Biokatalyse: Stabilere Mutanten entdeckt
Einer Forschungsgruppe der Ruhr Universität Bochum ist es erstmals gelungen, eine neue Reaktion zu beobachten. Der Biokatalysator Format-Dehydrogenase kann auch sogenannte Formamide umsetzen, die als Lösungsmittel günstig und gebräuchlich sind.
Forschende der Ruhr Universität Bochum haben es sich zur Aufgabe gemacht, biotechnologische Abläufe weiter zu erforschen. Die Biotechnologie beschäftigt sich vor allem mit Enzymen, Zellen und Organismen. Dabei stehen deren Nutzung und technische Anwendungsmöglichkeiten im Mittelpunkt. Im Rahmen ihrer Forschung ist es der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie um Dirk Tischler, Professor für Mikrobielle Biotechnologie an der Ruhr Universität Bochum, nun erstmals gelungen, eine neue Reaktion zu beobachten.
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Im Mittelpunkt der Untersuchung standen die Moleküle NADH und NADPH. NADH ist als eines der wichtigen Coenzyme bekannt und gehört zur Gruppe der sogenannten Redoxcoenzyme. Es leistet unter anderem einen zentralen Beitrag, Kohlenhydrate abzubauen und überträgt zum Beispiel Elektronen. Bekannt ist dieses Molekül auch als „biologischer Wasserstoff“, denn er reagiert in den Körperzellen mit Sauerstoff und bildet dabei Wasser und Energie. NADPH spielt eine wichtige Rolle zum Beispiel bei Reaktionen der Photosynthese. Es kommt bei sogenannten anabolen Stoffwechselvorgängen zum Einsatz und fungiert dabei hauptsächlich als Wasserstoffüberträger. Auch in der chemischen Industrie kommen die beiden Moleküle NADH und NADPH zum Einsatz, dann hauptsächlich als Treibstoff.
Biokatalysator kann nicht nur einen Stoff umsetzen
Die Forschenden widmeten sich diesen beiden Molekülen und untersuchten ihre Herstellung. Dabei stellten sie fest, dass der sogenannte Biokatalysator Format-Dehydrogase nicht nur einen Stoff umsetzen kann, das Format, sondern noch einen weiteren, nämlich Formamide. Formamide eignen sich besonders gut als Löse- und Reduktionsmittel. Ihre Untersuchung zeigte, dass durch den Einsatz von Formamiden schwer zu lösende C-N-Bindungen gebrochen werden können. „Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für schwer lösliche NADH- oder NADPH-abhängige Reaktionen“, erläutert Dirk Tischler.
Normalerweise setzt man die Format-Dehydrogenase hauptsächlich in biokatalytischen Prozessen dafür ein, dass einem Substrat Elektronen entzogen werden können. Auf diese Art und Weise stehen sie dann als Treibstoff für weitere Reaktionen bereit. Bislang nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Substrat NAD+ und als Produkt NADH. CO2 entsteht in diesem Zusammenhang sozusagen als Abfallprodukt. Genau das kommt den Forschenden sehr gelegen, denn das CO2 entweicht als Gas und verhindert damit, dass die Reaktion auch rückwärts abläuft. Da als Produkt nicht nur NADH, sondern häufiger die Variante NADPH benötigt wird – in der Variante beinhalt es eine Phosphatgruppe mehr –, hat die Arbeitsgruppe Mutanten des Biokatalysators produziert, welche NAPD+ in das gewünschte Produkt umwandelt.
In der Biokatalyse hat CO2 eine wichtige Funktion
„Wir haben verschiedene mögliche Substrate angeschaut (Format-Derivate) und gesehen, dass bei deren Umsetzung durch den Biokatalysator immer eine C-O-Bindung gebrochen wird“, sagt Tischler. „Dann kam uns eine Idee: Was wäre, wenn das Enzym auch C-N-Bindungen spalten könnte, eine schwierig zu lösende Aufgabe?“ Denn bislang ist über alternative Ausgangsstoffe für den Biokatalysator nur wenig bekannt.
Im Rahmen einer Testreihe stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass der Biokatalysator das tatsächlich umsetzen kann: Mit Formamiden als Ausgangsstoffe kann er Derivate des Formats mit einer zusätzlichen Verbindung zu einem Stickstoff umwandeln. Vorteil von Formamiden: Es handelt sich dabei um günstige und häufig verwendete Lösungsmittel, die zugleich in der beschriebenen Reaktion als Lösungsmittel und Substrat fungieren. Innerhalb dieser Konstellation ist es ebenfalls möglich, NADH und NADPH bereitzustellen. CO2 entsteht darüber hinaus auch bei diesen Reaktionen als Abfallprodukt. Erneut kann dessen Entweichen dafür sorgen, dass die Reaktionen nicht rückwärts ablaufen können.
Stabilere Mutanten bieten mehr Möglichkeiten
Noch nie zuvor war es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, diese Reaktion zu beschreiben. Dirk Tischler zeigte sich deshalb entsprechend stolz auf sein Team. Die Forschenden konnten nachweislich belegen, dass sich mit Formamiden als Elektronenquelle für die Bildung von NADPH vergleichbare oder sogar leicht bessere Ergebnisse erreichen lassen als im herkömmlichen System mit Format, das in der Forschung bislang praktisch standardmäßig zum Einsatz kam. „Damit eröffnen sich nun ganz neue Möglichkeiten, da unsere stabileren Mutanten auch in bis zu 40 Prozent Formamiden noch aktiv sind“, erläutert Tischler.
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