Zweifach gut: Darmbakterien verarbeiten Abfälle und erzeugen dabei Strom
Forschenden des École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) ist es erstmals gelungen, die Fähigkeit von E. coli-Bakterien zur Stromproduktion zu verbessern. Damit soll es künftig möglich sein, organische Abfälle besser zu verarbeiten und zugleich effizient Strom zu erzeugen.
Das Escherichia coli-Bakterium, auch als E. coli-Bakterium bekannt, ist ein Bakterium, das zu unserem Alltag gehört. Jeder von uns trägt es in sich – und zwar im Verdauungstrakt. Dort macht es sich nützlich, indem es Nährstoffe spaltet und Krankheitserreger abwehrt. Auch im Darm von Vögeln und sogenannten warmblütigen Säugetieren leistet es diesen wichtigen Beitrag. Unter bestimmten Bedingungen werden die kleinen Bakterien allerdings unangenehm bis gefährlich. Sie können Infektionen auslösen und gelten weltweit als einer der häufigsten Erreger für Infekte unter anderem der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts, aber auch der Atemwege und von Wunden. E. coli-Bakterien spielen auch eine Rolle bei Blutvergiftungen und Krankenhausinfektionen.
Injizierte Bakterien beseitigen Schadstoffe bis in 27 Meter Tiefe
Die kleinen Mikroorganismen können darüber hinaus erstaunlich erfreuliche Dinge: Mit ihnen lässt sich mikrobielle Elektrizität erzeugen und sie sind in der Lage, organische Abfälle effizient zu verarbeiten. Genau das haben Forschende des École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) nun in einer aktuellen Studie belegt.
Dreifach Strom: Darmbakterien nutzen verschiedene Abfall-Stoffe
Damit die E. coli-Bakterien Strom erzeugen, mussten die Forschenden sie manipulieren. Ihr Ziel war es, dies mit dem Prozess, der sich extrazellulärer Elektronentransfer, kurz EET, nennt, zu erreichen. Dank des EET wird das Bakterium zu einer sehr effektiven „elektrischen Mikrobe“. Der Vorteil daran: Es sind keine Chemikalien dafür notwendig, sondern die modifizierten E. coli-Bakterien können für die Stromerzeugung verschiedene organische Materialien verstoffwechseln. Das neue an der aktuellen Studie: Den Forschenden um Ardemis Boghossian, Assistenz-Professorin am Institut für Chemische Wissenschaften und Ingenieurwissenschaften (ISIC) am EPFL, gelang es erstmals, den vollständigen EET-Weg innerhalb des Bakteriums zu kreieren. Dadurch erhöhte sich die Leistung bei der Stromerzeugung, was nach Angaben der Forschenden zuvor noch nicht in der Form erreicht werden konnte.
Innovative Bio-Batterie: Bakterien produzieren Wasserstoff
Das Forscher-Team schaffte den Durchbruch, indem es ein weiteres Bakterium zu Hilfe nahm: Shewanella oneidensis MR-1. Dieses Bakterium ist ohnehin dafür bekannt, Strom zu erzeugen. Durch seinen Einsatz konnten die Forschenden einen optimierten Weg finden, der sowohl innere und äußere Zellmembranen sowie alles, was sonst noch dazwischen liegt, zu durchqueren. Allein dadurch ließ sich die Stromproduktion verdreifachen.
„Zwei Fliegen mit einer Klappe“: Abfälle verarbeiten und Strom erzeugen
Die Forschenden testeten die manipulierten E. coli-Bakterien in verschiedenen Umgebungen: in diversen Abwässern, sogar solchen von Brauereien, und im Abfall. „Anstatt Energie in das System zu stecken, um organische Abfälle zu verarbeiten, produzieren wir Strom, während wir die organischen Abfälle verarbeiten. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Ardemis Boghossian. Die Tests in dem Abwasser einer Lausanner Brauerei ergaben, dass die künstlichen elektrischen Bakterien der Forschenden sich schnell vermehrten, weil sie sich von dem „Abfall“ im Abwasser ernähren konnten. Exotische elektrische Mikroben versagten dagegen in dieser Umgebung. „Wir haben einen neuen Rekord im Vergleich zum vorherigen technischen Niveau aufgestellt“, sagt Mohammed Mouhib, Hauptautor der aktuellen Studie. „Uns sind die besten Ergebnisse gelungen, die bisher mit dieser Mikrobe erzielt wurden. Angesichts aller Forschungsanstrengungen, die derzeit in diesem Bereich unternommen werden, sind wir hinsichtlich der Zukunft bioelektrischer Bakterien sehr zuversichtlich und freuen uns darauf, diese Technologie voranzutreiben.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bereits eine Vielzahl an Einsatzgebieten für ihre manipulierten Bakterien im Blick: Da sie in der Lage sind, aus ganz unterschiedlichen Quellen Strom zu erzeugen, ließen sie sich in mikrobiellen Brennstoffzellen, in der Elektrosynthese und Biosensorik einsetzen. Darüber hinaus könnte man die Bakterien durchaus noch an besondere Umgebungen und Rohstoffe anpassen. Das sei aufgrund ihrer genetischen Flexibilität absolut unproblematisch. So würden sie zu einem vielseitigen Werkzeug für die Entwicklung nachhaltiger Technologien. Neben dem Team des EPFL waren noch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Chongqinq, einer Hochschule für Umwelt und Ökologie in China, sowie des Instituts für Biologie III der Universität Freiburg an der aktuellen Studie beteiligt.
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