Fressen Bakterien aus der Tiefsee bald unseren Plastikmüll?
Gefräßige Bakterien aus der Tiefsee: Ein Forschungsteam hat erstmals gezeigt, wie spezielle plastikfressende Bakterien dabei helfen könnten, das globale Müllproblem einzudämmen.
Bakterien der Gattung Halopseudomonas können häufig vorkommende Kunststoffbeschichtungen aus Polyesterurethan zersetzen. Das haben Forschende des Forschungszentrums Jülich und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nun erstmals gezeigt. Gelingt der Weg in die Praxis, heißt biotechnologische Anwendung, könnten die plastikfressenden Bakterien dabei helfen, unser Müllproblem einzudämmen.
Vielversprechende Bakterien-Gattung entdeckt
Plastik ist aus unserem Alltag kaum wegzudenken, doch wird es zum Problem, wenn es in der Natur zurückbleibt. Anders als natürliche Materialien verrottet Plastik nicht und sammelt sich daher in unserer Umwelt an. Eine vielversprechende Lösung für dieses globale Verschmutzungsproblem könnten widerstandsfähige Mikroorganismen bieten, die in der Lage sind, Plastik abzubauen und zu verwerten.
In diesem Zusammenhang wurde erst kürzlich eine vielsprechende Bakterien-Gattung mit dem Namen Halopseudomonas entdeckt. Forschende des Forschungszentrums Jülich und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben diese neuen Bakterien nun etwas genauer unter die Lupe genommen. Ihre Forschungsergebnisse wurden in zwei parallel veröffentlichten Artikeln in der renommierten Fachzeitschrift „Microbial Biotechnology“ vorgestellt.
Bakterien leben in Tiefsee und Komposthaufen
Die Bakterien der Gattung Halopseudomonas leben hauptsächlich in Umgebungen wie der Tiefsee und dort an Orten mit Erdöl- oder Schwermetallverschmutzung. Sie sind aber bereits auch in alltäglicheren Umgebungen wie Komposthaufen nachgewiesen worden.
Forschende aus Jülich und Düsseldorf haben nun herausgefunden, dass diese Bakterien eine spezielle Vorliebe für Polyesterurethan besitzen. Dieser Kunststoff wird vielseitig eingesetzt, beispielsweise als Beschichtung für Textilien, Seile und Fischernetze. Durch die Beschichtung wird zwar deren Lebensdauer zwar erhöht, gleichzeitig erschwert sich jedoch deren Abbau und Recycling.
Stoffwechselwege aufgeklärt
Das Bakterium Halopseudomonas formosensis FZJ, das aus einem Komposthaufen isoliert wurde, zeigt vielversprechende Eigenschaften zur Lösung des Problems der Polyesterurethan-Beschichtungen. Das Bakterium zeichnet sich insbesondere durch seine Fähigkeit aus, Polyesterurethan schnell und effizient biologisch abzubauen.
Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass es bemerkenswert tolerant gegenüber hohen Temperaturen ist, wie sie häufig in Komposthaufen vorkommen. Im Kompost herrschen durchaus Temperaturen von 55 bis 60 Grad Celsius, in der Heißrotte sind sogar Temperaturen bis 70 Grad Celsius möglich.
Dem Forschungsteam um Prof. Nick Wierckx aus dem Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-1) des Forschungszentrums Jülich gelang es nun aufzuklären, wie die Stoffwechselwege funktionieren, wenn die Bakterien den Kunststoff fressen. Zudem beschreibt das Team in der Publikation von Jan de Witt et al. ein Polyester-hydrolysierenden Enzym, das am Abbau des Plastiks beteiligt ist.
Welche biotechnologischen Anwendungen sind denkbar?
In ihrer Publikation beschäftigte sich das Forschungsteam auch mit der praktischen Umsetzung seiner Arbeit. Federführend war hier das Institut für Molekulare Enzymtechnologie der HHU Düsseldorf um Prof. Karl-Erich Jaeger. So stellt das Team verschiedene Methoden vor, die biotechnologische Anwendungen von Halopseudomonas Bakterien ermöglichen.
So wurden zum Beispiel geeignete Kultivierungsstrategien entwickelt, die eine effiziente Vermehrung dieser Bakterien unterstützen. Zusätzlich wurden fortschrittliche molekularbiologische Techniken zur genetischen Modifikation dieser Bakterien entwickelt, was ihre Anwendbarkeit in verschiedenen Bereichen erweitert. Nicht zuletzt zeigt das Forschungsteam, dass die Bakterien Dicarbonsäuren, welche wichtige Bestandteile vieler Kunststoffe darstellen, effektiv verwerten können.
Die Professoren Nick Wierckx und Karl-Erich Jaeger sind sich einig: „Diese Arbeiten geben detaillierte Einblicke in den mikrobiellen Abbau von Kunststoffen und unterstreichen die Bedeutung des neu isolierten Bakteriums für zukünftige Prozesse, die den biologischen Abbau von Kunststoffen und das Bio-Upcycling ermöglichen“.
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