So wird aus klimaschädlichem CO2 eine Bettmatratze
Zum ersten Mal nutzt ein Chemiekonzern das Klimagas CO2 als Rohstoff im industriellen Maßstab. Die Bayer-Tochter Covestro stellt aus Kohlendioxid einen Schaumstoff für Matratzen und Polstermöbel her. Die Anlage im Bayer-Werk in Dormagen ist angelaufen.
Für die Bayer-Tochter Covestro ist es der Einstieg in die industrielle Kunststoffherstellung aus Kohlendioxid: Im Werk in Dormagen ist erstmals eine Anlage in Betrieb gegangen, die das Klimagas Kohlendioxid als Rohstoff für die Produktion von Kunststoff nutzt. Sie ist in Deutschland die erste ihrer Art und soll einen Durchsatz von 5000 t pro Jahr erreichen. An der Entwicklung war auch die RWTH Aachen beteiligt.
„Das reaktionsträge Molekül Kohlendioxid in effizienter Weise chemisch zu nutzen, ist eine wissenschaftliche und technische Herausforderung“, sagte Professor Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen. „Im Zusammenspiel von anwendungsnaher Grundlagenforschung und forschungsbasierter Industrie ist uns hier ein Durchbruch gelungen.“
Bald werden wir auf CO2 schlafen können
Und wie funktioniert das neue Produktionsverfahren? Das verwendete CO2 ist ein Abfallprodukt des benachbarten Ammoniakherstellers Ineos. Ein Katalysator auf Basis von Zink spaltet es in Kohlenstoff und Sauerstoff. Anschließend fügt die Anlage Wasserstoff hinzu, sodass eine neue Form sogenannter Polyole entsteht – das sind zentrale Bausteine für Polyurethan-Schaumstoff.
Sie sind zunächst für den Einsatz in Polstermöbeln und Matratzen konzipiert. „Bald werden wir auf CO2 schlafen können“, sagte Covestro-Chef Patrick Thomas während der Eröffnung. Qualitativ ist der neue Schaumstoff angeblich mindestens so gut wie konventionelles Material, das komplett aus petrochemischen Rohstoffen und damit aus Erdöl hergestellt ist. Der CO2-Anteil in dem Schaumstoff aus Dormagen beträgt 20 Prozent.
Bundesregierung fördert Projekt mit 7,5 Millionen €
„Man muss und wird CO2 mit anderen Augen wahrnehmen“, sagte Thomas. „Seine Verwendung als alternative Kohlenstoffquelle ist die Antwort auf große Herausforderungen unserer Zeit – Ersatz zu finden für die begrenzten fossilen Ressourcen wie Öl und Gas und Stoffkreisläufe zu schließen.“
Dieser Meinung ist auch Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesforschungsministeriums, das die Hälfte der Gesamtkosten von rund 15 Millionen € übernommen hat. „Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft ist die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid ein wichtiger Schritt. Die Bundesregierung fördert die Nutzung von CO2 als Rohstoff, um die Rohstoffbasis der chemischen Industrie zu verbreitern.“
Umweltschützer kritisieren Verfahren als zu energieintensiv
Einige Umweltschützer halten die Anlage allerdings für einen ökologischen Alptraum, weil CO2 als Endprodukt der Verbrennung nur noch wenig Energie in sich trägt. Entsprechend viel Energie müsse die Anlage aufwenden, um es zu einer Reaktion zu bringen.
Hermann Fischer vom Naturschutzbund kann sich daher kaum eine ökologisch katastrophalere Strategie vorstellen. Aber es mache sich einfach gut, „mit einem Verfahren zu prahlen, welches das böse CO2 in harmlose und nützliche Verbindungen umwandelt“, sagte Hermann der Frankfurter Rundschau.
Das sieht Covestro völlig anders und verweist darauf, dass auch bei der Förderung und Verarbeitung von Erdöl als Rohstoff für Kunststoff große Mengen Energie aufgewendet werden muss. Dadurch sei das neue Verfahren zur Kunststoffherstellung sogar „umweltverträglicher als herkömmliche Produktionsprozesse“, so die Bayer-Tochter. „Dank des Katalysators und des Energiereichtums der verbleibenden Menge an petrochemischem Rohstoff muss außerdem keine zusätzliche Energie von außen zugeführt werden, um das träge CO2 zur Reaktion zu bringen.“
Sollte sich die neue Anlage bewähren, will Covestro die Produktion deutlich ausweiten. Auch andere Kunststoffe könnten aus Kohlendioxid hergestellt werden. Die Bayer-Tochter wolle Erdöl als Ausgangsstoff zunehmend durch CO2 ersetzen..
Ingenieure arbeiten weltweit an Verfahren zur Nutzung von CO2
Forscher weltweit entwickeln derzeit Strategien, um CO2 unschädlich zu machen oder als Rohstoff zu nutzen. Einem Team aus England ist es beispielsweise gelungen, das Klimagas tief unter der Erde in Karbonat zu verwandeln. „Mit dieser Methode haben wir die ultimativen Dauerspeicher – wir machen es einfach wieder zu Stein“, sagt Juerg Matter, Professor für Geoengineering an der Universität Southampton.
In Dresden steht eine erste Anlage, die aus CO2 Kraftstoff produziert. Hinter dem Projekt steht unter anderem Audi.
Eine ähnliche Anlage haben kanadische Ingenieure in Vancouver in Betrieb genommen.
Der Autohersteller Ford hat gerade angekündigt, künftig Schaumstoffe für seine Autos aus CO2 herzustellen. Und Ingenieure der ETH Zürich haben bereits ein Verfahren entwickelt, um CO2 als Wachstumsförderer in Treibhäusern einzusetzen.
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