Klimaschutz 17.07.2024, 07:00 Uhr

Zement-Recycling als Schlüssel zur Klimaneutralität

Zement-Recycling könnte die CO2-Emissionen der Zementproduktion um 15 Prozent senken, zeigt eine neue Studie. Von zehn untersuchten CO2-Mineralisierungstechnologien erwiesen sich aber nur zwei als wirksam und wirtschaftlich, darunter recycelter Zementstein aus Abriss-Beton. Die Ergebnisse definieren Schwerpunkte für Politik und Industrie zur Dekarbonisierung des Bausektors.

Ein Bagger in einem Abrisshaus

Der Zement fürs Recycling stammt in der Regel aus Abbruchhäusern.

Foto: panthermedia.net/Monartfoto

Eine aktuelle Studie im Fachjournal PNAS belegt, dass die Wiederaufbereitung von Zementstein eine der kostengünstigsten und wirksamsten Methoden darstellt, um den CO2-Ausstoß bei der Zementproduktion zu verringern. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Imperial College London unter Beteiligung von Forschern der Empa und EPFL nachgewiesen. Die Untersuchung zeigt, dass durch die CO2-Mineralisierung – ein Verfahren, bei dem freigesetztes und atmosphärisches Kohlendioxid gebunden wird, indem es in Baustoffen wie Beton, Ziegeln, Pflaster und Klinkerersatzmaterialien absorbiert wird – das Potenzial besteht, den CO2-Ausstoß der Zementherstellung um circa 15 Prozent zu senken. Dies entspricht 0,8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen von 2020.

Zement-Recycling auf dem Prüfstand

Die Produktion von Baumaterialien ist ein im wahrsten Wortsinn klimaschädliches Geschäft: Sie verursacht rund 13 Prozent des globalen Treibhausausstoßes, wobei der Großteil auf die Produktion von Beton und Stahl entfällt. Nach Wasser ist Beton der am zweithäufigsten nachgefragte Baustoff – und zwar weltweit. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage zukünftig weiter ansteigen wird. Daher suchen sie nach Möglichkeiten, die Emissionen, die bei Herstellung und Nutzung von Beton und Zement entstehen, zu minimieren.

Für die PNAS-Studie standen zehn verschiedene Technologien auf dem Prüfstand, die eine effektive Mineralisierung von CO2 im Zement ermöglichen sollen. Die Studie zeigte, dass lediglich zwei der Verfahren wirksam und wirtschaftlich CO2-Emissionen der Zementherstellung senken können. Für die übrigen Technologien ergaben sich kaum oder nur eingeschränkte Nachweise, dass sie den CO2-Ausstoß in der Praxis reduzieren können, obwohl Unternehmen deren Effektivität beteuern.

Zement-Recycling als effektive und wirtschaftliche Lösung

Denn beim Recycling gilt: Zement ist nicht gleich Zement. Die Untersuchungen zeigten, dass recycelter Zementstein aus Abbruchbeton die leistungsfähigste und ökonomischste Variante ist. Zementstein (auch als nicht-ausgehärteter Zementleim bezeichnet), verbindet Bestandteile wie Sand oder Kies. Auf diese Weise entsteht Beton. Wiederaufbereiteter Zementstein stammt üblicherweise aus Abbruchhäusern.

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Rupert J. Myers vom „Department of Civil and Environmental Engineering“ des Imperial College erklärt: „Eine der großen Herausforderungen bei der Bekämpfung des Klimawandels ist es, den CO2-Ausstoß der Zementproduktion, aber auch der Baubranche insgesamt deutlich zu vermindern. Unsere Resultate legen nahe, dass mit CO2 mineralisierter Zement eine Vorreiterrolle spielen könnte, wenn es darum geht, den Sektor zu dekarbonisieren.“

Zement-Recycling günstiger als CO2-Speicherung

Das Forscherteam ermittelte zudem, dass Technologien, die auf der CO2-Mineralisierung basieren, etwa zwei- bis fünfmal preisgünstiger sind als Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Storage, kurz: CCS), bei denen atmosphärischer Kohlenstoff unterirdisch gelagert wird. Die CO2-Mineralisierung punktet außerdem damit, dass es sich um eine dauerhafte Lösung handelt, die unkompliziert umzusetzen ist. Baustoffe können CO2 für Jahrhunderte in der Infrastruktur binden, möglicherweise sogar länger, wenn Abbruchmaterialien wiederverwertet werden.

Justin D. Driver vom „Department of Chemical Engineering“ des Imperial College erläutert: „Unsere Ergebnisse sind zwar vielversprechend, man muss sich aber bewusst sein, dass die CO2-Mineralisierung kein Allheilmittel darstellt. Es existiert nur eine begrenzte Menge an Rohstoffen, die CO2 aufnehmen können. Das bedeutet, dass das Potenzial dieser Technologie ebenfalls limitiert ist.“ Ellina Bernard, Mitautorin und Forscherin am Empa-Labor für Beton und Asphalt, ergänzt: „Die Studie zeigt, dass die Anwendung der CO2-Mineralisierung mittels Altbeton oder anderen kalziumbasierten Industrieabfällen durch die verfügbare Menge des zu karbonisierenden Materials begrenzt wird.

Dennoch sind CO2-Einsparungen von 15 Prozent bei der Produktion von Baumaterialien nicht zu unterschätzen. Es ist von großer Bedeutung, weiterhin intensiv zu forschen, um einerseits die Kosten zu senken und andererseits die Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCU) weiter zu verbessern. CCU steht auch im Fokus der neuen Empa-Forschungsinitiative „Mining the Atmosphere“.

Zement-Recycling: Was für mehr Klimaneutralität wichtig ist

Das Forschungsteam formulierte zentrale Handlungsfelder für politische Entscheidungsträger, Investorinnen und Investoren sowie weitere Stakeholder, die eine Emissionsreduktion in der Zementproduktion anstreben:

  • Entwicklung von Strategien zur Förderung des Recyclings von Betonabbruch, der sich für CO2-Mineralisierung einsetzen lässt. Das verbessert die Emissionsminderung
  • Konzentration auf solche CO2-Mineralisierungstechnologien, die sich als wettbewerbsfähig erwiesen haben
  • Transparenz bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit basierend auf Produktionskosten, Produktnachfrage, Marktanteil und Anwendungsfällen
  • Bereitstellung von leicht verständlichen Informationen, die Investorinnen und Investoren einen Vergleich zwischen verschiedenen Technologien ermöglicht

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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