Gefährlicher Kandidat Borsäure
Die EU-Chemikalienagentur Echa hat für die Liste der gefährlichen Substanzen, deren Anwendungen möglicherweise zugelassen werden, jetzt weitere Kandidaten vorgeschlagen. Damit könnte die Liste bereits ab Juni 37 Substanzen umfassen. VDI nachrichten, Berlin, 12. 3. 10, ber
Das EU-Chemikaliengesetz Reach entwickelt ein Eigenleben. Seit 2010 schlägt die EU-Chemikalienagentur Echa in Helsinki zweimal jährlich Substanzen für die Kandidatenliste vor. Diese Liste, auf der bislang 29 gefährliche Substanzen aufgeführt sind, ist für die Industrie wichtig. Denn daraus werden jene Substanzen ausgewählt, die einem Zulassungsverfahren unterzogen werden. Solche Stoffe können nach einer Übergangsfrist dann nur noch eingesetzt werden, wenn die jeweilige Anwendung ausdrücklich erlaubt ist.
Die jüngsten Vorschläge kamen aus Dänemark, Deutschland und Frankreich. Aus Deutschland – genauer aus dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin – stammt die Empfehlung, sich die Anwendungen von Borsäure genauer anzuschauen.
Borsäure, die bei Versuchstieren nachweislich die Fruchtbarkeit schädigt, wird in vielen Verbraucherprodukten eingesetzt: in Kosmetika, Glasuren, Gläsern und als Flammschutzausrüstung für Textilien. Für kosmetische Pflegemittel für Kinder unter drei Jahren ist Borsäure allerdings nicht zugelassen.
Als Konservierungsstoff (E 284) darf Borsäure echtem Kaviar zugesetzt werden. Sie reichert sich im Gewebe an und wird vom Körper nur langsam ausgeschieden. In hohen Dosen kann sie Vergiftungserscheinungen und Nierenschäden hervorrufen.
Borsäure wird zudem bei der Glas- und Keramikherstellung oder als Flammschutzmittel in Dämmstoffen eingesetzt. Auch Dünger kann die Säure enthalten. Bor ist für Pflanzen in geringen Mengen essentiell, in höheren Dosen wirkt Bor aber wie ein Herbizid.
Dänemark will zwei weitere reproduktionstoxische Borverbindungen auf die Kandidatenliste setzen. Frankreich sorgt sich indes um Gesundheitsgefahren durch das krebserregende Lösungsmittel Trichlorethen (Tri) und durch vier giftige Chromatverbindungen.
Doch es ist ein langer Weg, bevor eine Substanz von der Kandidatenliste in einem Zulassungsverfahren auf Herz und Nieren geprüft wird. Derzeit beginnt die Kommentierungsphase. Jeder Betrieb und Industrieverband, aber auch jeder Bürger kann sich 45 Tage lang zu den Dossiers äußern. Die Frist endet am 22. April 2010. Die Echa wünscht sich weitere Hinweise zu den Stoffeigenschaften, den Einsatzgebieten sowie dazu, wie Mensch und Umwelt mit diesen Substanzen belastet sind und ob es Alternativen zu diesen Substanzen gibt.
Wohl im Juni berät dann ein Ausschuss der EU-Staaten über die Kommentare. Er muss einstimmig über die Vorschläge zur Aufnahme auf die Kandidatenliste entscheiden.
Mit anderen Worten: Der Ausschuss der EU-Staaten wird wahrscheinlich noch vor dem Sommer 2010 die aktuelle Kandidatenliste um bis zu acht Substanzen erweitern. Damit steigt auch das Auskunftsrecht der Bürger. Sie dürfen in jedem Geschäft erfragen, ob ein Produkt zu mehr als 0,1 % einen der Kandidatenstoffe enthält. Das Geschäft muss nach spätestens 45 Tagen antworten.
Danach sucht sich Echa aus der Kandidatenliste jene Substanzen heraus, die das Zulassungsverfahren durchlaufen sollen. Die EU-Kommission formuliert dann einen eigenen Vorschlag. Letztlich aber entscheiden die EU-Staaten, welche Substanzen zugelassen werden.
Noch gibt es keine Zulassungsliste. Echa hat zwar bereits im Juni 2009 sieben Substanzen dafür vorgeschlagen, doch die Kommission hat noch keinen eigenen Vorschlag gemacht.
Ein Grund ist, dass um den Leitfaden zur Zulassung gestritten wird. Darin soll Industrieunternehmen erklärt werden, worauf sie beim Zulassungsantrag achten müssen. Doch die Generaldirektionen Umwelt und Unternehmen der EU-Kommission sind sich uneins darüber, wie weitgehend Unternehmen verpflichtet werden sollen, auch auf sichere Anwendungen einer gefährlichen Substanzen zu verzichten.
Doch es geht voran. Die neue EU-Kommission will in diesem Frühjahr die offenen Streitpunkte klären. Dann kann die erste Zulassungsliste bald veröffentlicht werden. Der Verband der Chemischen Industrie rechnet mit September 2010. RALPH AHRENS
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