Anorganische Elektroden nach Maß – Mit organischer Deckschicht
Leitfähige organische Moleküle verbessern die Eigenschaften von Gold- und Silberelektroden. Das berichten Forscher aus Marburg. Sie zeigen, dass ihre Systeme auch unter Alltagsbedingungen funktionieren.
Mit organischen Molekülen lassen sich die Eigenschaften anorganischer Elektroden präzise steuern. Je nach verwendeter Substanz änderte sich die Energie-Barriere von Elektronen beim Übergang vom Metall in den organischen Halbleiter, berichten die Forscher der Universität Marburg. Damit lassen sich maßgeschneiderte Elektroden entwickeln.
Bei der organischen Elektronik arbeiten Forscher mit halbleitenden aromatischen Moleküle, von denen es Tausende Vertreter gibt. Elektrische Leitfähigkeit setzt Ladungsträger voraus. Das sind im Fall von organischen Molekülen konjugierte Doppelbindungen, also C=C-Doppelbindungen mit jeweils einer C-C-Einfachbindung dazwischen. Sie erstrecken sich über das gesamte Molekül. Als eigentliche Ladungsträger fungieren wie bei Halbleitern Defektelektronen, die man durch chemische Dotierung einbringt.
Bei der Kombination mit Metallelektroden gab es vor allem durch den Kontaktwiderstand an der Grenzfläche zwischen Metallelektroden und organischem Halbleiter Schwierigkeiten. Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg lösten die Probleme, indem sie organische Moleküle, sogenannte Phthalocyanine, als monomolekulare Schicht auf einkristalline Gold- und Silber-Elektroden aufbrachten. Trotz der geringen Dicke erwies sich die Schicht als erstaunlich stabil.
Präzise Steuerung der Energiebarriere
Messungen zeigten, welche Potenziale das System hat, indem Forscher zwei Stellschrauben veränderten. Änderten sie die prozentuale Bedeckung ihrer Elektroden mit Phthalocyaninen, konnten sie die Energiebarriere für elektronische Übergänge zwischen dem Metall und dem Halbleiter präzise steuern. Noch stärkeren Einfluss hatten Varianten bei der Chemie. Unterschiedliche Moleküle führten zu unterschiedlich starken Änderungen der Barriere. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der richtigen Moleküle und bei sorgfältiger Präparation eine genaue Kontrolle der Grenzfläche zwischen Metall und Halbleiter möglich ist“, sagt Gregor Witte. Der Professor für Festkörperphysik forscht an der Uni und hat das Forschungsprojekt geleitet.
Wie sein Team gezeigt hat, steckt ein großes Potenzial in Phthalocyaninen. Die Molekülklasse wurde erstmals 1907 beschrieben und ab 1928 synthetisiert. 1934 begann die gezielte Produktion von Kupferphthalocyanin als Farbstoff. Über Jahrzehnte hinweg haben Chemiker diverse Synthesemethoden entwickelt. Dazu gehören neben nasschemischen Methoden auch elektrochemische Verfahren. Als weitere Energiequellen kommen Laser, UV-VIS- oder Mikrowellenstrahlung infrage. Dank der gezielten Verfahren gelingt es heute, Hunderte Vertreter der Molekülklasse herzustellen. Konjugierte Doppelbindungen erklären sowohl die Farbigkeit als auch die elektrischen Eigenschaften.
Ergebnisse vom Labor in die reale Welt übertragen
Ein idealisiertes Modellsystem ist für theoretische Überlegungen wichtig. Die Wissenschaftler stellten sich jedoch die Frage, welche Eigenschaften Systeme unter weniger idealen Bedingungen haben. Das sind beispielsweise polykristalline statt monokristalliner Elektroden. Und Sauerstoff der Luft könnte Ergebnisse aus Messungen im Vakuum verändern. Lassen sich die Moleküle erneut korrekt anordnen, wenn sie durch Lufteinwirkung in Unordnung geraten sind? Denn Elektronik-Bauteile müssen eben auch unter realen Bedingungen funktionieren.
Das Team untersuchte deshalb, ob im Labor gemessene Effekte auch auf polykristallinen Elektroden auftreten. Eine andere Befürchtung war, dass Luft die Ordnung auf Elektrodenoberflächen irreversibel stört. Das war nicht der Fall. Glühten Wissenschaftler ihr System im Vakuum aus, konnten sie die molekulare Ordnung wiederherstellen. Dieser Befund belege, dass der Ansatz auch in einer echten Fertigungsreihe funktionieren könne, erklärt Witte.
Technik mit Potenzial – aber noch offene Fragen
Bei Ingenieuren gilt die organische Elektronik nämlich als Technologie mit großem Potenzial und zwar aus mehreren Gründen. Sie ermöglicht es, preisgünstige Komponenten herzustellen, etwa für Wegwerfprodukte wie RFID-Chips. Außerdem lassen sich mit Polymeren Werkstücke produzieren, die mit klassischen Halbleitern nicht möglich wären. Besonders groß ist das Interesse an Folien. Dem stehen einige Nachteile gegenüber. Aussagen zur Lebensdauer organischer Komponenten lassen sich nicht treffen. Wie lange Daten stabil sind, bleibt ebenfalls offen. Bekannte Probleme mit Elektroden konnten zumindest geklärt werden. Witte: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der richtigen Moleküle und bei sorgfältiger Präparation eine genaue Kontrolle der Grenzfläche zwischen Metall und Halbleiter möglich ist.“
Weitere News zu organischer Elektronik:
- Data Mining hilft bei der Suche nach organischen Halbleitern
- Schaltkreise lassen sich biegen und dehnen
- Dieser Oled-Fernseher lässt sich einfach zusammenrollen
Ein Beitrag von: