Die Erde als Reaktor 24.01.2025, 10:09 Uhr

Grünes Ammoniak sprudelt aus unterirdischer Chemiefabrik

Fungiert die Erde künftig als Reaktor? MIT-Forschende entwickeln eine unterirdische Chemiefabrik, die sauberes Ammoniak aus Brunnen sprudeln lässt.

Ammoniak-Herstellung

Ammoniak wird heute meist in riesigen chemischen Anlagen mit dem energieintensiven Haber-Bosch-Verfahren hergestellt. Forschende des MIT entwickeln ein Verfahren, bei der die Erde als Reaktor fungiert und die Herstellung weit weniger Energie benötigt.

Foto: PantherMedia / saoirse2010

Ammoniak, chemisch NH3, ist eine unverzichtbare Substanz für die moderne Landwirtschaft und Industrie. Es dient heute noch vor allem als Grundlage für Stickstoffdünger, um die landwirtschaftlichen Erträge zu steigern. Ammoniak gilt aber auch als eines der vielversprechendsten Speicher- und Transportmedien für Wasserstoff, wird daher zunehmend noch an Bedeutung gewinnen.

Derzeit werden weltweit über 180 Millionen Tonnen davon hergestellt. Doch die konventionelle Herstellung belastet die Umwelt stark. Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben nun einen innovativen Ansatz entwickelt, der auf natürliche Prozesse in der Erde setzt, um Ammoniak nachhaltiger und emissionsfrei zu produzieren.

Das Haber-Bosch-Verfahren: Bewährt, aber problematisch

Seit über 100 Jahren wird Ammoniak vor allem mit dem in Deutschland entwickelten Haber-Bosch-Verfahren hergestellt. Dabei wird Stickstoff aus der Luft mit Wasserstoff unter hohen Temperaturen (etwa 400 Grad Celsius) und Drücken (bis zu 200 Atmosphären) zu Ammoniak umgesetzt. Dieser Prozess war ein Meilenstein der Chemiegeschichte und sichert bis heute die Ernährung von Milliarden Menschen. Ohne das Haber-Bosch-Verfahren wären die natürlichen Stickstoffvorkommen wie Guano und Salpeter nicht ausreichend gewesen.

Stellenangebote im Bereich Chemieingenieurwesen

Chemieingenieurwesen Jobs
Regierungspräsidium Freiburg-Firmenlogo
Bachelor / Diplom (FH) Bau-, Chemie-, Umweltingenieurwesen, Verfahrenstechnik oder vergleichbar Regierungspräsidium Freiburg
Freiburg im Breisgau Zum Job 
Infraserv GmbH & Co. Höchst KG-Firmenlogo
Ingenieur als Betriebsleiter für die Wassergewinnung (w/m/d) Infraserv GmbH & Co. Höchst KG
Frankfurt am Main Zum Job 
Technische Hochschule Georg Agricola-Firmenlogo
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (m/w/d) im Bereich Verfahrenstechnik Technische Hochschule Georg Agricola
RENOLIT SE-Firmenlogo
Ingenieur (m/w/d) Kunststoff- / Verfahrenstechnik / Chemie RENOLIT SE
Frankenthal Zum Job 
Griesemann Gruppe-Firmenlogo
Projektleiter Anlagenbau (m/w/d) Griesemann Gruppe
DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH-Firmenlogo
W2-Professur (m/w/d) Thermische Verfahrenstechnik und Energieeffizienz DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH
Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Projekt- und Betriebsingenieur (m/w/d) Smart Factory Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG
Ingelheim am Rhein Zum Job 
Fresenius Kabi Deutschland GmbH-Firmenlogo
Projektmanager/-leiter für Projekte mit technischem Schwerpunkt im pharmazeutischen Umfeld (m/w/d) Fresenius Kabi Deutschland GmbH
Friedberg (Hessen) Zum Job 
Stadtentwässerung Fürth (StEF)-Firmenlogo
Technische Betriebsleitung bzw. Sachgebietsleitung Betrieb Abwasserreinigung (w/m/d) Stadtentwässerung Fürth (StEF)
Siegfried PharmaChemikalien Minden GmbH-Firmenlogo
Betriebsingenieur Mehrprodukte-Betrieb (w/m/d) Siegfried PharmaChemikalien Minden GmbH
Regierungspräsidium Freiburg-Firmenlogo
Bachelor / Diplom (FH) Bau-, Chemie-, Umweltingenieurwesen, Verfahrenstechnik oder vergleichbar Regierungspräsidium Freiburg
Freiburg im Breisgau Zum Job 
Infraserv GmbH & Co. Höchst KG-Firmenlogo
Ingenieur als Betriebsleiter für die Wassergewinnung (w/m/d) Infraserv GmbH & Co. Höchst KG
Frankfurt am Main Zum Job 
Technische Hochschule Georg Agricola-Firmenlogo
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (m/w/d) im Bereich Verfahrenstechnik Technische Hochschule Georg Agricola
RENOLIT SE-Firmenlogo
Ingenieur (m/w/d) Kunststoff- / Verfahrenstechnik / Chemie RENOLIT SE
Frankenthal Zum Job 

Trotz seines Erfolgs hat das Verfahren gravierende Nachteile. Die Energie, die benötigt wird, um die hohen Temperaturen und Drücke zu erzeugen, stammt in der Regel aus fossilen Brennstoffen. Dies macht die Ammoniakproduktion zu einer der klimaschädlichsten chemischen Industrien. „Etwa zwei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen stammen allein aus der Herstellung von Ammoniak“, erklärt Iwnetim Abate, Professor für Materialwissenschaften und Ingenieurwesen am MIT. Zudem ist die Verfügbarkeit des Verfahrens geografisch eingeschränkt: In Regionen wie Subsahara-Afrika oder Südostasien fehlen oft die notwendigen Anlagen, was die landwirtschaftliche Entwicklung hemmt.

Die Erde als Chemiefabrik

Das MIT-Team hat ein Verfahren entwickelt, das die Erde selbst als Reaktor nutzt. Dieses Konzept, das sie als „geologisches Ammoniak“ bezeichnen, basiert auf den natürlichen chemischen und physikalischen Bedingungen unter der Erdoberfläche. „Wir können die Erde als Fabrik nutzen, um saubere Wasserstoffströme und Ammoniak zu erzeugen“, erklärt Abate.

Das Verfahren beginnt mit der Injektion von Wasser, das mit einer Stickstoffquelle (z. B. Nitrat oder Stickstoffgas) und Metallkatalysatoren versetzt ist, in eisenreiche Gesteinsschichten. Durch die Reaktion des Wassers mit den Mineralien entsteht Wasserstoff. Dieser verbindet sich sofort mit dem Stickstoff zu Ammoniak. Die notwendige Hitze und der Druck werden durch die natürlichen geologischen Gegebenheiten bereitgestellt. Ein zweiter Brunnen dient dazu, das Ammoniak zur Oberfläche zu pumpen.

Postdoktorand Yifan Gao, der an der Forschung beteiligt ist, beschreibt den Moment des Durchbruchs: „Als ich das erste Mal Ammoniak aus Gestein im Labor herstellte, war ich begeistert. Mir wurde klar, dass dies einen vollkommen neuen Ansatz für die Ammoniaksynthese darstellt.“

Funktionsweise unterirdischer Ammoniakreaktor

So funktioniert die unterirdische Herstellung von Ammoniak: Durch eine Leitung wird mit Katalysatorpartikeln und einer Stickstoffquelle versetztes Wasser ins Erdreich injeziert. Dort reagiert es zunächst mit eisenreichem Gestein zu Wasserstoff. Dieser verbindet sich wiederum mit Stickstoff zu Ammoniak.

Foto: Iwnetim Abate und Yifan Gao

Vorteile des unterirdischen Prozesses

Die Methode des geologischen Ammoniaks bringt laut Forschungsteam zahlreiche Vorteile mit sich:

  1. Energieeinsparung: Die natürlichen Bedingungen unter der Erde ersetzen energieintensive technische Prozesse. Es werden keine fossilen Brennstoffe benötigt, um hohe Temperaturen und Drücke zu erzeugen.
  2. Emissionsfreiheit: Da Wasserstoff direkt aus Wasser gewonnen wird und keine Methan-Spaltung erforderlich ist, entstehen keine direkten Kohlenstoffemissionen.
  3. Effizienter Transport: Ammoniak ist deutlich leichter und kostengünstiger zu transportieren als Wasserstoff. In den USA existiert bereits ein umfassendes Netz von Ammoniak-Pipelines.
  4. Wasseraufbereitung: Der Prozess erlaubt die Nutzung von unbehandeltem Wasser, beispielsweise Abwasser oder landwirtschaftlichen Abflüssen, die oft reich an Stickstoff sind.

Abate hebt hervor, dass der Transport von Ammoniak etwa ein Sechstel der Kosten von Wasserstofftransporten beträgt. „Das macht Ammoniak nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für andere Industrien attraktiver“, sagt er.

Herausforderungen und weitere Schritte

Obwohl die Methode im Labor erfolgreich getestet wurde, steht die praktische Umsetzung in der realen Welt noch aus. Der nächste Meilenstein ist ein Feldversuch, bei dem das Verfahren in einem geeigneten geologischen Umfeld getestet wird. „Wir planen, diesen Test in den kommenden ein bis zwei Jahren durchzuführen“, erklärt Abate.

Eine zentrale Herausforderung bleibt die Optimierung des Prozesses. Dazu gehören die Auswahl der effizientesten Katalysatoren und die Feinabstimmung der Injektionsbedingungen. Zudem wird daran gearbeitet, die Kosten für die großtechnische Umsetzung weiter zu senken.

Professor Yet-Ming Chiang, Co-Direktor des MIT-Zentrums für Elektrifizierung und Dekarbonisierung, betont: „Dies ist ein wirklich bahnbrechender Ansatz. Noch nie wurde die Erde bewusst als chemischer Reaktor genutzt.“

Mögliche Anwendungen und Zukunftsperspektiven

Neben der Düngerproduktion könnte geologisches Ammoniak auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen. Ammoniak gilt als vielversprechender Energieträger für die Schifffahrt und Luftfahrt. Es kann direkt in Turbinen oder Motoren verbrannt werden, um Energie ohne Kohlenstoffemissionen zu erzeugen.

Auch als chemischer Rohstoff bietet Ammoniak vielseitige Einsatzmöglichkeiten. „Das Marktpotenzial ist enorm“, sagt Abate. Bis 2050 wird erwartet, dass sich die globale Ammoniakproduktion verdoppelt oder gar verdreifacht.

Ein weiterer Vorteil des geologischen Ansatzes ist seine Nachhaltigkeit. Abwasser, das normalerweise behandelt werden müsste, kann als Ressource genutzt werden. Dies bietet eine doppelte Chance: Abfall wird reduziert, und gleichzeitig wird ein wertvoller Rohstoff gewonnen.

Geoffrey Ellis, Geologe beim U.S. Geological Survey, sieht in der Methode ein großes Potenzial: „Obwohl noch viel Arbeit vor uns liegt, ist das Konzept bahnbrechend. Es könnte zu weiteren Innovationen in der chemischen Produktion führen.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Themen im Artikel

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.