurch ist trotz der Sonneneinspiegelung der Arbeitsplatz völlig blendfrei.
Neben diesen makrostrukturierten Geometrien sind am Markt mikrostrukturierte Lamellensysteme verfügbar. Hier wird in eine Lamelle ein Fresnel-Spiegel eingeprägt. Die Spiegel reflektieren trotz geöffneter, flacher Lamellenposition die Sonne und schützen den Innenraum vor Überhitzung. Gleichzeitig ergibt sich eine Durchsicht von mehr als 80 %.
Ein Fenster dient primär dem Tageslichteintrag und und der Durchsicht. Der g-Gesamtwert ist daher durch weitere Angaben der Lichttransmissionen, der sekundären Wärmestrahlung und der Durchsicht zu differenzieren. Trotz gleicher Zahlenwerte für g können unterschiedliche Systeme in der Praxis unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Der Vorteil der Retro-Technik ist, dass keine Wärme, jedoch Sonnenlicht in die Innenräume eines Gebäudes geleitet wird. HELMUT KÖSTER
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