Bioreaktor: Ein kleines Moos liefert komplexe Proteine
Im Moosbioreaktor wird ein spezielles Moos kultiviert und genetisch verändert. Daraus lassen sich Proteine herstellen, die zur Behandlung menschlicher Krankheiten zunehmend an Bedeutung gewinnen. Forschungslabore und Biotechnologieunternehmen arbeiten gemeinsam an der Protein-Produktion.
Das Kleine Blasenmützenmoos, lateinisch Physcomitrella patens, ist eine unscheinbare Pflanze. Die Art kommt in Eurasien und Nordamerika vor, ist nur fünf Millimeter hoch und mit einem Lebenszyklus von vier Wochen sehr kurzlebig. In der Biotechnologie hat die Moosart jedoch eine besondere Bedeutung, denn sie gilt als Modellorganismus. Sie kann mit einfachen Methoden gezüchtet und untersucht werden, ist unkompliziert und kostengünstig. Außerdem ist ihr komplettes Genom entschlüsselt und ihre Fähigkeit, Genmutationen zu reparieren (homologe Rekombination) sehr hoch.
Markt für biopharmazeutische Produkte explodiert
All das macht das Kleine Blasenmützenmoos zum genügsamen Organismus, der perfekt in vitro für Forschungszwecke kultiviert werden kann. Seit fast 25 Jahren beschäftigt sich Ralf Reski, Professor für Pflanzenbiotechnologie an der Universität Freiburg, mit Physcomitrella patens und hat mit seinen Forschungen die Bedeutung des Mooses für die Entwicklung von Medikamenten wesentlich vorangebracht. 1999 war Reski einer der Mitbegründer von greenovation Biotech, einem biopharmazeutischen Unternehmen. „Wir an der Uni machen die Grundlagenforschung, während greenovation Anwendungsforschung betreibt“, sagt Reski gegenüber ingenieur.de.
Produktausbeute verbessern
„Wir an der Uni arbeiten mit einem Moosbioreaktor, der 20 Liter fasst, während bei greenovation ein 500-Liter-Reaktor steht“, erklärt Reski. So würden Forschungsergebnisse, die an der Uni auf kleiner Skala entstehen, im Unternehmen im Großen getestet. „Insbesondere wollen wir die Produktausbeuten verbessern, denn der Markt für diese Produkte explodiert zur Zeit“, sagt Reski.
Was wird nun in einem Moosbioreaktor produziert? Im Wesentlichen sind es komplexe Proteine, aus denen eiweißbasierte Medikamente für Menschen hergestellt werden können. Andere Produkte sind menschliche Wachstumsfaktoren, die Forscher für Gewebekulturen benötigen. „Moos hat viele Vorteile gegenüber konventionellen Produktionssystemen, die auf tierischen Zellen basieren“, erklärt Reski. „Die Mooskulturen beinhalten weder aus Tieren gewonnene Komponenten, noch Krankheitserreger, die Menschen schaden könnten. Außerdem haben Moose eine ausgezeichnete Reinheit und wachsen ohne Antibiotika, die eventuell eine Resistenz hervorrufen.“
Menschliche Genkonstrukte wurden in das Moosgenom geschleust
In jahrelanger Arbeit ist es den Forschern gelungen, menschliche Genkonstrukte in das Moosgenom zu transferieren und die dadurch hergestellten Eiweiße mit den erforderlichen Zuckerstrukturen auszustatten. Diese sogenannte Glykosylierung ist für die Produktion von Medikamenten wichtig, denn der Zuckercode von Eiweißen spielt für therapeutische Ansätze, etwa in der Krebstherapie, oft eine wichtige Rolle.
Vor einigen Jahren konnten Professor Reski und sein Team ein menschliches Protein, den „Faktor H“ produzieren. Bei vielen Menschen nimmt die Menge dieses Proteins mit zunehmendem Alter ab, was zu Sehbehinderungen und Blindheit führt. „Solche Proteine werden in Zukunft extrem wichtig für eine sogenannte personalisierte Medizin“, sagt Reski. „Damit könnten zum Beispiel Krebspatienten mit maßgeschneiderten Proteinen therapiert werden.“
Greenovation wird nun im Frühjahr 2014 mit der Produktion eine Biopharmazeutikums für klinische Versuche beginnen. Die Moosstämme sollen dabei über einen längeren Zeitraum zuverlässig und in großen Mengen menschliche Proteine in das Nährmedium abgeben.
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