Von Rot bis Blau: Die 8+3 Farben der Biotechnologie
Biotechnologie findet sich in den unterschiedlichsten Bereichen unseres täglichen Lebens: Ohne sie ist kein Bier möglich, sie sorgt für Impfstoffe gegen Corona, kann aber auch für die Herstellung tödlicher Waffen verwendet werden.
Bier, Käse, Wein, Impfstoffe, Leder, Kraftstoffe – Biotechnologie hat bereits jede Menge Dinge in den verschiedensten Bereichen hervorgebracht. Die verschiedenen Zweige lassen sich nach Farben klassifizieren, so ähnlich, wie es auch bei Wasserstoff gemacht wird. Während es dort um verschiedene Herstellungsbereiche geht, bezeichnen die Farben der Biotechnologie unterschiedliche Forschungsbereiche. Weil es jedoch Überschneidungen gibt, ist die Unterteilung nicht immer eindeutig. Einige Quellen kennen lediglich sechs Farben, andere acht, wir haben elf unterschiedliche Farbtöne identifiziert, die wir Ihnen hier kurz vorstellen möchten.
Was ist Biotechnologie?
Der Begriff „Biotechnologie“ hört sich stets etwas nach Science-Fiction und Zukunftstechnik an. Dabei geht es „lediglich“ um Technologien, die „biologische Systeme, lebende Organismen oder Produkte daraus verwenden, um Erzeugnisse oder Verfahren für eine bestimmte Nutzung herzustellen“. Soweit die offizielle Definition.
Kommen wir gleich zu konkreten Beispielen: Das Brauen von Bier, das Keltern von Wein, das Herstellen von Käse – das sind alles Biotechnologien. Und zwar keine, die sich spacig anhören, sondern welche, die es teilweise bereits seit einigen tausend Jahren gibt. Die Biotechnologie hat aber aktuell auch Impfstoffe gegen COVID-19 hervorgebracht und mit dafür gesorgt, dass die Pandemie einigermaßen glimpflich abgelaufen ist.
Die Herstellung von Bier, Wein oder Brot mit Hilfe der zu den Pilzen gehörenden Hefe gehört zu den ältesten Biotechnologien. Abseits der Ernährung gehört das Herstellen von Leder zu den am längsten bekannten biotechnologischen Errungenschaften. Hier wurden Häute durch Bearbeiten mit Kot oder anderen enzymhaltigen Materialien haltbar gemacht.
Die moderne Biotechnologie basiert wesentlich auf der Mikrobiologie, Pioniere auf diesem Gebiet waren zum Beispiel Louis Pasteur oder Robert Koch in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts. In den 1970er-Jahren wurde schließlich die DNA entschlüsselt, wenige Jahre später fing es mit der Gentechnik an. Die Manipulation von Genen ist auch etwas, was wir ganz häufig mit Biotechnologie verbinden und was dazu führt, dass viele Menschen skeptisch darauf schauen. Aber es ist nur ein Teil davon.
Die verschiedenen Zweige der Biotechnologie
Ob in der Landwirtschaft, in der Industrie oder in Lebewesen – Bio steckt in vielen Bereichen unseres Lebens. Biotechnologie kennt daher viele Farben. Von Grün über Weiß bis Rot zeigt sie fast die ganze Palette der Regenbogenfarben:
#1: Grüne Biotechnologie
Die grüne Biotechnologie sticht sicherlich besonders hervor, sie widmet sich den Pflanzen mit besonderem Blick auf Landwirtschaft und Pflanzenzucht. Es geht dabei jedoch nicht nur um gentechnisch veränderte Pflanzen, sondern zum Beispiel auch um Antioxidantien oder Anbautechnik im Gartenbau. Die Herstellung von Bier oder Wein durch Gärung zählt ebenfalls zur grünen Biotechnologie, ebenso wie Bioreaktoren oder insektizide Wirkstoffe. Sie bedient sich beispielsweise moderner Methoden der Biochemie, Mikrobiologie, Molekularbiologie oder Verfahrenstechnik, um Nutzpflanzen zu verbessern, pflanzliche Inhaltsstoffe zu gewinnen oder um pflanzliche Enzyme für neue Anwendungsbereiche zu erschließen.
#2: Rote Biotechnologie
Hierbei handelt es sich um die medizinische Biotechnologie. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer therapeutischer und Verfahren. Zum Forschungsgebiet zählen zudem die Herstellung von Therapeutika, sogenannter Biologicals oder Biosimilars sowie Impfstoffe. Zum Fachgebiet zählt zudem die regenerative Medizin, einschließlich Zell- und Gewebetechnik oder die Gentherapie. Produkte und Dienstleistungen rund um die rote Biotechnologie haben ein riesiges Marktvolumen und wachsen rasant im Bereich der Medizin und der pharmazeutischen Industrie.
#3: Weiße Biotechnologie
Die weiße Biotechnologie wird auch als industrielle Biotechnologie bezeichnet. Nach einer Definition der europäischen Industrievereinigung EuropaBio handelt es sich dabei um die Verwendung der Werkzeuge der Natur in der industriellen Produktion. Grundlage bildet die Verwendung von Organismen oder deren Bestandteile. Bekannte Beispiele das Haber-Bosch Verfahren, um Ammoniak herzustellen, das Biopulping oder die Verwendung von Enzymen wie Xylanase, um die Bildung von toxischen Derivaten während der Herstellung von Papier zu vermeiden. Aber auch die industrielle Vergärung zuckerhaltiger Nahrungsmittel zu Alkohol mit Hilfe von Hefe gehört dazu. Hier vermischen sich die Bereiche, denn Bier- oder Weinherstellung sind auch eine grüne Biotechnologie.
#4: Graue Biotechnologie
Die graue Biotechnologie bezeichnet sich auch als Umwelt-Biotechnologie, sie umfasst zum Beispiel Verfahren zum Aufbereiten von Trinkwasser, Abwasserreinigung, Sanierung kontaminierter Böden. Auch biotechnologische Verfahren zum Müllrecycling oder zur Abluft- beziehungsweise Abgasreinigung gehören dazu. Bereits als es das Wort „Biotechnologie“ noch gar nicht gab, funktionierte in einer Kläranlage ohne Bakterien nichts. Bakterien und andere Mikroorganismen spielen in der grauen Biotechnologie nach wie vor die wichtigste Rolle. Gegebenenfalls werden diese noch gentechnisch angepasst, damit sie ihre Aufgaben besser oder überhaupt erledigen können. Konkret werden über chemische und enzymatische Methoden Mutanten der Mikroorganismen erzeugt, die Unterschiede in der Aminosäureabfolge zeigen.
#5: Braune Biotechnologie
Bei der braunen Biotechnologie geht es um Wüsten und wüstenähnliche Böden. Sie hat Gemeinsamkeiten mit der grauen Biotechnologie. Zusätzlich ermöglicht sie den Anbau von Nutzpflanzen in niederschlagsarmen Gebieten. Das geschieht zum Beispiel mit Hilfe von genetisch modifizierten Organismen im Boden in Kombination mit verbessertem Saatgut aus grüner Biotechnologie.
#6: Schwarze Biotechnologie
Hierbei handelt es sich um das „schwarze Schaf“ der Biotechnologie. Hier geht es zum Beispiel um den Krieg mit biologischen Waffen und ihre Herstellung. Dabei werden krankheitserregende, bösartige und resistente Mikroorganismen untersucht, die sich in Waffen verwandeln lassen. Beispielsweise können die Bakterien Bacillus anthracis oder Coxiella burnetii tödliche Krankheiten im Lungenbereich hervorrufen. Andere verursachen Milzbrand (Anthrax), deren Züchtung hat Robert Koch erforscht, allerdings aus friedlicheren Gründen. Die Forschungsergebnisse wurden jedoch dazu verwendet, größere Mengen an Biowaffen herzustellen.
#7: Blaue Biotechnologie
Die blaue Biotechnologie wird auch als aquatische Biotechnologie bezeichnet. Die Farbe ist noch recht neu in der Farbskala, doch einzelne Verfahren wie die Fischzucht der mittelalterlichen Klöster oder die Algenernte in Japan sind bereits lange etabliert. Generell umfasst sie alle biotechnologischen Anwendungen, die sich Organismen aus Meeren oder Seen zunutze machen oder auf diese abzielen. Anders als die Farbkennung der drei ersten großen Biotechnologie-Bereiche – rot, grün, weiß – leitet die blaue Biotechnologie ihre Farbe nicht vom Anwendungsbereich, sondern von der Herkunft der verwendeten Organismen und Ressourcen ab, dem Wasser. Blaue Biotechnologie ist zum Beispiel als Zusatzstoff oder Farbstoff in Lebensmitteln zu finden, in Kosmetik oder in Nutrazeutika zur Behandlung von Arthritis oder der Verbesserung des Gedächtnisses.
#8: Gelbe Biotechnologie
Die gelbe Biotechnologie ist ein noch recht junges Betätigungsfeld, die Insekten stehen hierbei im Mittelpunkt. Mit mehr als einer Million verschiedener Arten ist diese Tierklasse voll mit neuen Wirkstoffen, und nur die wenigsten davon sind überhaupt erst erforscht. Mögliche Anwendungsbereiche finden sich in der Medizin, im nachhaltigen Pflanzenschutz oder in der industriellen Biotechnologie. Wissenschaftler des LOEWE-Zentrums für Insektenbiotechnologie und Bioressourcen arbeiten zum Beispiel an neuen Antibiotika, die aus dem Asiatischen Marienkäfer gewonnen werden könnten. Manche Insekten sind auch wahre Konservierungskünstler, so lagern Bienen ihren Honig zum Beispiel über Monate in ihren Stöcken. Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten, bei der Insekten-Biotechnologie dabei helfen kann, neue Produkte und Wirkstoffe zu entwickeln.
Diese Bereiche unterstützen die Biotechnologie
Wir haben 11 Farben der Biotechnologie versprochen, aber bisher erst acht vorgestellt. Bislang ging es direkt um Technologien, die darauf abzielen biologische Systeme und lebende Organismen dafür zu nutzen, Erzeugnisse oder Verfahren für eine bestimmte Nutzung herzustellen. Die restlichen drei Farben unterstützen die Biotechnologie zum Beispiel in rechtlichen Fragen, in technischer Hinsicht oder bei der Verbreitung des Wissens und von Informationen.
#9: Violette Biotechnologie
Bei der violetten Biotechnologie geht es um die rechtliche Bewertung all der Dinge, die mit Biotechnologie erschaffen werden können. Es lassen sich damit Schafe klonen, Biowaffen herstellen, Gene manipulieren und vieles mehr. Es kommt immer wieder zu Forschungsergebnissen, die ethisch und moralisch zu betrachten sind. Über die Problematik der Bioethik hinaus kümmert sich die die violette Biotechnologie aber auch um Fragen der Biosicherheit, Schutz von Patientendaten oder Patente.
#10: Goldene Biotechnologie
Hier geht es eher um die technischen Voraussetzungen, um Biotechnologie zu betreiben. Zur goldenen Biotechnologie gehört alles aus dem Bereich Bioinformatik, was an Software und Hardware benötigt wird. Die Geräte und Chiptechnologien helfen dann bei der Primer-Suche, der Peptid-Sequenzierungen, dem Entschlüsseln von DNA und zahlreichen anderen Anwendungsbereichen.
#11: Orangene Biotechnologie
Bei der orangenen Biotechnologie geht es unter anderem um die Verbreitung des Wissens mit Hilfe von technischen Medien. Dazu gehört zum Beispiel auch die Lehre von umfangreichen Kenntnissen und interdisziplinäre Ausrichtungen der Biotechnologie an den Universitäten und unabhängig von deren Farbe.
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