US-Startup entwickelt Rezept für nachhaltigen Zement
Ein Start-up hat einen nachhaltigen Ersatz für den häufig eingesetzte Portlandzement entwickelt. Inspiriert von römischen Bauwerken, nutzt das neue Verfahren Elektrochemie statt extremer Hitze.
Er ist einer der meistgenutzten Baustoffe und bereits seit der Antike als solcher bekannt. Doch die Herstellung von Zement ist für die Umwelt nicht zwingend von Vorteil. Deshalb gibt es bereits verschiedene Entwicklungen und Innovationen, den Produktionsprozess so zu verbessern, dass sich dieser Baustoff künftig CO2-neutral produzieren lässt.
Das Unternehmen Sublime Systems hat sich damit beschäftigt und eine neue Methode entwickelt. Die Firma, gegründet von MIT-Professor Yet-Ming Chiang und seiner ehemaligen Postdoktorandin Leah Ellis, orientiert sich dabei an antiken römischen Techniken. Während moderne Zementwerke extreme Hitze benötigen, mussten die Römer ohne diese Option auskommen. Dennoch beeindrucken ihre Bauwerke noch heute durch ihre Langlebigkeit. Sublime Systems greift diese alten Erkenntnisse auf und kombiniert sie mit modernster Technologie.
Zementverbundstoff mit Perlmutt-Effekt ist super dehnbar und rissfest
Das Unternehmen kreiert eine Alternative zum weitverbreiteten Portlandzement, indem es elektrochemische Verfahren einsetzt. So vermeidet es die enormen Temperaturen und den damit einhergehenden CO2-Ausstoß in der konventionellen Produktion. „Die Römer bewiesen, dass ihr Zement stabil und dauerhaft ist.
Wir nutzen 2.000 Jahre Fortschritt, um dieses Material für heutige Ansprüche zu optimieren“, erläutert Leah Ellis. Sie entwickelte das Konzept ursprünglich als Postdoc in Chiangs Labor am MIT. Ihr Ansatz birgt enormes Potenzial zur Reduzierung globaler Treibhausgasemissionen. Laut Internationaler Energieagentur verursacht die Zementherstellung etwa sieben Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen weltweit.
Zement als klimaneutraler Baustoff der Zukunft
Sublime Systems umgeht diese Emissionen, indem es auf Hochtemperaturverfahren und kalksteinbasierte Rohstoffe verzichtet. Stattdessen setzt das Unternehmen auf einen neuartigen elektrochemischen Prozess. „Zement ermöglichte unsere Zivilisation, wie wir sie heute kennen. Sie muss aber neu erfunden werden“, betont Chiang. „Die Branche emittiert jährlich etwa vier Gigatonnen CO2, Tendenz steigend. Unser Ansatz bietet eine technisch machbare Lösung, um diese Emissionen schnellstmöglich zu reduzieren.
Das Start-Up erreichte kürzlich einen wichtigen Meilenstein: In Bostons größtem klimaneutralen Bürogebäude verbaute man drei Tonnen des neuartigen Zements. Aktuell errichtet das Unternehmen in Holyoke, Massachusetts, eine kommerzielle Produktionsanlage mit einer Jahreskapazität von 30.000 Tonnen. Diese soll bereits 2026 in Betrieb gehen. „Die Anlage dient als Modul, das wir zu einer Millionen-Tonnen-Fabrik ausbauen können. So minimieren wir Skalierungsrisiken und können die Technologie weltweit parallel einsetzen“, erklärt Ellis.
Zementindustrie: Elektrochemie statt Hochtemperaturverfahren
„Zement ist der größte CO2-Emittent unter den Industriematerialien. Der Einsatz von Elektrizität im Produktionsprozess wurde bisher allerdings kaum erforscht“, so Chiang. Leah Ellis und ihr Kollege Andres Blades untersuchten daraufhin umfassend die Zementchemie und -produktion. Nach gründlicher Analyse veröffentlichten sie ihre Ergebnisse und starteten im März 2020 ihr Unternehmen. Sie lizenzierten Patente vom MIT und nutzten dessen Gründerprogramme. „Das MIT bietet unglaubliche Ressourcen für Startups“, betont Ellis. Der Hauptgrund für die enorme CO2-Bilanz von Portlandzement liegt in der Verwendung von Kalkstein, der zu fast 50 Prozent aus CO2 besteht. Dieses entweicht beim Erhitzen auf 1450 Grad Celsius – eine Temperatur, die sich nur schwer effizient unter Einsatz von Strom realisieren lässt.
Sublimes Team entwickelte deshalb einen elektrochemischen Prozess, der Kalziumsilikatgestein bei Raumtemperatur zersetzt. Die Reaktion nutzt vorhandene Rohstoffe und erzeugt reaktives Kalzium und Silikate für den Zement. Das Endprodukt entspricht in Festigkeit und Aushärtung dem Portlandzement und erfüllt vorgegebene Industriestandards.
Einzige echte Null-Emissions-Lösung?
„Unseres Wissens sind wir die einzige echte Null-Emissions-Lösung für einen direkten Portlandzement-Ersatz“, betont Ellis stolz. Yanni Tsipis von WS Development, einem Immobilienunternehmen in den USA, wurde auf einer MIT-Veranstaltung auf Sublime aufmerksam. Er sorgte dafür, dass der Ersatz-Zement erstmals in Bostons größtem klimaneutralen Bürogebäude zum Einsatz kam.
„Wir hoffen, dass unsere Partnerschaft zeigt, was möglich ist, wenn es darum geht, neue Technologien in der Industrie zu etablieren“, erklärt Tsipis. Für Chiang verkörpert Sublime die Fähigkeit der MIT-Gemeinschaft, wirkungsvolle Technologien voranzutreiben. „Wir haben frühzeitig ein wichtiges, ungelöstes Problem erkannt und schnell eine skalierbare Lösung zur Klimawandelbekämpfung entwickelt“, resümiert er. „Das ist typisch MIT: Wir fokussieren uns auf Dinge, die nicht nur akademisch, sondern gesellschaftlich relevant sind.“
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