Genomstudie gibt Aufschluss: Die Ursprünge des Weinbaus liegen bei 11.000 vor Christus
Forschende haben die Genome von über 3.500 Rebsorten analysiert und herausgefunden, wo sich die Ursprünge des Weinbaus befinden und wie sich der Wein ausgebreitet hat.
Wein zählt sicherlich zu den ältesten Anwendungen der Biotechnologie, die Herstellung ist bereits seit tausenden von Jahren bekannt. Einigermaßen umstritten ist jedoch, woher der Wein stammt und wie er sich auf dem Erdball verbreitet hat. Forschende der chinesischen Agricultural University haben genau dies untersucht, indem sie einige Tausend Rebengenome entlang der Seidenstraße bis Westeuropa gesammelt und analysiert haben. Die Wildrebensammlung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) spielte hierbei eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nun in Science veröffentlicht.
Biotechnologisches Verfahren der Weinherstellung
Die Gärung zählt zu den ältesten biotechnologischen Erkenntnissen der Menschheit. Wie man Sauerkraut aus Weißkohl oder Joghurt aus Milch mit Hilfe von Milchsäurebakterien herstellt, ist bereits lange bekannt. Ähnlich sieht es bei Bier und Wein aus. Während beim Bierbrauen die Stärke in Gerste oder Weizen erst in Zucker umgewandelt muss, können Trauben aufgrund ihres Zuckergehalts sofort vergoren werden. Die hierfür erforderlichen Enzyme liefern Hefepilze.
Die Weinrebe ist ursprünglich ein Wildgewächs, mit dem Wissen der Weinherstellung wurde sie jedoch kultiviert und es entstanden die unterschiedlichsten Rebsorten. Ein Grund lag darin, dass Wildfrüchte einen geringen Zuckergehalt haben und sich daher weniger für die Weinherstellung eignen. Interessant ist sicherlich auch die Tatsache, dass Wein in den Anfängen kein Genuss-, sondern ein Nahrungsmittel war – quasi ein Ersatz für Wasser. Wasser war häufig verunreinigt, während Wein durch seinen Alkoholgehalt keimfrei getrunken werden konnte.
Weinreben haben die europäische Zivilisation stark geprägt
Wein war eines der ersten globalen Handelsgüter und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung von Kulturen, Ideen und Religionen. Die Weinrebe entstand am Ende der Eiszeit aus der Europäischen Wildrebe, die nur noch an wenigen Standorten beheimatet ist. Eine Reliktpopulation gibt es zum Beispiel noch auf der Halbinsel Ketsch direkt am Rhein und zwischen Mannheim und Karlsruhe gelegen.
Wann und wo die Wildreben domestiziert wurden, ob Weintrauben und Tafeltrauben denselben Ursprung haben oder wie die Tausenden von Rebsorten entstanden sind, ließ sich bislang jedoch noch nicht nachvollziehen. Es war jedoch klar, dass sie drastische Klimaänderungen durchlaufen musste und durch frühe Bevölkerungswanderungen zahlreiche Gene aus Asien eingesammelt hat.
„In der Tat weiß man seit einigen Jahren, dass die heutige Seidenstraße früher eine Weinstraße war. Sogar das chinesische Zeichen für Alkohol leitet sich von georgischen Weinkrügen, sogenannten Qevri, ab“, erläutert Professor Peter Nick vom Joseph Gottlieb Kölreuter Institut für Pflanzenwissenschaften (JKIP) des KIT.
Probensammlung entlang der Seidenstraße
Die Seidenstraße hatte maßgeblich Anteil an der Verbreitung des Weines. Da lag es nahe, die Rebsorten von Asien bis Westeuropa einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und deren Genome zu analysieren. Das übernahm die chinesische Yunnan Agricultural University. Unterstützt wurde sie von einem Netzwerk von Forschenden aus 16 Ländern. Dieses steuerte nicht nur zahlreiche Wildreben und alte Kultursorten bei, sondern lieferte das Wissen um deren Herkunft und Geschichte gleich mit. Das KIT konnte mit seiner Wildrebensammlung ebenfalls einen großen Beitrag zu dieser Forschungsarbeit leisten.
Insgesamt kam, teils unter schwierigsten politischen Bedingungen, die DNS von über 3.500 Reben zusammen, darunter von mehr als 1.000 Wildformen. In China wurden die Genome unter Führung von Dr. Wei Chen entziffert und zum bislang detailliertesten Modell der Evolution und Domestizierung der Weinrebe zusammengefügt. Dank dieser umfassenden Analyse wurden zahlreiche neue Erkenntnisse darüber gesammelt, wie sich der Wein ausgebreitet haben könnte.
Ursprünge des Weinbaus werden im Südkaukasus vermutet
Anhand der Daten aus der Genomuntersuchung der Rebensorten datieren die Forschenden die Ursprünge des Weinbaus auf über 11.000 Jahre vor Christus. Vom Südkaukasus (die heutigen Länder Armenien, Georgien und Aserbaidschan) aus soll sich die neue Technologie sehr schnell über das Mittelmeer nach Westen verbreitet haben. Durch Kreuzungen mit lokalen Wildreben schufen die Mitteleuropäer innerhalb kürzester Zeit eine große Vielfalt an Rebsorten. Durch die Praxis der Vermehrung über Steckhölzer konnte dies auch aufrechterhalten werden.
Tafelreben entstanden der Studie zufolge im Nahen Osten durch besonders großbeerige Sorten. Das war vor etwa 7.000 Jahren. Tafeltrauben werden im Unterschied zu Keltertrauben nicht zur Weinherstellung verwendet, sondern roh gegessen. Einen großen Einfluss auf die Domestizierung von Weinreben hatten die menschlichen Wanderbewegungen, die häufig mit Klimaveränderungen einher gingen. Hier ist vor allem das Ende der Eiszeit zu nennen, aber auch das feuchtwarme Atlantikum, eine Klimazeit zwischen 8.000 und 4.000 vor Christus.
Die Völkerwanderungen hinterließen in den Genomen der Weinreben ihre Spuren, wie die chinesischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen konnten. So fanden sie zum Beispiel in mittelalterlichen Reben aus Süddeutschland Gene, die von Reben aus Aserbaidschan und Mittelasien stammen.
Das KIT trägt zur Aufklärung der Reben-Evolution bei
Vom KIT stammte die ursprüngliche Idee für das Genomprojekt, das Joseph Gottlieb Kölreuter Institut für Pflanzenwissenschaften steuerte zudem seine große Rebensammlung bei. Dazu gehören zum Beispiel eine weltweit einmalige Sammlung der Europäischen Wildrebe sowie sehr alte mittelalterliche Sorten, die bis vor einigen Jahren als ausgestorben galten. Darüber hinaus halfen die Karlsruher Forschenden bei der Suche der Reben.
„Die Suche nach den verschiedenen Reben war hochspannend“, so Nick. „Viele Reben stammten beispielsweise aus der hervorragenden Sammlung von Magarach auf der Krim. Die ukrainischen Forschenden waren nach der russischen Annexion 2014 geflohen und nun, nebst Reben, über die ganze Welt verstreut.“ Der Karlsruher Biologe machte sie in russischsprachigen sozialen Netzwerken ausfindig und brachte sie in Kontakt mit dem chinesischen Forschungsteam.
Das Forschungsprojekt soll jedoch nicht nur dabei helfen, die Herkunft des Weinbaus besser zu verstehen, es soll auch die Zukunft des Weins sichern. „Wir haben damit nicht nur die gesamte Biodiversität dieser Art erfasst, sondern haben auch die gesamte genetische Information zur Verfügung, um diese gezielt zu nutzen, sagt Nick. Derzeit werden in dem Interreg Oberrhein Projekt KliWiReSSe Gene für Klimaresilienz aus den Wildreben in Kulturreben eingekreuzt, um den Weinbau in der Region gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.
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