Grüner Stahl aus Rotschlamm: Forschende zeigen, wie es geht
Jährlich entstehen bei der Herstellung von Aluminium etwa 180 Millionen Tonnen schädlichen Rotschlamms. Forschende des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung haben nun gezeigt, wie dieser Abfall in grünen Stahl umgewandelt werden kann.
Bis zum Jahr 2050 soll die Nachfrage nach Stahl und Aluminium um bis zu 60 Prozent steigen. Die herkömmliche Produktion dieser Metalle hat jedoch erhebliche Umweltauswirkungen. Acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stammen beispielsweise aus der Stahlindustrie, wodurch sie die Branche mit dem höchsten Treibhausgasausstoß ist. In der Aluminiumproduktion entstehen jährlich etwa 180 Millionen Tonnen Rotschlamm, der ätzend ist und Schwermetalle wie Chrom enthält.
Jetzt haben Forschende eine Lösung gefunden, was man mit dem Abfall, der sonst in Ländern wie Australien, Brasilien und China oft in riesigen Deponien mühsam getrocknet und entsorgt wird, machen kann. Denn: Bei starkem Regen wird der Rotschlamm häufig aus der Deponie gespült, während er bei Trockenheit als Staub durch den Wind in die Umwelt gelangt.
Mithilfe eines Lichtbogenofens wird das im Rotschlamm vorhandene Eisenoxid unter Verwendung von Wasserstoffplasma in Eisen umgewandelt. Durch diese Methode könnte aus den bisher weltweit angesammelten vier Milliarden Tonnen Rotschlamm etwa 700 Millionen Tonnen CO2-freier Stahl gewonnen werden. Dies entspricht etwa einem Drittel der weltweiten jährlichen Stahlproduktion. Das Max-Planck-Team zeigt zudem, dass dieser Prozess auch wirtschaftlich rentabel wäre.
Abfallproblem der Aluminiumproduktion lösen
„Unser Prozess könnte gleichzeitig das Abfallproblem der Aluminiumproduktion lösen und die CO2-Bilanz der Stahlindustrie verbessern“, sagt Matic Jovičevič-Klug, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut.
In einer in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie zeigte das Forscherteam, wie Rotschlamm als wertvoller Rohstoff in der Stahlindustrie genutzt werden kann. Der Abfall der Aluminiumproduktion besteht nämlich zu bis zu 60 Prozent aus Eisenoxid. Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut schmelzen den Rotschlamm in einem Lichtbogenofen und reduzieren gleichzeitig das darin enthaltene Eisenoxid mithilfe eines Plasmas, das zehn Prozent Wasserstoff enthält. Dieser Prozess dauert lediglich zehn Minuten. Dabei trennt sich das flüssige Eisen von den flüssigen Oxiden und lässt sich anschließend leicht abscheiden. Das gewonnene Eisen ist so rein, dass es direkt zur Herstellung von Stahl verwendet werden kann.
Mittels dieser Methode können die Schwermetalle im Rotschlamm praktisch entschärft werden. „Chrom haben wir nach der Reduktion im Eisen nachgewiesen“, sagt Matic Jovičevič-Klug. „Auch andere Schwer- und Edelmetalle gehen wahrscheinlich ins Eisen oder einen separaten Bereich über. Das werden wir in weiteren Studien untersuchen. Wertvolle Metalle könnte man dann abtrennen und weiterverwenden.“ Die Schwermetalle, die in den verbleibenden Metalloxiden zurückbleiben, sind fest gebunden und können nicht mehr durch Wasser ausgeschwemmt werden, was im Fall von Rotschlamm möglich ist.
1,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen
Die verbleibenden Metalloxide verlieren dabei ihre ätzenden Eigenschaften und erstarren zu einem glasartigen Material, das sich beispielsweise in der Bauindustrie als Füllmaterial verwenden lässt.
„Wenn man aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die bei der weltweiten Aluminiumproduktion bislang angefallen sind, mit grünem Wasserstoff Eisen erzeugen würde, könnte die Stahlindustrie fast 1,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen“, erklärt Isnaldi Souza Filho, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in einer Pressemitteilung.
Die direkte Erzeugung von Eisen aus Rotschlamm soll auch wirtschaftlich rentabel sein, wie das Forschungsteam in einer Kostenanalyse belegt hat. Bereits bei einem Gehalt von 50 Prozent Eisenoxid im Rotschlamm ist der Prozess profitabel, wenn Wasserstoff und ein Strommix aus teilweise erneuerbaren Quellen im Lichtbogenofen verwendet werden. Unter Einbeziehung der Entsorgungskosten des Rotschlamms sind sogar nur 35 Prozent Eisenoxid ausreichend, um den Prozess wirtschaftlich zu gestalten.
Nur geringe Investitionen nötig
„Das sind vorsichtige Abschätzungen, weil die Kosten für die Entsorgung des Rotschlamms wahrscheinlich eher niedrig berechnet sind“, sagt Isnaldi Souza Filho. Aus praktischer Sicht bietet dies einen weiteren Vorteil: Lichtbogenöfen sind in der Metallindustrie, einschließlich Aluminiumhütten, weit verbreitet, da sie dazu verwendet werden, Altmetall zu schmelzen. In vielen Fällen müsste die Branche daher nur geringe Investitionen tätigen, um nachhaltiger zu agieren.
„Uns war es wichtig, in unserer Studie auch die ökonomischen Aspekte zu berücksichtigen“, resümiert Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung. „Jetzt kommt es auf die Industrie an, ob sie die Plasmareduktion von Rotschlamm zu Eisen auch einsetzt.“
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