Aufbereitung in Raffinerie 10.01.2018, 13:55 Uhr

Bakterien erzeugen Kraftstoff aus Sauermolke

Tübinger Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem aus bisher weitgehend nutzloser Sauermolke Kraftstoff für Flugzeuge gewonnen werden kann. Und das ganz ohne chemische Zusätze.

Das aus Sauermolke entstandene Bio-Öl kann als Tierfutter oder Flugzeug-Kraftstoff genutzt werden.

Das aus Sauermolke entstandene Bio-Öl kann als Tierfutter oder Flugzeug-Kraftstoff genutzt werden.

Foto: Lars Angenent/Universität Tübingen

Von jedem Liter Milch, der in die Produktion von Quark, fettreichem Joghurt oder Frischkäse geht, fällt doppelt so viel Sauermolke an. Zwar eignet sich dieses Abfallprodukt gut als Dünger, weil aber der Bedarf an Sauermolke in der Landwirtschaft begrenzt ist, wird sie oft einfach entsorgt. Und das in durchaus beträchtlichen Mengen. Genaue Zahlen darüber gibt es nicht, aber die Dimensionen kann man sich schon anhand eines Beispiels ausmalen: Allein an Frischkäse werden im Jahr in Deutschland rund 600.000 Tonnen verbraucht, und für die Herstellung von einem Kilo Frischkäse sind vier Liter Milch notwendig. Macht etwa 24 Millionen Hektoliter, nur für den Frischkäse.

Als Tierfutter taugt die Molke aufgrund ihres hohen Säuregehaltes nur begrenzt. Wie kann man die Unmengen aber sinnvoll nutzen? Der Umweltbiotechnologe Prof. Lars Angenent vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen hat gemeinsam mit internationalen Kollegen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Sauermolke weiterverwenden lässt, ohne dass zusätzliche Chemikalien eingesetzt werden müssen. Die Forscher setzten dafür bloß Kulturen verschiedener Mikroorganismen ein, ähnlich denen im menschlichen Darm, dem so genannten Mikrobiom. Und das Produkt daraus, ein Bio-Öl kann nach Angenents Angaben problemlos als Tierfutter oder nach Weiterbearbeitung in einer Raffinerie auch als Kraftstoff für Flugzeuge verwendet werden.

Molke wird zweimal erhitzt

Das Verfahren läuft nacheinander in zwei Tanks ab. Im ersten wird die Sauermolke auf 50 °C erhitzt. Bei dieser Temperatur wandelt das Reaktor-Mikrobiom – eine offene Kultur, in der sich auch Bakterien von außerhalb ansiedeln können – Zucker in genau die Säure um, die auch entsteht, wenn man Milch zuhause zu lange lagert. Diese Säure ist hier aber nur ein Zwischenprodukt, denn im zweiten Tank setzte das Mikrobiom bei 30 °C die enthaltenen Stoffe in Produkte mit sechs bis neun Kohlenstoffen in einer Reihe um.

Genau diese langen Kohlenstoffketten waren das Ziel, denn dadurch entwickelt das Produkt ölige Eigenschaften und kann leichter vom Wasser getrennt werden, in dem es hergestellt wurde. Angenent: „Wir stellen somit Bio-Öl aus bakterieller Produktion her.“ Bislang habe man für ein solches Ergebnis immer teure Chemikalien zusetzen müssen. Danach muss das Öl gereinigt und in einer Raffinerie weiterverarbeitet werden.

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Tierfutter kann sogar Krankheiten vorbeugen

Die Tübinger Forschungsgruppe hat schließlich auch untersucht, welche Bakterien sich in den offenen Kulturen angesiedelt hatten. Am Ende stellte sich heraus, dass das Produkt sich nicht nur als Tierfutter eignet, sondern sogar Tierkrankheiten vorbeugen kann, weil es antimikrobielle Eigenschaften zeigt. Wenn sich damit der Einsatz von Medikamenten reduzieren ließe, hätte die Entwicklung also noch einen positiven Nebeneffekt.

Für die Tübinger Wissenschaftler ist ihr Verfahren ein Schritt hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Neben der Energie aus erneuerbaren Quellen sei die umweltfreundliche Gewinnung von Kohlenstoff für Chemikalien ebenso wichtig, meint Angenent. Und dazu müsse nun untersucht werden, wie auch andere kohlenstoffhaltige Abfälle in nützliche Chemikalien verwandelt werden könnten.

Ähnliche Verfahren zur Nutzung von Klärschlamm

Entsprechende Forschungsansätze gibt es durchaus schon. So wird in dem bis 2022 laufenden Großprojekt „ZeroCarbFP“ (Zero Carbon Footprint) seit 2013 unter anderem untersucht, wie sich aus Klärschlamm zum einen Energie, zum anderen hochwertige Additive für Schmierstoffe herstellen lassen. Auch Kühlmittel oder Chemikalien für die Kunststoffindustrie sind hier denkbare Produkte. Ähnlich wie das Tübinger Projekt setzt die Forschungsallianz ZeroCarbFP vor allem auf Mikroorganismen, die Abfallströme in wertvolle Rohstoffe verwandeln sollen.

Und Forscher vom Kyoto Institute of Technology haben Mikroorganismen entdeckt, die Kunststoff als Leibspeise betrachten. Sie zerstören die Struktur, wandeln die Bruchstücke in verdauliche Produkte um und ernähren sich davon. Gleichzeitig entstehen neue Rohstoffe für die Kunststoffherstellung.

Ein Beitrag von:

  • Werner Grosch

    Werner Grosch ist Journalist und schreibt vor allem über Technik. Seine Fachgebiete sind unter anderem Elektromobilität, Energie, Robotik und Raumfahrt.

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