Wie sich CO2 mit Ameisensäure nachhaltig nutzen lässt
Damit sich der Klimawandel aufhalten lässt, muss der Mensch den CO2-Gehalt in der Atmosphäre senken. Forschende gehen dabei unterschiedliche Wege. Einer davon dreht sich um die Fixierung von CO2. Hier ist nun erstmals ein Durchbruch gelungen: Ameisensäure kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten.
„Ameisensäure ist eine Kohlenstoffquelle mit Zukunft“, sagt Maren Nattermann, Erstautorin der Studie zu einem neuen Weg der CO2-Fixierung dank eines künstlichen Stoffwechselweges. Nattermann gehört zum Team von Tobias Erb, Professor für Biologie und Leiter des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie. Er forscht mit seinem Team daran, wie sich die Natur mit ihrem gesamten Baukasten dafür nutzen lässt, neue Wege der CO2-Fixierung zu entwickeln. Fixierung bedeutet in diesem Fall: Das Kohlendioxid wird aus der Luft entfernt und dauerhaft gebunden, damit es keine schädlichen Auswirkungen mehr hat.
Innovatives Verfahren könnte CO2-Problem lösen
In der Natur können Pflanzen und Algen, aber auch zahlreiche Bakterien Kohlendioxid binden. Expertinnen und Experten schätzen, dass rund 90 Prozent des Kohlendioxids im globalen Kreislauf auf diesem Wege gebunden werden. Den Pflanzen gelingt dies mittels Calvin-Zyklus. Das bedeutet: Die Pflanze nimmt CO2 über Poren in den Blättern auf. Von dort aus gelangt es in die Chloroplasten, den Zellorganellen, und kann dann durch die vom Licht unabhängige Reaktion, dem sogenannten Calvin-Zyklus, gebunden werden.
Forschende nutzen Ameisensäure, um CO2 zu binden
Den Forschenden ist es nun erstmals gelungen, einen künstlichen Stoffwechselweg zu entwickeln. Dabei entsteht im ersten Schritt, quasi als Zwischenprodukt einer künstlichen Photosynthese, Ameisensäure, und im zweiten hochreaktives Formaldehyd. Allerdings war diese Umwandlung bislang relativ energieintensiv. Der Grund: Das Salz in der Ameisensäure, das sogenannte Formiat, kann nicht ohne weiteres in Formaldehyd umgewandelt werden. Eine chemische Barriere verhindert dies, weshalb die Forschenden diese überbrücken mussten. Zugleich wollten sie einen Weg finden, bei dem weniger Energie notwendig ist. Aus der Natur ist ein solcher bislang nicht bekannt.
Dabei ging es im Rahmen des Forschungsprojekts nicht nur darum, die passenden Enzyme zu finden, die mehrere Funktionen abdecken, sondern auch darum, die Reaktionszeit dieser sehr langsamen Enzyme zu beschleunigen. Die Forschenden nutzten dafür die synthetische Biochemie. „Wenn man Enzymstruktur und -Mechanismus kennt, weiß man, wo einzugreifen ist, um es anzupassen. An diesem Punkt profitieren wir maßgeblich von Vorarbeiten aus der Grundlagenforschung“, sagt Nattermann.
Hochdurchsatz-Technologie half die Forschung zu beschleunigen
Der Erfolg stellte sich ein, weil die Forschenden mehrere Ansätze miteinander kombinierten. Sie tauschten Bausteine bewusst aus, auch gezielte Mutagenese genannt. Darüber hinaus erzeugten sie auch zufällige Mutationen, welche sie auf ihre Tauglichkeit aussortierten. Bei diesen Schritten halfen den Forschenden die beiden Stoffe Formiat und Formaldehyd. Denn sie durchdringen Zellwände extrem gut, eine Eigenschaft, die hier besonders gefragt war. „Wir können Formiat in das Nährmedium von Zellen geben, die unsere Enzyme bilden, und nach ein paar Stunden den produzierten Formaldehyd in einen ungiftigen gelben Farbstoff umwandeln“, erläutert die Forscherin.
Damit dieses Ergebnis in der Form überhaupt möglich war, musste das Team ein sogenanntes Hochdurchsatzverfahren anwenden. Dieses Verfahren wird vor allem in der Pharmaforschung eingesetzt. Es ist eine automatisierte Methode, mit der sich verschiedenste Substanzen, zum Beispiel DNA, Proteine oder auch Metabolite in kurzer Zeit umfangreich untersuchen lassen. Das Forscherteam konnte diese Untersuchungen bei dem Industriepartner Festo SE & Co. KG durchführen. „Nach etwa 4.000 Varianten erzielten wir eine vierfache Verbesserung der Produktion. Damit haben wir die Grundlage geschaffen, den Modellorganismus E.coli, das mikrobielle Arbeitspferd der Biotechnologie, auf Ameisensäure wachsen zu lassen. Allerdings können unsere Zellen Formaldehyd vorerst nur produzieren, nicht weiter umsetzen“, fasst Maren Nattermann den Erfolg zusammen.
Nachhaltige Nutzung von CO2 – weitere Schritte in Planung
Mit diesem Erfolg ist für die Gruppe um Tobias Erb noch nicht das Ende ihrer Forschungen erreicht. Sie arbeiten aktuell mit Sebastian Wenk am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie zusammen. Gemeinsam wollen sie einen besonderen Stamm entwickeln. Dieser soll in der Lage sein, Zwischenprodukte aufzunehmen und in den zentralen Metabolismus einzuschleusen. Am MPI für Chemische Energiekonversion unter der Leitung von Walter Leitner arbeitet ein weiteres Team an der elektrochemischen Umwandlung von CO2 zu Ameisensäure. Dahinter steckt das langfristige Ziel, eine sogenannte All-in-one Plattform zu schaffen- von CO2 über ein elektrobiochemisches Verfahren bis hin zu Produkten wie Insulin und Biodiesel.
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