Kraftstoff aus Hüttengasen 14.06.2023, 12:12 Uhr

CO2-Verwertung: Methanol aus Stahlwerks-Abgasen

Im Rahmen des Projekts Carbon2Chem arbeiten Forschende des Fraunhofer UMSICHT daran, die Stahlproduktion umweltfreundlicher zu machen. Konkret geht es darum, Methanol aus Hüttengase herzustellen. Nach erfolgreichen Tests im Labor startet nun die Pilotphase im Duisburger Stahlwerk von Thyssenkrupp.

Aufbau der Methanolanlage im Carbon2Chem®-Technikum bei thyssenkrupp Steel Europe in Duisburg.

Aufbau der Methanolanlage im Carbon2Chem®-Technikum bei thyssenkrupp Steel Europe in Duisburg.

Foto: Fraunhofer UMSICHT

Kraftstoff aus Hüttengasen: In Zukunft soll ein Teil der Abgase aus Stahlwerken in nutzbares Methanol umgewandelt werden. Thyssenkrupp hat eine erste Pilotanlage zur Methanolsynthese aus Hüttengasen im Duisburger Stahlwerk installiert. Ab Juli 2023 soll die Anlage täglich etwa 75 Liter Methanol aus dem Abgas-Gemisch des Stahlwerks produzieren. Falls der Pilottest erfolgreich verläuft, könnte diese umweltfreundliche CO2-Verwertung bald im großen Maßstab eingesetzt werden – nicht nur im Stahlwerk, sondern auch in der Zementindustrie.

Stahlindustrie soll klimafreundlicher werden

Die Stahlindustrie gehört zu den bedeutendsten Verursachern von CO2-Emissionen weltweit und trägt etwa sieben Prozent zum globalen Treibhausgasausstoß bei. Dies ist hauptsächlich auf den Einsatz von Koks, Kohle und Erdgas als Reduktionsmittel und zur Beheizung der Öfen zurückzuführen. Bei diesem Prozess entstehen Hüttengase, die verschiedene Bestandteile wie Wasserstoff, Stickstoff, Kohlenstoffmonoxid und Kohlendioxid enthalten. Obwohl ein Teil dieser Gase verbrannt und zur Wärmeerzeugung genutzt wird, verbleibt dennoch eine erhebliche Menge an CO2.

Seit 2016 betreibt das Fraunhofer UMSICHT in Zusammenarbeit mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft intensive Forschung an einer Lösung, um CO2 stofflich zu verwerten und in einem geschlossenen Kreislauf zu führen. Das gemeinsame Projekt namens Carbon2Chem zielt unter anderem darauf ab, Methanol herzustellen, eine Grundchemikalie, die derzeit noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Durch die Verwertung von CO2 wird an zwei Fronten angesetzt: Das klimaschädliche Gas wird nicht in die Atmosphäre freigesetzt und dient gleichzeitig als Ausgangsstoff für eine nachhaltige Methanolproduktion.

Das kann Methanol

Methanol ist die Grundlage für eine Vielzahl wichtiger chemischer Produkte. Zum Beispiel wird Formaldehyd aus Methanol hergestellt, und daraus wiederum werden Klebstoffe und Kunstharze produziert, die für die Herstellung von Spanplatten oder Essgeschirr verwendet werden. Ebenso wird Methanol zur Herstellung von Essigsäure verwendet, die wiederum ein wichtiges Ausgangsmaterial für die Produktion von Polymeren ist.

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Darüber hinaus kann Methanol auch als Ausgangsstoff für die Herstellung von Kraftstoffen dienen. Es kann entweder direkt zu Kraftstoffen wie Benzin, Diesel und Kerosin umgewandelt werden oder selbst als Kraftstoff verwendet werden. Die Nutzung von Methanol als Kraftstoff bietet potenzielle Vorteile wie eine geringere Emission von Schadstoffen im Vergleich zu herkömmlichen fossilen Brennstoffen.

Von der Versuchsanlage zum Pilotprojekt

Nach vielversprechenden Versuchsreihen im Labormaßstab wurde die Pilotanlage auf Basis einer vorhandenen Containeranlage entwickelt. In der Pilotanlage wurden bisher pro Stunde etwa 3 Liter Rohmethanol produziert, wovon etwa 2 Liter reines Methanol enthalten sind. Parallel zur Skalierung des Prozesses haben die Forschenden den gesamten Verbund simuliert und einen digitalen Zwilling erstellt. Dies ermöglicht es, jederzeit einen technisch machbaren Rahmen zu definieren und eine viel größere Anzahl von Betriebspunkten zu untersuchen, als es in begrenzter Versuchszeit möglich wäre. Tim Schulzke, verantwortlich für die Pilotanlage und die Versuchsreihen am Fraunhofer UMSICHT, erklärt diesen Ansatz.

Bisher wurde die Anlage am Institutsstandort in Oberhausen mit sauberen Flaschengasen betrieben, die entsprechend der Zusammensetzung der verschiedenen Hüttengase gemischt wurden. Um den Prozess für die spätere industrielle Methanolproduktion weiter zu optimieren, wurde die Anlage nun an das Stahlwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg verlegt. Dort wird sie mit den Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben. Damit das Hochofengas für die Methanolsynthese verwendbar ist, wird es zuvor mithilfe der Pilotanlage von thyssenkrupp Uhde gereinigt.

„Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Inbetriebnahme der Pilotanlage und blicken gespannt auf den ersten Testlauf“, sagt Ralph Kleinschmidt von thyssenkrupp Uhde. „Unsere Technologien ermöglichen es, Hüttengase zu reinigen, sodass diese im Anschluss für die Methanolsynthese brauchbar sind. Den Betrieb der Pilotanlage werden wir nutzen, um unsere grüne Methanol-Technologie weiter zu optimieren.“

Nächster Schritt: industrielle Methanolproduktion

Sobald die letzten Installationsarbeiten Mitte Juli abgeschlossen sind, wird der erste Testlauf zur Inbetriebnahme der Anlage gestartet. Das nächste Ziel besteht darin, eine kontinuierliche Produktion von 75 Litern Rohmethanol pro Tag zu erreichen. Bis Mai 2024 soll die Testphase abgeschlossen sein, anschließend soll der Übergang zur industriellen Methanolproduktion aus Hüttengasen erfolgen. Als nächster Schritt ist die Planung einer Demo-Anlage vorgesehen, die mehrere tausend Tonnen Methanol pro Jahr produzieren kann.

Eine solche Zweitverwertung von CO2 könnte nicht nur Stahlwerken zugutekommen, sondern auch anderen CO2-intensiven Industrien. Dank des modularen Aufbaus der Methanol-Anlage ist es möglich, den Prozess auf verschiedene Bereiche zu übertragen, wie beispielsweise Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke. Bei der Zementherstellung wird aufgrund der chemischen Reaktion beim Kalkbrennen immer CO2 freigesetzt.

„Die Technologie zur CO2-basierten Methanolherstellung ist daher auch dann eine nachhaltige und langfristige Investition, wenn die Stahlindustrie vollständig auf Wasserstoff umgestellt hat“, erklärt Tim Schulzke von Fraunhofer UMSICHT.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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