Lediglich ein Atom dick: Chemiker entwickeln dünnste Goldschicht der Welt
Bei der Herstellung von Blattgold geht es darum, dass Gold so zu bearbeiten, dass es möglichst dünn ist. Schwedischen Chemikern ist es nun erstmals gelungen, eine Goldschicht herzustellen, die lediglich ein Atom dick ist – dünner geht es nicht.
Seit Jahrhunderten versuchen Goldschmiede, Gold in immer feinere Formen zu bringen. Doch selbst das dünnste Blattgold besteht „noch“ aus 100 bis 1000 Atomlagen. Ein moderner chemischer Ansatz hat nun ein Goldmaterial entwickelt, das aus nur einer Atomschicht besteht und damit dünner nicht sein könnte. Das Forschungsteam nennt dieses neue zweidimensionale Material „Golden“. Es besitzt einzigartige Eigenschaften, die in der herkömmlichen dreidimensionalen Form von Gold nicht zu finden sind.
Die besonderen Eigenschaften von Gold
Gold ist von Natur aus etwas Besonderes: Es ist extrem widerstandsfähig und träge, formbar und stabil. Doch in kleinste Einheiten zerlegt, die sogenannten Gold-Nanopartikel, offenbart das Edelmetall noch exotischere Fähigkeiten. Diese Nanopartikel können nahezu jede Art von Strahlung absorbieren, Kohlendioxid umwandeln und als effizienter Katalysator die Wasserstoffproduktion vorantreiben. In der Medizin werden sie bereits eingesetzt.
Eine bisher fehlende Variante ist zweidimensionales Gold, das nur eine Atomlage dick ist. In Anlehnung an das zweidimensionale Kohlenstoffgitter des Graphens wird diese Form „Golden“ genannt. Da die Goldatome in dieser einlagigen Schicht zwei freie Bindungsstellen besitzen, reagiert „Golden“ deutlich schneller als gewöhnliches Gold und könnte auch neue elektrische Eigenschaften zeigen.
„Wenn man ein Material extrem dünn macht, passiert etwas Außergewöhnliches – wie bei Graphen“, erklärt der Materialwissenschaftler Shun Kashiwaya von der Universität Linköping in Schweden. „Das Gleiche passiert mit Gold. Wie Sie wissen, ist Gold normalerweise ein Metall, aber wenn es nur ein Atom dick ist, kann das Gold stattdessen zu einem Halbleiter werden.“
2D-Gold ist Zufallsentdeckung
Gold in eine zweidimensionale Form zu bringen ist eine Herausforderung, da es dazu neigt, zu verklumpen. Frühere Ansätze endeten meist mit Schichten, die entweder mehrere Atome dick waren oder als nicht ablösbare Monolage auf einem anderen Material lagen.
Kashiwaya und sein Team hatten ursprünglich nicht vor, „Gold“ herzustellen, sondern sind eher zufällig auf die Methode gestoßen. „Ursprünglich hatten wir eine andere Anwendung für das Ausgangsmaterial im Sinn“, erklärt Lars Hultman, Materialphysiker an der Universität Linköping. „Unsere Ausgangsbasis war eine elektrisch leitende Keramik namens Titansiliziumkarbid, die in dünnen Schichten vorliegt. Wir hatten die Idee, diese Schichten mit Gold zu überziehen, um eine Verbindung herzustellen. Bei einer Wärmebehandlung ersetzte das Gold jedoch das Silizium im Grundmaterial.
Das klang zwar vielversprechend, doch beim kritischen Schritt der Herstellung einer einlagigen Goldschicht stießen sie auf Probleme. Jahrelang gelang es dem Team nicht, das eingelagerte Titan-Gold-Karbid zu bearbeiten. Die hauchdünnen Goldschichten blieben fest zwischen den Titan- und Kohlenstoffschichten eingebettet. Hier kommt eine Technik ins Spiel, die auf einer Ätzlösung namens Murakamis-Reagenz basiert. Japanische Schmiede nutzen dieses Rezept bereits seit mehr als 100 Jahren.
So funktioniert Murakamis-Reagenz
Murakami-Reagenz ist eine chemische Mischung, die in der Metallverarbeitung verwendet wird, um Kohlenstoff zu entfernen und Stahl zu färben. Diese Reaktion erzeugt die auffälligen Muster auf einigen japanischen Messern. In ihren Experimenten variierten die Forscher die Konzentration des Reagenzes und die Dauer des Ätzprozesses. Dabei stellten sie fest, dass längere Einwirkzeiten zu besseren Ergebnissen führten. Aber das war nicht das einzige Problem.
Beim Ätzen mit Murakamis Reagenz entsteht als Nebenprodukt Kaliumhexacyanoferrat. Dieses setzt unter Lichteinwirkung Cyanid frei, welches das Gold auflösen kann. Um das Gold nicht zu beschädigen, musste der Ätzprozess vollständig im Dunkeln durchgeführt werden.
Ein weiteres Problem wurde durch Zugabe eines Tensids gelöst, denn die dünne Goldschicht neigte dazu, sich zu kräuseln und zu verklumpen. Doch schließlich lagen die einlagigen Goldschichten frei. „Das Golden schwimmt in der Lösung, ein wenig wie Cornflakes in der Milch“, erläutert Kashiwaya. „Mit einer Art Sieb können wir dann die Goldschichten einfangen und mithilfe eines Elektronenmikroskops untersuchen. Das bestätigte uns, dass wir es tatsächlich geschafft hatten.“
Welche Anwendungen ermöglicht Golden?
Normalerweise ist Gold ein hervorragender Leiter für Elektrizität. Wenn das Element die Form einer zweidimensionalen Schicht annimmt, haben die Atome zwei freie Bindungen, was es zu einem Halbleiter mit leitenden Eigenschaften zwischen einem Leiter und einem Isolator macht. Diese sind nützlich, weil ihre Leitfähigkeit eingestellt werden kann.
Gold verfügt bereits über Eigenschaften, die es für chemische Anwendungen sehr wertvoll machen. Indem man ihm auch die Eigenschaften eines Halbleiters verleiht, eröffnen sich für das neue 2D-Gold laut Forschungsteam ganz neue Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel in der Wasseraufbereitung, der Kommunikation und der chemischen Produktion.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlicht.
Ein Beitrag von: