Biotreibstoffe 16.04.2019, 11:57 Uhr

Grüne Revolution: Algen machen E10 umweltfreundlicher

Der umstrittene Treibstoff E10, Benzin mit zehnprozentiger Alkoholbeimischung, wird aus Nahrungsmitteln hergestellt. Doch es geht auch anders. Die Herstellung könnte mit Algen oder maßgeschneiderten Enzymen funktionieren, die lediglich Bioabfälle brauchen.

Hier werden Algen gezüchtet, um daraus Biotreibstoff herzustellen.

Hier werden Algen gezüchtet, um daraus Biotreibstoff herzustellen.

Foto: Kon Pederson Fox Associates

Der Treibstoff E10 ist in Deutschland höchst umstritten, weil er letztlich aus Getreide oder Kartoffeln hergestellt wird, also aus Nahrungsmitteln. Die Stärke, die die Früchte enthalten, wird mithilfe von Enzymen, das sind biologische Katalysatoren, in Zucker umgewandelt. Der wird mit Hefe vergoren. Endprodukt ist Alkohol, auch Ethanol oder neudeutsch Bioethanol genannt.

E10: Nahrungs- und Futtermittel sollten tabu sein

Forscher an der Leipziger Universität haben jetzt eine Technik entwickelt, mit der sich Alkohol ohne den Einsatz von Stärke und damit von Nahrungs- und Futterpflanzen herstellen lässt. Sie haben den Zellen der Algenart Chlamydomonas beigebracht, ausschließlich Glykolsäure zu bilden, keine Biomasse. Diese Säure kann direkt genutzt werden, um chemische Grundbausteine beispielsweise für die Kunststoffproduktion zu verwenden. Man könne sie auch als Zuckerersatz in Gärprozessen einsetzen, sagt Christian Wilhelm, Professor für Biologie an der Universität Leipzig, der das Verfahren mit seinem Team entwickelt hat.

Die Mikroorganismen, die diese Umwandlung schaffen, kommen mit der Glykolsäure allerdings zunächst nicht zurecht. Sie müssen modifiziert werden. „Das ist biotechnisch möglich“, sagt Wilhelm.

Algenzucht könnte Braunkohle ablösen

Bei der Algenzucht in Bioreaktoren aus Glas entstehen so hohe Konzentrationen an Glykolsäure, dass die Flüssigkeit direkt als Nährstoff für die Alkohol produzierenden Mikroorganismen eingesetzt werden können. Weil sich keine Biomasse bildet, ist Dünger überflüssig. Es genügen Nährsalze und das Licht der Sonne. „Das spart Energie und schont die Umwelt“, so Wilhelm. „Ohne Biomassebildung gewinnt man pro Fläche zudem deutlich mehr organischen Kohlenstoff (also Glykolsäure), da die Zellen keine Energie für die Umwandlung von Zucker in energiereiche Moleküle wie Proteine und Fette aufwenden müssen. Damit steigt die Effizienz.“ Er schlägt vor, beispielsweise auf Rekultivierungsflächen in Braunkohle-Tagebauen große Algenzuchtparks zu bauen.

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Was stattdessen mit vielen Braunkohle-Tagebauen passiert, sehen Sie hier:

Clariant baut Sunliquide-Großanlage in Rumänien

Clariant, Hersteller von Spezialchemikalien in der Schweiz, gehört zu den wenigen Unternehmen der Welt, die bereits Alkohol aus Bioabfällen herstellen. Sunliquide, also „flüssige Sonne“, nennen die Schweizer das Verfahren, das die Münchner Süd-Chemie – mittlerweile eine Clariant-Tochter – entwickelt hat. Die Biomasse, Stroh beispielsweise, wird chemisch behandelt, damit die speziell entwickelten Enzyme leichteres Spiel haben. Sie setzen Zellulose und Hemizellulose in die Zuckerarten Glucose sowie Xylose und Arabinose um. Sie sind Ausgangsstoffe für den Gärprozess mit ebenfalls neu entwickelten Hefen. Diese können, anders als ihre natürlichen Verwandten, die ausschließlich Glucose umsetzen können, auch die anderen Zuckerarten verwerten. Dadurch wird der Prozess wirtschaftlich, denn Stroh und andere nicht essbare Pflanzenabfälle enthalten vor allem Xylose und Arabinose.

Clariant betreibt in Straubing bei München seit 2012 eine Demonstrationsanlage, in der jährlich 4.500 Tonnen Stroh in 1.000 Tonnen Ethanol umgewandelt werden.

Stroh könnte 20 % des Benzins ersetzen

Die italienische Mossi-Ghisolfi-Gruppe hat in Crescentino eine Anlage gebaut, die bereits 200.000 Tonnen Stroh pro Jahr verarbeitet. Die Pläne des Unternehmens, weitere Großanlagen in Brasilien und den USA zu bauen, ließen sich jedoch nicht realisieren. Die Gruppe geriet in finanzielle Nöte, sodass sie ihre Biosparte im vergangenen Jahr an Versalis verkaufen musste, ein Unternehmen, das zum italienischen Mineralölkonzern Eni gehört.

Bioethanol könnte einen großen Beitrag zur Senkung der Kohlendioxid- Emissionen leisten. Allein in der Europäischen Union fallen jährlich 300 Millionen Tonnen Getreidestroh an, die nicht genutzt werden. Daraus ließe sich nach Berechnungen von Clariant so viel Bioethanol gewinnen, dass der Benzinverbrauch in der EU um 20 % reduziert werden könnte.

Welche weiteren alternativen Energiequellen es gibt, haben wir hier für Sie zusammengestellt.

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Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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