Weniger Emissionen 27.10.2024, 11:30 Uhr

Nachhaltige Chemie: So will die Branche grüner werden

Erfahren Sie, was nachhaltige Chemie bedeutet und wie sich mit grünen Verfahren und erneuerbaren Rohstoffen Emissionen reduzieren, Abfälle minimieren und die Umwelt nachhaltig schützen lassen.

grüne Chemie

Die Chemieindustrie ist in Deutschland für rund 4 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Wir schauen uns an, wie die Branche nachhaltiger, also grüner werden will.

Foto: PantherMedia / malpetr

Die chemische Industrie gehört zu den größten CO2-Verursachern. Ein Grund für uns, die sogenannte „grüne Chemie“ einmal genauer anzuschauen. Dabei geht es um umweltfreundliche Verfahren und erneuerbare Rohstoffe, um Emissionen und die Reduktion von Abfällen. Schauen wir uns an, was diese nachhaltige Chemie zu bieten hat.

Was ist nachhaltige Chemie?

Die nachhaltige Chemie bezeichnet Veränderungen in der chemischen Industrie, die darauf abzielen, chemische Prozesse und Produkte umweltfreundlicher und ressourcenschonender zu gestalten, beziehungsweise herzustellen.

Statt „nachhaltige Chemie“ wird oft auch der Begriff „grüne Chemie“ oder „grüne Technologie“ benutzt. Im Mittelpunkt stehen Arbeitsweisen, die die Auswirkungen chemischer Prozesse auf Mensch und Umwelt minimieren und gleichzeitig einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch fördern.

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Entstehung der nachhaltigen Chemie

Die Wurzeln der nachhaltigen Chemie reichen bis in die Geschichte der industriellen Revolution und des explosionsartigen Wachstums der chemischen Industrie im 19. Jahrhundert zurück. Mit dem zunehmenden Bewusstsein für Umweltauswirkungen und Ressourcenknappheit wurden die negativen Aspekte der herkömmlichen chemischen Produktion offensichtlich. Dies führte zu einem Umdenken in der Wissenschaft und Industrie, hin zu einer chemischen Praxis, die sich auf Effizienz, Umweltverträglichkeit und soziale Verantwortung konzentriert.

Nach ihren Grundprinzipien soll die nachhaltige Chemie Abfälle verringern, Energie effizient einsetzen, erneuerbare Ressourcen verwenden, weniger gefährliche Substanzen nutzen und sichere Produkte schaffen.

Was grüne Chemie für den Umweltschutz bedeutet

Die Bedeutung der nachhaltigen Chemie für den Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung ist vielschichtig. Durch Reduktion von Abfällen und den Einsatz umweltverträglicher Prozesse trägt die nachhaltige Chemie dazu bei, die Belastung von Ökosystemen zu vermindern. Gleichzeitig werden Ressourcen geschont, was zu einer langfristig tragfähigen Nutzung natürlicher Materialien beiträgt. Dies hat nicht nur ökologische, sondern auch soziale Auswirkungen, indem die Lebensqualität der Menschen verbessert wird, die von chemischen Produktionsanlagen betroffen sind, weil sie dort arbeiten oder im direkten Umkreis leben.

Die nachhaltige Chemie gilt als ein zentraler Bestandteil einer Bewegung zur nachhaltigen Entwicklung vieler Industriestaaten. Die Umstellung auf nachhaltige chemische Praktiken ist nicht nur eine wissenschaftliche Notwendigkeit, sondern laut zuständigen Behörden wie Umweltbundesamt  und verschiedenen Umwelt-NGOs eine ethische Verpflichtung, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu gewährleisten.

Fallbeispiele und Erfolgsgeschichten nachhaltiger Chemie

Ein herausragendes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz grüner Chemie in der Praxis ist die Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen unter Verwendung umweltfreundlicher Methoden. Traditionell wurden in der pharmazeutischen Industrie meist reaktive und toxische Chemikalien eingesetzt.

Ein großer Fortschritt in Richtung nachhaltiger Chemie war es, bessere Synthesemethoden bei der Herstellung von Medikamenten einzuführen. Ein konkretes Beispiel ist die Synthese des Krebsmedikaments Paclitaxel, bei dem durch den Einsatz von grünen Katalysatoren und effizienten Reaktionsbedingungen die Ausbeute verbessert und Abfallprodukte reduziert wurden.

Ein weiteres Fallbeispiel ist die Produktion von Feinchemikalien, wie zum Beispiel Aromastoffen und Duftstoffen, unter Berücksichtigung grüner Prinzipien. Durch den Einsatz nachhaltiger Katalysatoren und neuartiger Synthesewege konnte die Umweltbelastung deutlich reduziert werden. Ein Erfolgsbeispiel ist die Herstellung des Aromastoffs Vanillin aus natürlichen Ausgangsmaterialien anstelle von petrochemischen Quellen.

Die Entwicklung von grünen Lösungsmitteln ist ein weiterer Bereich, in dem die nachhaltige Chemie praktische Anwendung findet. Statt auf umweltbelastende organische Lösungsmittel zurückzugreifen, werden immer mehr Alternativen erforscht und eingesetzt. Ein Beispiel ist die Verwendung von überkritischem CO2 als umweltfreundliches Lösungsmittel in verschiedenen chemischen Prozessen, von Extraktionen bis hin zur Synthese von Materialien.

Nachhaltige Methoden und Prozesse in der organischen Synthese

In der organischen Synthese, einem zentralen Bereich der nachhaltigen Chemie, werden innovative Methoden genutzt, um die Umweltauswirkungen zu minimieren. Dazu gehören:

  • Grüne Katalysatoren: Umweltfreundliche Katalysatoren, wie beispielsweise biologisch abbaubare Metallkomplexe, die hocheffizient sind und den Gebrauch toxischer Katalysatoren reduzieren.
  • Lösungsmittelfreie Reaktionen: Minimieren den Einsatz von organischen Lösungsmitteln oder verhindern diesen komplett. Bedarf an teuren oder toxischen Lösungsmitteln entfällt.
  • Festphasenreaktionen: Verlagerung von Reaktionen auf feste Phasen, wodurch der Verbrauch von Lösungsmitteln weiter reduziert und die Effizienz erhöht wird.
  • Mikrowellen- und Ultraschalltechnologien: Energieeffiziente Methoden wie Mikrowellen- oder Ultraschall-basierte Reaktionen, verkürzen Reaktionszeiten und minimieren den Energieverbrauch.
  • Kaskadenreaktionen: Reaktionswege, bei denen mehrere Schritte in einer einzigen Reaktionssequenz durchgeführt werden, um den Materialverbrauch zu reduzieren und den Wirkungsgrad zu steigern.

Nachhaltige Chemie in der Praxis: Erneuerbare Rohstoffe und Biomasse als Ausgangsmaterialien

Die nachhaltige Chemie setzt auf erneuerbare Rohstoffe und Biomasse als nachhaltige Ausgangsmaterialien für die Synthese von Chemikalien und Materialien. Beispiele dafür sind:

  • Pflanzenöl: Öle, die aus Pflanzen wie Raps, Sonnenblumen, Sojabohnen oder Palmfrüchten gewonnen werden, dienen als Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Biodiesel und biobasierten Polymeren.
  • Zucker: Zuckerhaltige Pflanzen wie Zuckerrohr oder Zuckerrüben werden fermentiert, um Bioethanol herzustellen, das als Kraftstoff verwendet oder als Plattformchemikalie in der organischen Synthese eingesetzt wird.
  • Lignocellulose: Holz, Stroh und andere pflanzliche Abfälle enthalten Lignocellulose, die in Zucker oder andere chemische Bausteine umgewandelt werden kann. Diese Bausteine dienen als Grundlage für die Produktion von Bioenergie, Biokraftstoffen oder biobasierten Materialien.
  • Algen: Algen können als erneuerbare Quelle für Biomasse dienen. Sie können Biomasse reich an lipophilen Verbindungen, Proteinen oder Polysacchariden produzieren, die als Basis für Biodiesel, Biokunststoffe oder andere chemische Produkte dienen.
  • Biomethan: Durch die anaerobe Vergärung von organischen Abfällen, wie Lebensmittelresten oder landwirtschaftlichen Abfällen, entsteht Biomethan. Es ist nutzbar als erneuerbarer Brennstoff oder als Rohstoff für die Chemieindustrie.
  • Cellulose: Sie ist Hauptbestandteil von Pflanzenzellwänden und kann durch enzymatische oder chemische Verfahren in Zucker umgewandelt werden. Der wiederum bildet die Grundlage für die Produktion von Bioethanol oder anderen chemischen Verbindungen.

Die Verwendung dieser erneuerbaren Rohstoffe und Biomasse in der nachhaltigen Chemie trägt dazu bei, weniger abhängig von nicht erneuerbaren Ressourcen zu sein, Treibhausgasemissionen zu mindern und nachhaltigere Alternativen für verschiedene chemische Produkte zu schaffen.

Umweltauswirkungen der Chemieindustrie

Die Chemieindustrie ist eine Schlüsselakteurin in der modernen Gesellschaft, jedoch geht ihre Produktion außerhalb der nachhaltigen Chemie mit erheblichen Umweltauswirkungen einher. In Bezug auf die Luftqualität ist der Ausstoß von Schadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) ein Problem. Diese Schadstoffe können nicht nur die Luftqualität beeinträchtigen, sondern auch zu gesundheitlichen Problemen in Gemeinden rund um Produktionsstätten führen.

Die Belastung von Wasserquellen durch die Chemieindustrie ist ebenso problematisch. Das unbeabsichtigte Freisetzen von Chemikalien, sei es durch Unfälle oder unsachgemäße Entsorgung, führt zu erheblicher Wasserverschmutzung. Industrielles Abwasser enthält oft giftige Substanzen wie Schwermetalle, Lösungsmittel und andere Chemikalien, die die Ökosysteme der Gewässer bedrohen und die Wasserversorgung gefährden können.

Auswirkungen auf Böden resultieren häufig aus Unfällen oder unsachgemäßer Handhabung von Chemikalien, die zu Bodenverunreinigungen führen. Dies kann nicht nur die Bodenqualität beeinträchtigen, sondern auch landwirtschaftliche Flächen unbrauchbar machen. Darüber hinaus können bestimmte industrielle Prozesse zu Bodenversauerung führen, was die ökologische Integrität von Ökosystemen gefährdet.

Problemstoffe und persistente organische Verbindungen (POPs) stellen eine besondere Herausforderung dar. Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Cadmium können sich in der Umwelt anreichern und sowohl Ökosysteme als auch die menschliche Gesundheit gefährden. Chlorierte Kohlenwasserstoffe wie PCBs und DDT, persistent und schwer abbaubar, stellen eine langfristige Bedrohung dar.

In Bezug auf das Abfallmanagement und Recycling hat die Chemieindustrie in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. Unternehmen setzen vermehrt auf Kreislaufwirtschaft, um Abfall zu reduzieren und Rohstoffe effizienter zu nutzen. Das Recycling von Chemikalien und die Entwicklung geschlossener Kreisläufe sind wichtige Aspekte in der Branche. Dennoch ist es entscheidend, weiter innovative Technologien für die nachhaltige Chemie zu entwickeln und strenge Umweltauflagen durchzusetzen, um die Umweltauswirkungen der Chemieindustrie wirksam zu verbessern.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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