Kunststoffproduktion mit weniger Chlorchemie
Die Chemie versucht mit weniger Chlor auszukommen. Propylenoxid – ein Vorprodukt für Polyurethan wird zunehmend ohne das Halogengas hergestellt. Die größte Anlage betreiben derzeit zwei Chemiekonzerne partnerschaftlich in Antwerpen.
Eine neue Chemieanlage mit einem Dutzend eng beieinander stehender Destillationskolonnen – die längsten sind 90 m hoch – glänzt im Antwerpener Hafen. Kern der kompakten Anlage sind Reaktoren zur Produktion von Propylenoxid. Fast unbemerkt feierten BASF, Ludwigshafen, und Dow Chemical, vor Kurzem den ersten Geburtstag ihres Gemeinschaftsprojekts, denn seit 5. März 2009 stellen die beiden Chemiefirmen in Antwerpen gemeinsam umweltschonender Propylenoxid her.
Der Start dieser Anlage basiert laut Pat Dawson, Präsident von Dow Polyurethanes, auf der anhaltenden Partnerschaft von Dow und BASF. Der Erfolg: Das „HPPO-Verfahren“ (HP steht für Hydrogen Peroxide und PO für Propylenoxid) kommt ohne Chlor und ohne Koppelprodukte aus. Das Vorprodukt Propylenoxid für die Polyurethanerzeugung wird stattdessen mit Wasserstoffperoxid und einem Katalysator aus Propen hergestellt. Endprodukte sind laut den Unternehmensinformationen lediglich Propylenoxid und Wasser.
Hinter dem Verfahren verbirgt sich ein Schritt „weg von Chlor“, das bislang unter hohem Energieaufwand elektrolytisch aus Natriumchlorid gewonnen wird. Das zu den Halogenen gehörende Gas hat zudem keinen guten Ruf. Umweltverbände kritisieren oft Gesundheitsrisiken durch Dioxine, chlorierte Löse- und Kältemittel oder durch den Kunststoff PVC (Polyvinylchlorid).
Klassisch gewinnen Chemiefabriken schon seit den 30er-Jahren Propylenoxid mit dem Chlorhydrin-Verfahren. Pro t Produkt fallen dabei aber 30 t bis 40 t einer verdünnten salzhaltigen Lösung an. Und das für dieses Verfahren notwendige Chlor ist teuer.
In den 70er-Jahren wurde das alternative SMPO-Verfahren (Styrene Monomer und Propylene Oxide) entwickelt. Neben Propylenoxid bildet sich hier auch Styrol. „Clever ist, beide Substanzen gekoppelt herzustellen, solange beide gebraucht werden“, sagt Jürgen Dahlhaus, der bei der BASF für die Propylenoxid-Herstellung zuständig ist.
„Der Propylenoxidmarkt wächst aber schneller als der Polystyrolmarkt“, erklärt der Experte. So sei in den Jahren 1998 bis 2008 der Bedarf an Polystyrol im Schnitt um 1,5 % gestiegen, der an Polyurethan hingegen um 5,5 %. Der BASF sei es daher wichtig gewesen, eine Anlage zu bauen, in der im Produktionsprozess kein Styrol mehr mit anfällt.
Das war die Stunde des koppelproduktfreien HPPO-Verfahrens. Katalysator ist dabei ein titanhaltiger Zeolith, das Lösemittel ist Methanol. Die Ausbeute liegt laut den Unternehmensinformationen bei über 90 %. Nebenprodukte wie Propylenglycol, das etwa bei der Flugzeugenteisung eingesetzt wird, werden gereinigt und ebenfalls vermarktet.
Die HPPO-Anlage ist sehr wirtschaftlich zu betreiben, denn es fallen 80 % weniger Abwässer an und ein Drittel weniger Energie wird benötigt. „Wir haben die Anlage als einen Wärmeverbund konzipiert“, erklärt BASF-Verfahrensentwickler Hans Göbbel. Die Abwärme der größten Destillationskolonne, in der nach der Reaktion Methanol von Wasser abgetrennt wird, reiche aus, um alle anderen Prozessschritte energetisch zu versorgen.
Bereits 1997 hatten Fachleute im BASF-Werk in Ludwigshafen begonnen, sowohl einen Katalysator für die Reaktion zu suchen als auch Temperatur, Druck, Verweilzeit und stöchiometrische Verhältnisse der Reaktion derart zu optimieren, dass in dem neuen Produktionsverfahren wenig Nebenprodukte entstehen. Einen Trick verrät Göbbel: „Propen muss im Überschuss eingesetzt werden, damit nur ein Wasserstoffperoxidmolekül mit einem Propenmolekül reagiert.“
In Antwerpen können jetzt jährlich bis zu 300 000 t Propylenoxid hergestellt werden. Alte Anlagen wurden nicht stillgelegt, denn mit der neu hinzugewonnen Produktionskapazität soll der steigende Bedarf gedeckt werden. Die eine Hälfte der Produktion gehört der BASF, die zweite Dow Chemicals. Die BASF verarbeitet das flüssige Produkt vor Ort, Dow Chemicals verschifft es in sein 40 km entfernt gelegenes Werk im niederländischen Terneuzen. Beide Chemiefirmen können so den Vorteil der „Economy of Scale“ nutzen. R. AHRENS
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