Elektrochemische Prozesse 14.08.2024, 10:50 Uhr

Grüner Ammoniak aus Abwasser – neuer Reaktor macht es möglich

Aus Nitrat wird Ammoniak: Ein neues Reaktorsystem könnte die Ammoniakproduktion dekarbonisieren und Abwasser reinigen.

Ammoniakherstellung

Herkömmliche Anlagen zur Ammoniakherstellung arbeiten sehr energieintensiv, ein neuer Reaktor soll das ändern und zugleich Abwasser reinigen.

Foto: PantherMedia / saoirse2010

Ammoniak ist nicht nur als Düngemittel von großer Bedeutung, sondern soll in Zukunft auch Schiffe und andere Maschinen antreiben. Die herkömmliche Herstellung von Ammoniak ist jedoch sehr energieintensiv und trägt erheblich zur globalen CO₂-Belastung bei. Ingenieurinnen und Ingenieure der texanischen Rice University haben nun einen innovativen Reaktor entwickelt, der dieses Problem löst und gleichzeitig Abwasser reinigt. Dies könnte ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Industrie sein.

Ammoniak: Unverzichtbar, aber problematisch

Ammoniak ist mit einem jährlichen Bedarf von über 180 Millionen Tonnen eine der weltweit am meisten produzierten Chemikalien. Es wird hauptsächlich nach dem Haber-Bosch-Verfahren hergestellt, das hohe Temperaturen und Drücke erfordert. Dieses Verfahren verbraucht etwa 2 % der weltweit eingesetzten Energie und ist für 1,4 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Dennoch hat Ammoniak ein enormes Potenzial, insbesondere wenn es sich um grünes Ammoniak handelt. So ist Ammoniak ideal für den weltweiten Transport von grünem Wasserstoff, da es eine höhere volumetrische Energiedichte aufweist als Wasserstoff, der hoch verdichtet und stark gekühlt werden muss. Es kann aber nicht nur als Energieträger, sondern auch als emissionsfreier Schiffstreibstoff oder als Treibstoff für Turbinen eingesetzt werden.

Stellenangebote im Bereich Chemieingenieurwesen

Chemieingenieurwesen Jobs
ATLAS TITAN Mitte GmbH-Firmenlogo
Projektkoordinator (m/w/d) Entsorgung hochradioaktiver Abfälle ATLAS TITAN Mitte GmbH
Emmerthal, Hameln Zum Job 
Infraserv GmbH & Co. Höchst KG-Firmenlogo
Ingenieur (w/m/d) Anlagen- & Prozesssicherheit Infraserv GmbH & Co. Höchst KG
Frankfurt am Main Zum Job 
Indorama Ventures Polymers Germany GmbH-Firmenlogo
Sicherheitsingenieur (m/w/d) für Anlagen- und Prozesssicherheit Indorama Ventures Polymers Germany GmbH
Gersthofen Zum Job 
Neovii Biotech GmbH-Firmenlogo
Qualification Engineer (m/w/d) Neovii Biotech GmbH
Gräfelfing Zum Job 
Fresenius Kabi-Firmenlogo
Director (m/w/d) Operations Media Supply, Formulation & API Fishoil Fresenius Kabi
Friedberg / Hessen Zum Job 
Technische Universität Berlin-Firmenlogo
Betriebliche*r Umweltbeauftragte*r, Gefahrgutbeauftragte*r, Abfallbeauftragte*r, Gewässerschutzbeauftragte*r / Technische*r Beschäftigte*r (d/m/w) Technische Universität Berlin
Synthos Schkopau GmbH-Firmenlogo
Improvement Engineer - Rubber Process Technology (m/w/d) Synthos Schkopau GmbH
Schkopau Zum Job 

Eine ebenso wichtige Rolle spielt Ammoniak bei der Sicherung der Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung, da es ein wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung von kohlenstoffarmen Düngemitteln ist. Derzeit werden etwa 80 % der weltweit jährlich produzierten über 180 Millionen Tonnen Ammoniak für die Düngemittelproduktion verwendet. In Zukunft könnte seine Bedeutung als Energiespeicher diese Menge übertreffen.

Elektrochemische Prozesse machen die Herstellung umweltfreundlich

Forscherinnen und Forscher der Rice University unter der Leitung von Professor Haotian Wang haben ein neues Reaktorsystem entwickelt, das die Ammoniakproduktion grundlegend verändern könnte. In einer in Nature Catalysis veröffentlichten Studie beschreiben sie einen Reaktor, der Nitrate aus Abwässern in Ammoniak umwandelt. Nitrate sind häufige Schadstoffe in industriellen und landwirtschaftlichen Abwässern und können in hohen Konzentrationen zu Umweltverschmutzung und Gesundheitsproblemen führen.

Der neue Reaktor nutzt elektrochemische Prozesse, um Nitrat effizient in Ammoniak umzuwandeln und gleichzeitig das Wasser zu reinigen. „Dieser Prozess kann bei Raumtemperatur ablaufen, ist skalierbar und kann mit erneuerbarer Energie betrieben werden“, erklärt Feng-Yang Chen, Hauptautor der Studie. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen Verfahren, die oft chemische Zusätze benötigen und weniger effizient sind.

Umwandlung erfolgt bei Raumtemperatur

Im Gegensatz zum energieintensiven Haber-Bosch-Verfahren arbeitet der neue Reaktor bei Raumtemperatur und benötigt keine hohen Drücke. Dies reduziert nicht nur den Energieverbrauch, sondern ermöglicht auch eine dezentrale Produktion, die flexibel an unterschiedliche Infrastrukturen angepasst werden kann. Entscheidende Vorteile bietet die Elektrochemie, die sich gut mit erneuerbaren Energiequellen kombinieren lässt und so die Grundlage für eine klimaneutrale Ammoniakproduktion bildet.

Ein Schlüssel zur Effizienz dieses Reaktors ist die Verwendung eines porösen Festelektrolyten. Dieser macht den Einsatz hoher Konzentrationen von Stützelektrolyten überflüssig, die bisherige Versuche zur nachhaltigen Umwandlung von Nitrat in Ammoniak behindert haben. „Unser Reaktorsystem ist in der Lage, nitratbelastetes Wasser ohne zusätzliche Chemikalien in reines Ammoniak und sauberes Wasser umzuwandeln“, betont Chen. Das Ergebnis: eine umweltfreundliche und effiziente Lösung für gleich zwei zentrale Probleme.

Feng-Yang Chen mit dem Prototyp des Reaktorsystems, das Gegenstand einer neuen, in Nature Catalysis veröffentlichten Forschungsstudie ist. Foto: Jeff Fitlow/Rice University

Feng-Yang Chen mit dem Prototyp des Reaktorsystems, das Gegenstand einer neuen, in Nature Catalysis veröffentlichten Forschungsstudie ist.

Foto: Jeff Fitlow/Rice University

Reaktor ersetzt die Denitrifikation in der Kläranlage

Der neue Reaktor ersetzt das herkömmliche Denitrifikationsverfahren, das in Kläranlagen zur Entfernung von Nitraten aus dem Abwasser eingesetzt wird. Dabei wird Nitrat in Stickstoff umgewandelt, der dann im Haber-Bosch-Verfahren weiterverarbeitet wird. Das neue System umgeht diese Schritte und bietet eine direkte Methode zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung und zur Herstellung von grünem Ammoniak.

„Nitrat ist eine der Hauptursachen für die Verletzung von Trinkwasserstandards, vor allem in schnell wachsenden städtischen Gebieten“, erklärt Pedro Alvarez, Professor für Bau- und Umwelttechnik an der Rice University. Bisherige Methoden zur Nitratentfernung wie Ionenaustausch oder Umkehrosmose verursachen oft zusätzliche Umweltprobleme, weil sie salzhaltige Abwässer produzieren. Das neue Reaktorsystem von Professor Wang bietet eine Lösung, die diese Probleme vermeidet und gleichzeitig die Ammoniakproduktion umweltfreundlicher macht.

Weitere umweltfreundliche chemische Prozesse denkbar

Die Auswirkungen dieser Forschung gehen weit über die Ammoniakproduktion hinaus, ist sich das Forschungsteam sicher. Das Reaktordesign und die begleitende technisch-wirtschaftliche Analyse könnten als Grundlage für weitere umweltfreundliche chemische Prozesse dienen. Dies könnte die Art und Weise verändern, wie Industrie und Kommunen in Zukunft mit Umweltproblemen umgehen.

„Unsere Ergebnisse zeigen einen vielversprechenden Weg auf, um die Wasserverschmutzung und die Ammoniakproduktion nachhaltiger zu gestalten“, sagt Professor Wang. „Wenn wir die Ziele der Dekarbonisierung und der Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen wollen, müssen wir dringend alternative und nachhaltige Produktionsmethoden entwickeln.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Themen im Artikel

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.