Rätsel gelöst: Warum ist römischer Beton aus früheren Zeiten so stabil?
Bekannte römische Bauwerke wie das Pantheon trotzen der Zeit. Ingenieurinnen und Ingenieure erklären ihre Stabilität mit einem besonderen Selbstheilungsmechanismus, sollten sich Risse bilden.
Bereits im alten Rom gab es Meister der Ingenieurskunst. Sie bauten riesige Netze von Straßen, von Aquädukten, von Häfen und von massiven Gebäuden, deren Überreste zwei Jahrtausende lang erhalten geblieben sind. Viele dieser Bauwerke wurden aus Beton errichtet: Das Pantheon in Rom mit der größten unbewehrten Betonkuppel der Welt, das 128 nach Christus eingeweiht wurde, ist noch immer intakt, und einige antike römische Aquädukte liefern heute noch Wasser nach Rom. Gleichzeitig sind viele moderne Betonbauten nach wenigen Jahrzehnten zusammengebrochen oder wurden aufgrund von Sicherheitsbedenken abgerissen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben jahrzehntelang versucht, das Geheimnis dieses extrem widerstandsfähigen antiken Baumaterials zu lüften, speziell bei Bauwerken, die harten Bedingungen ausgesetzt waren. Dazu gehören Abwasserkanäle und Seemauern, aber auch Bauwerke in erdbebengefährdeten Gebieten. Nun haben italienische und US-amerikanische Forschende einen entscheidenden Faktor gefunden, um die Stabilität zu erklären. Sie weisen nach, dass im Festkörper Strategien der Selbstheilung durch Nanopartikel aus Calciumcarbonat eine wichtige Rolle spielen.
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Betonmischungen aus dem alten Rom unter der Lupe
Zum Hintergrund: Viele Jahre lang gingen Forschende davon aus, dass der Schlüssel zur Stabilität des antiken Betons in einer einzigen Beimengung lag, den sogenannten puzzolanischen Stoffen. In Rom kam Vulkanasche aus der Gegend von Pozzuoli am Golf von Neapel zum Einsatz. Diese spezielle Art von Asche wurde quer durch das römische Reich verschifft. Auch in historischen Berichten tauchen Hinweise auf, dass puzzolanische Stoffe damals entscheidend waren, um Beton herzustellen.
Doch weit gefehlt: Bei näherer Betrachtung enthalten antike Proben auch kleine, markante, millimetergroße, helle Mineralien, nämlich Kalk. Neue Untersuchungen der italienischen und US-amerikanischen Arbeitsgruppen legen nahe, dass diese winzigen Kalkklumpen dem Beton eine bisher unbekannte Selbstheilungskraft verleihen.
Welche Aufgaben haben Kalkklumpen im römischen Beton?
Bei der Charakterisierung dieser Kalkklumpen mit Hilfe von hochauflösenden bildgebenden Verfahren und chemischen Kartierungstechniken gewannen die Forschenden neue Erkenntnisse über die potenzielle Funktion dieser Stoffe.
Ursprünglich waren sie davon ausgegangen, dass sich Kalk im Beton zunächst mit Wasser zu einem hochreaktiven, pastenartigen Material verbunden hat, einem Prozess, der als Löschen bekannt ist. Doch dieser Vorgang allein konnte das Vorhandensein der Kalkklumpen nicht erklären. Bei der Untersuchung von Proben des antiken Betons stellten die Forschenden fest, dass die weißen Einschlüsse in der Tat aus verschiedenen Formen von Calciumcarbonat bestehen. Und die spektroskopische Untersuchung lieferte Hinweise darauf, dass diese Substanz bei hohen Temperaturen entstanden ist, wie es bei der exothermen Reaktion zu erwarten wäre, falls gebrannter Kalk anstelle von Löschkalk zum Einsatz kommt.
Im Heißmischen sehen die Forschenden zwei Vorteile. Höhere Temperaturen ermöglichen chemische Reaktionen, die bei der Verwendung von gelöschtem Kalk nicht möglich gewesen wären. Außerdem verkürzen sich die Aushärtungs- und Abbindezeiten erheblich, da chemische Reaktionen schneller ablaufen.
Selbstheilungskräfte des historischen römischen Betons
Während des Mischvorgangs entwickeln die Kalkklumpen eine charakteristische spröde Struktur aus Nanopartikeln. Dadurch werden sie zu einer reaktiven Quelle für Calciumsalze, was Selbstheilungsfunktionen erklären könnte. Eine Hypothese der Forschenden: Sobald sich winzige Risse im Beton bilden, können die Nanopartikel bevorzugt durch Strukturen mit großer Oberfläche wandern. Dieses Material reagiert mit Wasser von außen und kristallisiert als Calciumcarbonat aus. Der Riss füllt sich wieder. Alles in allem, so die Vermutung, heilen bereits mikroskopisch kleine Risse, bevor sie sich ausbreiten und zu Schäden an Bauwerken führen.
Was für die Hypothesen spricht: Manche Betonproben aus alten römischen Gebäuden zeigen tatsächlich Risse, die sich mit Calciumcarbonat gefüllt haben. Um zu beweisen, dass dies tatsächlich der entscheidende Mechanismus ist, stellte das Team Proben von heiß gemischtem Beton her, sowohl nach antiker als auch nach moderner Rezeptur. Anschließend haben die Forschenden Risse erzeugt und Wasser durch die Struktur laufen lassen. Ihr Ergebnis war eindeutig: Innerhalb von zwei Wochen waren die Risse vollständig verheilt und das Wasser konnte nicht mehr eindringen. Ein identischer Betonblock, der ohne Branntkalk hergestellt wurde, heilte nicht, und das Wasser floss weiterhin durch die Probe. Nach diesen erfolgreichen Tests arbeitet das Team daran, modifizierte Materialien auf den Markt zu bringen.
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