Vom Urbild des Turmdrehkrans
Der oben drehende und auf der Baustelle schnell zu montierende Turmdrehkran bestimmt das Gesicht nahezu jeder Baustelle auf der Welt. Heute vor 100 Jahren stellte das Heidelberger Unternehmen Wolff den ersten Kran dieser Bauart auf der Leipziger Messe vor.
Unter der Schlagzeile „Revolutionäre Entwicklung in der Bautechnik“ berichtete das Extrablatt des Leipziger „Tagblatt“ vom 3. Mai 1913 über den ersten schnell montierbaren und fahrbaren Baukran der Welt, den die Heilbronner Maschinenfabrik Julius Wolff & Co. auf der Messe präsentierte: der Urvater aller Turmdrehkrane, ohne die heute keine Baustelle auf der Welt mehr auskommt.
Am 3. Mai 1913 eröffnete der sächsische König die Internationale Baufach-Ausstellung auf dem neugeschaffenen Messegelände, das seit Einweihung der Neuen Messe Leipzig 1996 unter dem Namen „Alte Messe Leipzig“ firmiert. Die Messebesucher konnten das Extrablatt als deutsch-englische Sonderausgabe zur Leipziger Messe für 5 Reichspfennige erwerben. Gottlob Göbel, seit 1908 Oberingenieur der Fa. Wolff, führte dem staunenden Messepublikum seinen oben drehenden Turmdrehkran vor, den er seit 1910 entwickelt hatte.
Die ersten Turmdrehkrane waren ab 1910 im Einsatz
Turmdrehkrane versahen schon um 1910 vereinzelt auf Baustellen ihren Dienst. In dieser Zeit vollendete der Stahlbeton die zweite technische Revolution im Bauwesen. Damit verstärkte sich die schon im Eisenbau des späten 19. Jahrhunderts angelegte Tendenz, das Bauen überhaupt als Verkettung technologischer Prozesse zu begreifen.
In erster Linie sind es die aufwendigen Transportprozesse auf der Baustelle, welche nach 1900 zum bevorzugten Gegenstand der Mechanisierung avancierten und in Gestalt des Turmdrehkrans im Allgemeinen und dem von Göbel im Besonderen ihr adäquates Artefakt fanden: Der Heilbronner Maschinenbauingenieur konstruierte eine wesentlich wirtschaftlichere Variante des Turmdrehkranes.
Erstmals kann der Kran auf dem Boden liegend montiert und mittels der eigenen elektrischen Winde aufgerichtet werden. Nachdem der Turm steht, wird der Ausleger von der Winde hochgezogen und in die gewünschte Position gebracht. Mit diesem Verfahren gelingt es Göbel, die üblichen Montagezeiten der Turmdrehkrane von zehn bis 14 Tagen um mehr als 50 % zu reduzieren. Dies ist für die nach dem „Time is Money“-Prinzip durchorganisierte Großbaustelle ein unschätzbarer Vorteil. Aber damit nicht genug. Über die feststehende Spitze des Kranturms ist eine zweite, sich drehende Spitze gestülpt, an der gleichzeitig der Nadelausleger mit Bolzen angeschlossen ist später sieht Göbel dort auch den Gegenausleger vor.
Starke Beschleunigung auf den Baustellen durch Krane
„Für ihre technische Glanzleistung zum Ruhme des Vaterlandes“ wurde die Firma Jul. Wolff & Co. mit einer Goldmedaille der Leipziger Messe geehrt. Göbel kehrte mit mehreren Abschlüssen nach Heilbronn zurück. Dort wird der neuartige Kran vorerst nur einzeln und auf Bestellung gefertigt. Göbel tüftelt weiter: Er konstruiert einen Kran mit drei unabhängigen Elektromotoren, so dass Fahren, Heben und Schwenken gleichzeitig ausgeführt werden können. Schon 1917 bietet Wolff auch Turmdrehkrane in schwerer Bauweise an.
Zu einem erheblichen Teil „tragen“ die Heilbronner Turmdrehkrane die in den 1920er-Jahren einsetzende Rationalisierungsbewegung auf den Großbaustellen. 1928 bietet die innovative Maschinenfabrik den ersten Turmdrehkran mit Katzausleger an. Ihre Krane bestimmen das Bild zahlreicher Großbaustellen wie der US-amerikanischen Botschaft in Paris, der Reichsbank in Frankfurt am Main und der Beltbrücke (1934). Bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Jul. Wolff & Co. bedeutendster Hersteller mittelschwerer und schwerer Turmdrehkrane im Bereich von 40 m bis 150 m.
Nach dem Zweiten Weltkrieg eroberte der Turmdrehkran auch den Wohnungsbau. Seit 1913 symbolisiert er die Mechanisierung der Baustelle auf anschauliche Weise.
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