An der Düssel gedeiht Biotech prächtig
Viele deutsche und ausländische Biotechnologie-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Düsseldorf oder im Umfeld der Landeshauptstadt. Daraus zieht unter anderem auch die dortige Heinrich-Heine- Universität Vorteile – mit vielfältigen Kooperationen.
Mit die erfolgreichsten deutschen Biotech-Unternehmen stammen aus Düsseldorf. Firmen wie Bayer HealthCare, Henkel, Schwarz Pharma, Degussa und 3M sind als Big-Player der Chemie und Pharmabranche in der Wirtschaftsmetropole Düsseldorf, in Neuss, im Kreis Mettmann und in Wuppertal vertreten.
Zudem tragen Firmen wie Bayer CropScience in Monheim, Qiagen in Hilden, NewLab und Neuraxo in Erkrath oder Artes in Langenfeld zur Entwicklung der Bio-Region Düsseldorf bei.
Die ohnehin schon günstigen Bedingungen, die die Stadt Düsseldorf Unternehmen der Biotechnologie-Branche bietet, scheinen sich zusehends weiter zu verbessern. Denn Jahr für Jahr absolvieren mehrere Tausend Kandidaten an der Heinrich-Heine-Universität ihr Examen in biotechnologischen Fächern. Gerade diese Heerscharen an Nachwuchswissenschaftlern sind ein starkes Ansiedlungsargument für einschlägige Firmen.
In der Region befinden sich derzeit 93 Life-Science-Unternehmen, davon widmen sich 40 Firmen der Biotechnologie, 26 der Pharmaentwicklung und 17 der Medizintechnik. Zehn weitere Institute leisten Auftragsforschung in ganz unterschiedlichen Richtungen.
Zu den Standortvorteilen am Rhein zählt insbesondere das 2003 gegründete Life-Science-Net, eine Initiative von Industrie- und Handelskammer, Stadt und Life-Science-Center Düsseldorf: Hier soll der kreative Austausch zwischen Uni und großen wie auch kleinen Unternehmen intensiviert und damit der hochqualifizierter Nachwuchs für die Branche in Düsseldorf generiert werden.
Doch damit nicht genug: Seit Anfang dieses Jahres knüpft die Düsseldorfer Innovations- und Wissenschafts-Agentur (Diwa) ein ganz besonderes Kooperationsnetzwerk, an dem Stadt und Universität gleichermaßen beteiligt sind. Es ist bislang einmalig in Nordrhein-Westfalen und findet bundesweit nur ein einziges Pendant in Hamburg.
Diwa sei „die“ strukturelle Neuerung zur Förderung der Lebenswissenschaften in Düsseldorf, sagte Frauke Hangen, Geschäftsführerin von Bioriver, dem Netzwerk der Biotechnologie im Rheinland (s. Kasten). Diwa-Geschäftsführer Thomas Heck, zugleich Manager des
Life-Science-Centers Düsseldorf, erklärt: „Ziel der neuen Einrichtung soll sein, Ausgründungen aus der Universität anzuregen und zu fördern.“
Die Agentur befinde sich ebenso wie das auf Bio- und Gentechnologie spezialisierte Life-Science-Center unter dem Dach der Uni, sei aber wissenschaftlich breit und fächerübergreifend aufgestellt, erläuterte Heck.
Bei den Neuausgründungen spielt die Biotechnologie in der Landeshauptstadt eine große Rolle. Zu den Mitgliedern des Life-Science-Centers gehört beispielsweise die 2008 gegründete Autodisplay Biotech GmbH. Das innovative Institut entwickelt kostengünstig Biokatalysatoren, Pharmaproteine und andere Wirkstoffe für Arzneimittel.
„Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus dem Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität und nimmt nun nach erfolgreicher Start-Finanzierung ab Juni 2010 seine Geschäftstätigkeit im Life-Science-Center Düsseldorf auf“, berichtet Heck.
Auch der nächste biotechnologische Sprössling der Düsseldorfer Uni gedeihe bereits recht gut: „Das Gründungsprojekt Epivios entwickelt innovative molekularbiologische Verfahren, mit denen Krebs bereits im Frühstadium diagnostiziert werden kann, noch bevor erste klinische Symptome auftreten“, so Heck.
Ein einfacher Urintest genügt, um Prostata- und Blasenkrebs zu erkennen, lange bevor sich beim Patienten überhaupt Beschwerden zeigen. Erst kürzlich wurde das Unternehmen mit dem Rheinischen NUK Businessplan-Wettbewerb ausgezeichnet. Die Jury hielt das molekulardiagnostische Verfahren für „revolutionär“.
Das größte und weltweit bekannteste Biotechnologie-Unternehmen, das seinerzeit aus der Düsseldorfer Uni hervorgegangen ist, ist Qiagen mit Hauptsitz im nahe gelegenen Hilden. Neu im Portfolio des Biotech-Zulieferers, dessen Geräte zur automatischen Probenaufbereitung und molekulardiagnostischen Analyse sich in beinahe jedem Labor finden, ist seit Kurzem eine Komplettlösung zur Lebensmittelkontrolle.
Die Tests spüren beispielsweise gentechnisch veränderte Organismen auf, die in der Nahrung gar nicht vorkommen dürften. Aber auch Kleinstlebewesen wie Bakterien und Viren, die zum Verderb der Lebensmittel führen können, sowie andere Fremdstoffe in der Nahrung lassen sich mit den neuen Methoden zielsicher ermitteln.
Die Angebotspalette von Qiagen umfasst heute Probenvorbereitungs- und Testtechnologien sowie Automationsverfahren für die Labors. Das Unternehmen bietet Lösungen für molekulare Diagnostik, akademische Forschung, pharmazeutische Industrie sowie angewandte Testverfahren. Qiagen verfügt nach eigenen Angaben mit über 500 Produkten über das breiteste Portfolio an molekularen Testtechnologien, die in Form offener Nachweis-Kits und als Tests mit festen Untersuchungszielen angeboten werden.
Einen ansehnlichen Erfolg verbuchte kürzlich der Düsseldorfer Henkel-Konzern. Sein Korrekturroller Pritt Ecomfort holte beim Wettbewerb „Biowerkstoff des Jahres“ auf der diesjährigen Hannover Messe immerhin den 3. Platz . Knapp 90 % des Rollergehäuses sollen nach Herstellerangaben aus Pflanzenmaterial mit hohem Stärkeanteil bestehen.
„Der Wechsel vom erdölbasierten Kunststoff zum neuen Material spart jedes Jahr den Gegenwert zu mehr als 20 000 l Benzin“, erläuterte Peter Rushe, Entwicklungschef der Sparte Pritt Rollers. „Bezogen auf den CO2-Ausstoß wäre das, als würde man 1000 neue Bäume pflanzen.“
Der Düsseldorfer Bio-Standort ist nicht zuletzt wegen seiner traditionsreichen medizinischen Fakultät in der pharmazeutischen Biotechnologie und Diagnostik (rote Biotechnologie) fest verwurzelt. Beinahe ebenso stark repräsentiert ist die industrielle – weiße – Biotechnologie mit der Enzymforschung und Bioverfahrenstechnik.
Auf diesem Gebiet hat kürzlich das Düsseldorfer Unternehmen Evocatal ein neues Verfahren zur großtechnischen Herstellung von Alkohol-Dehydrogenasen in Bakterien entwickelt. Damit soll eines der meist genutzten Enzyme, das bisher aufwendig und dennoch mit nur geringer Ausbeute aus der Leber von Pferden gewonnen wurde, erstmals in großem Maßstab zur Verfügung gestellt werden können. L.WALLERANG/ber
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