Am teuersten ist es, nicht zu sanieren 22.07.2024, 12:56 Uhr

Wann rechnet sich eine energetische Gebäudesanierung?

Die höchsten Kosten entstehen, wenn gar nicht saniert wird. Das ist das Ergebnis einer Studie zur Wirtschaftlichkeit der energetischen Gebäudesanierung.

energetische Gebäudesanierung

Eine aktuelle Studie beschäftigt sich mit der energetischen Gebäudesanierung und liefert teilweise überraschende Ergebnisse.

Foto: PantherMedia / stockasso

Bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern rentieren sich fast alle energetischen Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle innerhalb weniger Jahre. Bei Mehrfamilienhäusern hingegen dauert es in der Regel deutlich länger, bis sich diese Maßnahmen auszahlen – es sei denn, es werden politische Maßnahmen ergriffen, um dies zu beschleunigen. Das ergibt eine aktuelle Studie der Prognos AG im Auftrag des WWF Deutschland, in der die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen anhand von 32 Fallbeispielen für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser untersucht wurde.

Bedeutung der energetischen Sanierung

Die energetische Sanierung von Gebäuden ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft. Deutschland hat sich verpflichtet, bis zur Mitte des Jahrhunderts einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, wie es in den Plänen der Bundesregierung und der EU festgeschrieben ist. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Der Betrieb von Gebäuden verbraucht etwa 35 Prozent der Endenergie und verursacht rund 15 Prozent der Treibhausgasemissionen, hauptsächlich durch das Heizen und die Warmwassererzeugung. Weitere Emissionen entstehen durch den Stromverbrauch und die Herstellung von Baumaterialien.

Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, wie dringlich die Eindämmung der Klimakrise ist. Daher ist es notwendig, den Gebäudebestand energetisch zu sanieren, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern.

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Wirtschaftliche Vorteile einer energetischen Sanierung

Eine energetische Sanierung bietet nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. Durch die Reduzierung des Energieverbrauchs sinken die Betriebskosten von Gebäuden erheblich. Gleichzeitig tragen diese Maßnahmen zur Wertsteigerung der Immobilien bei. Energetisch sanierte Gebäude erzielen auf dem Immobilienmarkt höhere Verkaufserlöse, insbesondere solche mit sehr guten Effizienzklassen (A und A+). Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Gebäude um bis zu 25 bis 30 Prozent höhere Verkaufspreise erzielen als Gebäude mit den schlechtesten Effizienzklassen (G und F).

Investitionen in die energetische Sanierung schaffen zudem lokale Arbeitsplätze und fördern die Wirtschaft. Die hohe lokale Wertschöpfung und die Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze sind wichtige positive Effekte, die häufig übersehen werden. Außerdem macht eine Sanierung Haushalte unabhängiger von steigenden Energiepreisen, was besonders einkommensschwachen Haushalten zugutekommt.

Welche Maßnahmen umfassen eine energetische Gebäudesanierung?

Eine energetische Gebäudesanierung umfasst verschiedene Maßnahmen, die darauf abzielen, den Energieverbrauch eines Gebäudes zu reduzieren und die Energieeffizienz zu verbessern. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Wärmedämmung: Die Dämmung von Wänden, Dachflächen und Geschossdecken trägt erheblich dazu bei, den Wärmeverlust zu minimieren und die Heizkosten zu senken.
  • Erneuerung von Fenstern und Außentüren: Der Austausch alter Fenster und Türen gegen moderne, energieeffiziente Modelle kann den Wärmeverlust reduzieren und den Komfort erhöhen.
  • Heizungsmodernisierung: Die Erneuerung der Heizungsanlage oder die Optimierung bestehender Heizsysteme, insbesondere wenn diese älter als zwei Jahre sind, verbessert die Energieeffizienz und senkt den Energieverbrauch.
  • Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes: Maßnahmen wie Sonnenschutzvorrichtungen oder spezielle Beschichtungen können helfen, die Innenraumtemperaturen im Sommer zu senken und den Kühlbedarf zu reduzieren.
  • Lüftungsanlagen: Der Einbau oder die Erneuerung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt für frische Luft und verringert gleichzeitig Wärmeverluste.
  • Digitale Systeme zur Energieoptimierung: Der Einsatz von digitalen Systemen zur Überwachung und Optimierung des Energieverbrauchs ermöglicht eine effiziente Steuerung und reduziert den Gesamtenergieverbrauch.

Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen kann nicht nur der Energieverbrauch eines Gebäudes gesenkt, sondern auch der Wohnkomfort erhöht und der Wert der Immobilie gesteigert werden.

Aktuelle Sanierungsrate und Herausforderungen

Trotz der vielen Vorteile liegt die Sanierungsquote in Deutschland aktuell bei nur 0,7 Prozent pro Jahr. Um einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 zu erreichen, müsste diese Rate jedoch auf über zwei Prozent jährlich steigen.

Ein wesentlicher Grund für die niedrige Sanierungsrate sind die politischen Kontroversen und die daraus resultierende Verunsicherung der Gebäudeeigentümer. Die Diskussionen rund um das Gebäudeenergiegesetz im Jahr 2023 haben das Vertrauen vieler Eigentümer erschüttert und zu einer Zurückhaltung bei Investitionen geführt.

Vergleich der Sanierungsmaßnahmen

Die Studie der Prognos AG hat die Wirtschaftlichkeit verschiedener Sanierungsmaßnahmen untersucht. Die Studie basierte auf 32 Fallbeispielen und verglich Teilsanierungen (wie Dachdämmung und neue Fenster) mit umfassenden Sanierungen auf die Effizienzhausstandards EH 70 und EH 55. Auch der Wechsel des Wärmeerzeugers wurde berücksichtigt.

Die Ergebnisse zeigen, dass umfassende Sanierungen auf lange Sicht kostengünstiger sind als Teilsanierungen. Besonders bei Einfamilienhäusern führen umfassende Sanierungen zu den niedrigsten Gesamtkosten bis 2045. Im unsanierten Zustand betragen die Gesamtkosten eines Einfamilienhauses bis 2045 etwa 89.000 Euro.

Durch eine Sanierung auf die Effizienzhausstandards EH 70 und EH 55 sinken diese Kosten auf etwa 65.000 Euro. Die teuerste Variante ist der Austausch des Gaskessels ohne weitere Sanierungsmaßnahmen, was zu Gesamtkosten von etwa 94.000 Euro führt. Besonders bei Gaskesseln dominieren die Energiekosten, die etwa 75 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Entsprechend groß ist das Risiko steigender Energiepreise.

Vorteile von Wärmepumpen und Photovoltaik

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die hohe Kosteneffizienz der Kombination aus Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen. Diese Kombination reduziert die Gesamtkosten um weitere fünf bis acht Prozent. Wärmepumpen sind eine besonders effiziente Methode zur Wärmeversorgung und bieten im Vergleich zu Gaskesseln deutliche Kostenvorteile.

In Kombination mit einer Photovoltaikanlage können die Energiekosten noch weiter gesenkt werden, da ein Teil des benötigten Stroms selbst erzeugt wird.

Fördermöglichkeiten und finanzielle Unterstützung

Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) spielen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen. Diese Förderungen helfen, die hohen Anfangsinvestitionen zu senken und machen umfassende Sanierungen erschwinglicher.

Trotzdem gibt es laut Studie Verbesserungspotenzial bei den Förderprogrammen. Insbesondere einkommensschwache Haushalte und ältere Menschen haben oft Schwierigkeiten, die finanziellen Mittel für eine umfassende Sanierung aufzubringen. Hier könnte ein Bonus nach dem Vorbild des Einkommensbonus der BEG für Wärmepumpen helfen, weitere Sanierungen anzustoßen.

Herausforderungen bei Mehrfamilienhäusern

Die Situation bei Mehrfamilienhäusern ist komplexer, wie in der Studie herausgefunden wurde. Hier gehen die Gesamtkosten durch die Sanierung zwar ebenfalls zurück, jedoch nicht so deutlich wie bei Einfamilienhäusern. Die teuerste Variante bleibt auch hier der neue Gaskessel ohne weitere Sanierungsmaßnahmen, was bis 2045 Kosten von knapp 248.000 Euro verursacht. Eine Sanierung auf EH 55 mit Wärmepumpe reduziert die Gesamtkosten auf etwa 185.000 Euro.

Ein weiteres Problem bei Mehrfamilienhäusern ist die unterschiedliche Kostenbilanz für Vermieter und Mieter. Während Vermieter durch erhöhte Mieteinnahmen profitieren, steigen die Warmmieten für die Mieter. Lösungsmöglichkeiten wie das Drittelmodell könnten hier Abhilfe schaffen. Dieses Modell gewährleistet die Warmmietenneutralität für Mieter und steigert gleichzeitig den Investitionsanreiz für Vermieter. Bisher wurden solche Modelle jedoch nicht flächendeckend umgesetzt.

Ein- und Mehrfamilienhäuser im direkten Vergleich

Die folgende Tabelle bietet eine übersichtliche Darstellung der verschiedenen Aspekte der energetischen Sanierung bei Ein- und Mehrfamilienhäusern und deren wirtschaftliche und soziale Auswirkungen.

Aspekt Selbst genutzte Einfamilienhäuser Mehrfamilienhäuser
Energiekosten Kosten für Energiebezug (inkl. CO2-Steuer) sinken bis 2045 mit zunehmender Sanierungsstufe deutlich Energiekosten (inkl. CO2-Steuer) sinken bis 2045 ebenfalls deutlich
Wirtschaftlichkeit der Sanierung Rechnet sich für alle betrachteten Wärmeerzeuger (Gaskessel Bestand, Gaskessel neu, Pelletkessel, Wärmepumpe) Einsparungen der Energiekosten reichen nicht aus, um die Mehrkosten der Wärmedämmung vollständig zu kompensieren
Investitionskosten Wärmeerzeugung Investitionskosten für Wärmeerzeugung sinken bei effizienteren Gebäuden Investitionskosten für Wärmeerzeugung sinken ebenfalls
Investitionskosten Sanierung Investitionskosten für Sanierungsmaßnahmen steigen mit zunehmender Sanierungsstufe Investitionskosten für Sanierungsmaßnahmen steigen
Sanierungsrate Bleibt gering, gesetzliche Mindeststandards für Energieeffizienz oder Anpassungen der Förderprogramme wären notwendig Modernisierungsumlage auf Mieter ist ausreichend hoch, um Kosten zu decken
Soziale Verträglichkeit

Mieter müssen entlastet werden, z.B. durch höhere Fördersätze, soziale Staffelung der Förderquoten, Reduktion der Modernisierungsumlage
Politische Maßnahmen Gesetzliche Mindeststandards für Energieeffizienz oder Anpassungen der Förderprogramme könnten helfen, die Sanierungsrate zu erhöhen Mieter

müssten durch politische Maßnahmen wie höhere Fördersätze und soziale Staffelung entlastet werden

Langfristige Perspektiven und Fazit

Eine energetische Sanierung rechnet sich langfristig in vielfacher Hinsicht. Sie trägt wesentlich zum Klimaschutz bei, steigert den Immobilienwert und macht die Bewohner

unabhängiger von Energiepreisen. Nichtstun ist auf lange Sicht die teuerste Handlungsoption, da unsanierte Gebäude höhere Betriebskosten verursachen und einem größeren Risiko durch steigende Energiepreise ausgesetzt sind.

Die vorliegende Studie verdeutlicht, dass umfassende Sanierungen, obwohl sie anfangs hohe Investitionen erfordern, auf lange Sicht wirtschaftlich vorteilhafter sind als Teilsanierungen oder gar keine Maßnahmen. Besonders die Kombination aus Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen bietet erhebliche Kosteneinsparungen und ist ein zukunftssicheres Modell für die Wärmeversorgung.

Hier geht es zur Studie

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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