Zu viel Hitze im Kabel-Schacht des Großflughafens
Ein neues Problem belastet den Hauptstadt-Flughafen Berlin-Brandenburg. Jetzt bergen offenbar überhitzte Kabel in völlig überbelegten Kabelschächten Risiken: Es können Kurzschlüsse auftreten oder gar Schmorbrände entstehen. Das treibt die Kosten weiter in die Höhe – jeder Monat Verzögerung kostet 34 Millionen Euro.
Am Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg BER sind Kabelschächte derart voll mit Kabeln gepackt worden, dass sie sich bei Vollbetrieb des Terminals auf über 70 Grad erhitzen können. Und dann beginnen die Kunststoffummantelungen zu schmoren, es drohen Kurzschlüsse oder gar ein Schwelbrand. Ein Sprecher des TÜV erklärte, eine Inbetriebnahme des Kabelkanals „wäre eine grob fahrlässige Handlung“.
Es ist zu eng im Kabel-Schacht
Die Ursachen für den Hitze-Kollaps: Im Hauptkanal wurden zu viele Kabel verlegt, teilweise sind sie auch zu klein dimensioniert. Überdies wurden die Kabel auch zu stark gebogen. Nun soll eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Informatik-Professors Jochen Großmann den Kabelsalat entwirren. Es wird geprüft, ob es möglich ist, die besonders kritischen Abschnitte im Kabelsystem durch eine Klimaanlage auf gefahrlose Temperaturen herunterzukühlen. Wenn das zu kompliziert ist, dann müssen Kabel entfernt werden und Ersatztrassen für die Kabel müssen her. Planungen für diese existieren bislang nicht. Es sind derzeit weder die Kosten noch die Dauer der Umbauarbeiten souverän abzuschätzen.
Verfahrenstechniker Jürgen Großmann soll es richten
Flughafensprecher Ralf Kunkel sagte, das Problem sei seit Monaten bekannt und der Flughafen arbeite seit rund einem halben Jahr an Lösungen. Er betonte, dass für den Flughafen nicht die Kabeltrassen das entscheidende Thema seien, sondern dass endlich die Entrauchungsanlagen funktionieren. Zur Lösung dieses Problems hatte Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn im vergangenen Jahr den Informatik-Professor und Verfahrenstechniker Jürgen Großmann nach Berlin geholt.
Monströse Entrauchungsanlage bändigen
Dessen Hauptaufgabe ist es, die monströse Entrauchungsanlage zu bändigen. Siemens soll nun dafür sorgen, dass die Türen von der Entrauchungsanlage gesteuert werden und auch die graduelle Nachströmung von Frischluft unterstützen. Denn als Fachleute kürzlich bei Tests im Terminal künstlichen Rauch absaugten, zeigte sich, dass die Luft nicht so nachströmt, wie es geplant war. Im Gegenteil: In den großen Hallen des Flughafen-Architekten Meinhard von Gerkan verwirbeln die gewaltigen Frischluftströme den Qualm eher, anstatt ihn über die Dächer nach oben auszustoßen. Der größte Abschnitt des ganzen Brandschutzsystems, die Anlage 14 – sie dient dem Schutz der Gepäckausgabe und des Übergangs zum unterirdischen Bahnhof – soll jetzt in drei Teile zerlegt werden, um sie überhaupt beherrschbar zu machen.
„Erst planen, dann bauen“
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakteppa wirft der Flughafengesellschaft mit ihren drei Gesellschaftern, den beiden Ländern Berlin und Brandenburg und dem Bund, schwere Planungsfehler vor. „Es ist so einfach wie beim Kochen und Backen: Sie müssen wissen, was sie kochen wollen. Sie brauchen ein Rezept und Zutaten. Je komplizierter ein Bauablauf ist, und ein Flughafen ist kompliziert, desto mehr wird eine Änderung das Projekt teurer machen. Viele dieser einfachen Weisheiten: erst planen, dann bauen oder auch Kostenehrlichkeit sind beim BER nicht berücksichtigt worden. Wenn Siemens jetzt zwei Jahre für die Ertüchtigung der Brandschutzanlage braucht, dann ist es so.“
Zwei Jahre Verzögerung kosten 816 Millionen Euro
Dadurch gerät der ohnehin auf tönernen Füßen stehende Plan von Flughafen-Chef Mehdorn, den Hauptstadtflughafen im kommenden Jahr zu eröffnen, erneut aus dem Tritt. Erst am vergangenen Montag hatte Mehdorn im Flughafen-Sonderausschuss des Brandenburger Landtages gesagt, dass der künftige Hauptstadtflughafen in diesem Jahr weitgehend fertiggestellt werden soll. „Wir gehen davon aus, dass wir bis Jahresende zu einem weitgehenden Bauende kommen“, sagte Mehdorn. Das ist nun wohl Makulatur. Im Aufsichtsrat geht man inzwischen ohnehin davon aus, dass der Flughafen erst mit dem Frühjahrsflugplan 2016 in Betrieb geht. Fest steht: Jeder Monat Verzögerung kostet 34 Millionen Euro. Das sind bei weiteren zwei Jahren immerhin stolze 816 Millionen Euro, die für die Planungsfehler der Vergangenheit verbrannt werden.
Mehdorn sieht Testbetrieb als Chance
Unabhängig vom jetzigen Kabelsalat will der Flughafen-Chef aber ab Juli einen kleinen Testbetrieb mit bis zu zehn Maschinen täglich am Nordpier beginnen. Dort existieren die gewaltigen Probleme mit Entrauchungsanlage und überhitzen Kabel nicht. Mehdorn begreift das als Chance. „Was wir probieren können, um Fehler auszumerzen, wollen wir probieren“, erklärte Mehdorn. Flughafensprecher Ralf Kunkel ergänzte, dass es sich nicht um einen „Vollbetrieb, sondern einen Echttest“ handelt. Im Klartext: Alle BER-Systeme wie das LAN-Netz, die Einbruchmeldeanlage, Videomanagement, Gebäudeleittechnik und Aufzugnotrufe müssen den Praxistest bestehen. 66 Prozent aller Objekte gehen in Betrieb.
Für Mehdorn sind die geschätzten 5,5 Millionen Euro für den Probebetrieb am Nordpier daher gut investiertes Geld, da es so später im Vollbetrieb zu weniger Pannen und Fehlern kommen werde. Ob dieser Testbetrieb zum Sommer tatsächlich Realität wird, hängt auch vom Aufsichtsrat ab, denn der muss den Testbetrieb genehmigen. „Wenn die Bedingungen erfüllt sind, wird der Aufsichtsrat zeitnah entscheiden“, äußerte sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers von den Linken, der in dem Kontrollgremium einen Sitz innehat.
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