Ammoniak als umweltfreundliches Kältemittel
Die schlimmsten Ozonkiller sind hierzulande längst verboten, doch selbst die heute üblichen synthetischen Kältemittel sind nicht frei von Tadel. Bei Lecks oder unsachgemäßer Befüllung von Kälte- und Klimaanlagen schädigen auch sie unser Klima. Eine umweltfreundliche Alternative ist Ammoniak, doch dies hat sich bisher nicht durchsetzen können. Dabei ermöglicht es, was sich viele wünschen
Klima- und Kältetechniker nennen es R717, Chemiker NH3. Die Rede ist von Ammoniak, Grundstoff der Düngemittelproduktion und zugleich ein natürliches Kältemittel. Dieses Gas hat das Potenzial, die synthetischen Kältemittel zumindest teilweise überflüssig zu machen. Dafür spricht neben physikalischen Fakten wie der hohen spezifischen Verdampfungsenthalpie und der guten volumetrischen Kälteleistung vor allem eines: NH3 hat kein Ozonabbaupotenzial und keinen Treibhausgaseffekt. Bei einer Leckage in der Klimaanlage – über Jahre und Jahrzehnte in Betrieb oft unvermeidbar – wird das Klima also nicht zusätzlich geschädigt. Zum Vergleich: Bei den in der Klimatechnik gängigen Kältemitteln R134a und R410A ist das Treibhauspotenzial (GWP) zum Beispiel über tausendmal höher als bei CO2. Ammoniak ist aber trotz der positiven Eigenschaften in Deutschland ein Stiefkind unter den Kältemitteln, denn ihm haftet ein schwerwiegender Nachteil an: Es ist giftig.
Aus diesem Grund ist Ammoniak hierzulande vor allem in Industrie und Gewerbe im Einsatz: Schlachthäuser, Tiefkühllager oder auch Brauereien setzen auf das natürliche Kältemittel. In diesen Anwendungen zählt die effizientere und somit wirtschaftlichere Kälteerzeugung. „Bei der Gebäudeklimatisierung schrecken viele noch vor Ammoniak zurück“, so Andreas Meier, President Sales für den deutschsprachigen Raum (DACH) bei GEA Refrigeration Technologies. „Bauherren, Planer und Installateure wissen oft nicht, ob und wie mit dem Kältemittel umzugehen ist. Dazu kommt, dass die meisten Kältetechniker eine herkömmliche Kupferverrohrung gewohnt sind, die bei Kontakt mit Ammoniak korrodieren würden.“ Dass Ammoniak gar nicht erst durch das Gebäude fließen muss – besser: sollte –, wissen Entscheider und Installateure häufig nicht.
Ammoniak als Kältemittel: Freundlich zur Umwelt, giftig für den Menschen
Der Königsweg ist, den Einsatz von Ammoniak auf den Bereich zu beschränken, der am leichtesten beherrschbar ist und wo das Kältemittel den größten Nutzen bietet: auf die Kältemaschine. Kaltwassererzeuger arbeiten mit Ammoniak effizienter als die meisten konventionellen Maschinen und erreichen beispielsweise einen ESEER (European Seasonal Energy Efficiency Ratio) von acht bis neun, abhängig von den gewählten Betriebsbedingungen. In das ESEER fließen, anders als beim Volllastwirkungsgrad, auch die für Klimaanlagen typischen Teillastfälle in die Berechnung ein. Der Kaltwassererzeuger kann die Kälte mithilfe eines Wärmeübertragers an einen ungefährlichen Kälteträger übergeben. Für die Hausinstallation kommt hierfür zum Beispiel ein Wasser-Glykol-Kreislauf für den Transport der Klimakälte durch das Gebäude infrage.
Das durch Ammoniak gegebene Gefahrenpotenzial beschränkt sich bei der sachgemäßen und vorschriftsgerechten Ausführung also auf den Standort des Kälteerzeugers. Das kann das Dach sein – hier würde entweichendes Ammoniakgas aufgrund des geringen spezifischen Gewichts nach oben in die Luft aufsteigen – oder ein abgeschotteter bzw. nur von außen zugänglicher, anschließbarer Technikraum. Bei beiden Aufstellvarianten haben nur befugte Personen Zutritt zu den Anlagen, und diese können gezielt im Umgang mit Ammoniak geschult werden. „Zum sicheren Umgang gehört vor allem zu wissen, wie man sich bei Leckagen vor dem Gas schützt“, erklärt Meier. Eine Atemschutzmaske muss daher an jedem Technikraum griffbereit sein, in dem Ammoniak zum Einsatz kommt. Sie aufzusetzen vergesse so schnell keiner, fügt Meier hinzu, denn „Ammoniakgas ist wegen seines stechenden Geruchs schon in einer Konzentration wahrnehmbar, die Faktor zehn unter dem Arbeitsplatzgrenzwert liegt.“ Bevor es zu einer Vergiftung kommt, müsste die Gaskonzentration auf ein Vielfaches des Arbeitsplatzgrenzwerts steigen. Der Kälteexperte betont: „Die Gefährdung von Büromitarbeitern oder Publikum ist somit ausgeschlossen und das Risiko für das Technikpersonal beherrschbar“, und fügt hinzu: „Tag für Tag gehen wir im Alltag mit leicht entzündbaren und gesundheitsschädlichen, kanzerogenen Stoffen um, wenn wir unser Fahrzeug mit Benzin betanken.“
Ammoniak: Gefahren durch Gasdetektor und Absaugvorrichtung entschärfen
Wer das Gefahrenpotenzial weiter reduzieren möchte, kann die „Hosenträger-plus-Gürtel“-Lösung in Erwägung ziehen. Neben der obligatorischen Entlüftung des Technikraums kann hierfür ein eingehauster Kaltwassererzeuger mit Gasdetektor und einer eigenen Absaugvorrichtung installiert werden.
So würde Gas bei einem eventuellen Ammoniakleck im Kältekreis kaum Chancen haben, die Luft des Technikraums zu kontaminieren. Teuer ist diese Sicherheitstechnik nicht. Doch der sinnvolle Einsatz von Ammoniak findet trotzdem seine Grenzen: Als kostenintensiv entpuppt sich nämlich die Tatsache, dass hochwertige Komponenten und ein verschweißter Stahlkreislauf in einem Ammoniak-Kaltwassererzeuger erforderlich sind. Daher lohne sich solch eine Maschine in der Klimatechnik erst ab einer Kälteleistung von etwa 100 kW, denn im Gegensatz zur Industrie, wo ganzjährig Kältebedarf besteht, arbeitet ein Flüssigkeitskühlsatz in einem Hotel, Bürogebäude oder Shoppingcenter oft im Teillastbereich und wird in den Wintermonaten sogar ganz ausgeschaltet.
Natürliche Kältemittel wie Ammoniak werden noch selten eingesetzt
Noch sind es wenige, die in der Klimatechnik auf natürliche Kältemittel setzen. Doch es werden immer mehr. Umweltbewusste Haustechniker und kostenbewusste Planer in Deutschland erkennen die Vorteile, und Referenzen aus dem Ausland zeigen, dass ein klimaschonendes Klimatisieren machbar und sinnvoll ist. In der Schweiz und in den nordeuropäischen Ländern haben Verbote oder höhere Kosten für synthetische Kältemittel dem Ammoniak den Weg geebnet. „In Deutschland ist es nur eine Frage der Zeit – oder der Gesetzgebung – bis Ammoniak mehr Akzeptanz findet“, sagt Meier.
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