Elektro-Lkw: Reichweite reicht jetzt schon – doch ein Problem bleibt
E-Lkw in der Praxis sind Zukunftsmusik? Fraunhofer-Forschende wollten es genau wissen und haben eine Machbarkeitsstudie in der Großstadt Berlin und dem dazugehörigen Umland gestartet. Einige der Ergebnisse überraschen.
Wie realistisch ist es, dass bald vermehrt Elektro-Lkw über die Straßen rollen? Diese Frage ist für die Begrenzung des Klimawandels natürlich von großer Bedeutung. Aber nicht nur das: Gerade in Großstädten sind die Abgase der Fahrzeuge auch eine große Belastung für die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Paketzusteller sind daher zum Teil schon mit E-Lkw unterwegs. Doch wie sieht es mit schweren Fahrzeugen aus? Forschende vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) haben eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, beauftragt durch Transport & Environment (T&E) Deutschland.
Im Projekt „ZeroEmissionDeliveries – Berlin“ haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von insgesamt 9.500 realen Lkw-Touren ausgewertet. Für den Praxistest hatten sie Partner aus Forschung und Entwicklung, Automobilbau, Logistik, Energie- und Ladeinfrastruktur an der Seite. Ihr Ziel war es, jede Route auf die Frage hin zu untersuchen, ob sie mit einem E—Lkw mit aktuell verfügbarer Akku-Reichweite ebenfalls zu bewältigen gewesen wäre. Dementsprechend hat das Team für jedes einzelne Fahrzeug der Studie ein Einsatzprofil erstellt und den entsprechenden Energiebedarf simuliert. Die Ergebnisse der Untersuchung fielen sehr unterschiedlich aus.
Neue Idee fürs Reichweitenproblem: ein Hybrid aus Elektro- und Erdgasmotor
Elektro-Lkw waren simulierter Bestandteil der Rewe-Lieferkette
Die Machbarkeitsstudie hatten die Expertinnen und Experten als notwendig angesehen, weil aktuell nur wenige Elektro-Lkw auf den Straßen unterwegs sind. Daten über Reichweiten und Ladeinfrastruktur sind also reine Theorie, Alltagserfahrungen gibt es kaum. Neben der technischen Umsetzbarkeit in der Praxis nahmen die Forschenden auch die Wirtschaftlichkeit in den Blick.
Einer der Partner der Studie war Rewe – so war es möglich, die Liefertouren der Supermarkt-Kette auszuwerten. 224 schwere Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von jeweils über zwölf Tonnen fahren regelmäßig die 543 Rewe-Filialen der Region an. Das Ergebnis überrascht: „Die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw reichen oft heute schon aus, um alle in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen. Mit einer optimierten Routenplanung und zusätzlichem Zwischenladen ist das Potenzial sogar noch größer“, sagt Patrick Plötz, der die Machbarkeitsstudie am Fraunhofer ISI geleitet hat.
Anders sieht es allerdings bei sehr schweren Lkw aus, die mehr als 26 Tonnen wiegen. Ihr Energiebedarf ist sehr hoch. Das Gleiche gilt für lange Tagestouren, die mit den aktuell verfügbaren Akkus nur schwer zu bewältigen wären. Beides wäre eine große Herausforderung. Denn das zwischenzeitliche Aufladen dürfte im regionalen Lieferverkehr aufgrund des Zeit- und Kostendrucks für die meisten Unternehmen keine realistische Option sein. Doch zumindest auf kürzeren Routen wäre der Umstieg auf Elektro-Lkw jetzt schon gut machbar.
Wer jetzt auf Elektro-Lkw umstellt, kann von Förderungen profitieren
Eine Empfehlung der Studie lautet daher, dass Logistik-Unternehmen prüfen sollten, inwieweit sie ihre Flotte zumindest in Teilbereichen – für die kürzeren Strecken – auf E-Lkw umstellen wollen. Das könnte sogar wirtschaftlich sehr interessant sein. Denn aktuell würden nach Angaben der Forscherinnen und Forscher 80% Prozent der Mehrkosten für Fahrzeuge und Infrastruktur gefördert. Hinzu kämen die steigenden Diesel-Preise. Die Wisschenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen den jetzigen Zeitpunkt daher als ideal ein, um auf Elektro-Lkw zu wechseln und gegenüber Mitbewerbern einen nachhaltigen Vorsprung zu gewinnen.
So sieht es auch Sven Wallisch, Leiter Transportlogistik Region Ost der REWE Group: „Ursprünglich war eine rein theoretische Begleitung des Projektes geplant, jetzt gehen wir bereits aktiv in die Umsetzung. Verantwortung beginnt mit ‚Tun‘.“
Mehr lesen über die Energiewende im Güterverkehr:
Ein Beitrag von: