Automobilindustrie wagt gemeinsame RFID-Wege
Die Automobilindustrie verwendet RFID-Systeme vor allem in geschlossenen Kreisläufen. Jetzt will ein Konsortium im vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt RAN (RFID-based Automotive Network) einen Datenpool für den unternehmensübergreifenden Austausch von Identifikationsdaten schaffen. Das soll die Zusammenarbeit innerhalb der komplexen Produktions- und Lieferkette erleichtern.
„Was wir vor allem brauchen, sind Standards, die einen unternehmensübergreifenden Austausch von Ident-Daten in der Automobilindustrie erleichtern.“ Das sagt Michael Patocka, Projektleiter von RAN (RFID-based Automotive Network) und Manager RFID-basierte Prozesse bei Daimler.
Denn an der Produktion und Auslieferung eines Autos sind viele Unternehmen beteiligt: Ein komplexes Netz aus Automobilherstellern, Zulieferern und Logistikdienstleistern arbeitet in schwer zu durchschauenden Prozessen, in denen etwa der aktuelle Standort oder der Bearbeitungsstatus von Bauteilen für ein Fahrzeug nur mit hohem Aufwand herauszubekommen ist. Verzögerungen aber wirken sich immer auf die nachfolgenden Lieferketten aus. Außerdem: Wer nicht genau weiß, welche Teile in welchem Auto verbaut sind, hat Schwierigkeiten bei Rückrufaktionen.
„Bislang setzen Unternehmen RFID-Systeme hauptsächlich in geschlossenen Kreisläufen ein“
RFID scheint zur Lösung dieses Problems wie geschaffen. Aber: „Bislang setzen Unternehmen RFID-Systeme hauptsächlich in geschlossenen Kreisläufen ein. Komplexere Lösungen bleiben meist Insellösungen“, sagt Patocka gegenüber den VDI nachrichten. „Einen branchenweit standardisierten Austausch von Auto-ID-Informationen zwischen Automobilherstellern, Logistikdienstleistern und Zulieferern gibt es bislang noch nicht.“
Das Projekt RAN soll das ändern und damit die gesamte deutsche Automobilindustrie nach vorne bringen. Das erhofft sich auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das das Forschungsprojekt mit 20 Mio. € fördert.
Automobilbau: RFID-Datenaustauschplattform Infobroker soll Transparenz in der Prozesskette schaffen
Im Zentrum von RAN steht eine Datenaustauschplattform, genannt Infobroker. Dahinter verbergen sich dezentrale Repositories (Datenspeicher), in die an der Prozesskette beteiligte Unternehmen ihre per RFID erfassten objektbezogenen Daten einspeisen und zugleich auslesen können. Datenformate und Schnittstellen sind standardisiert. Ein Blick in den Infobroker informiert z. B. Zulieferer rechtzeitig über den genauen Materialbedarf der Hersteller. Engpässe und Lieferschwierigkeiten lassen sich so viel schneller erkennen, Gegenmaßnahmen greifen früher.
Ein Prototyp für ein solches System war auf der CeBIT bereits zu sehen: Ein Ortungssystem lokalisiert Standort und Status der Fahrzeuge, die zur Nachbearbeitung anstehen. Dadurch sind sie schneller auffindbar, Logistikdienstleister erhalten Informationen über Verzögerungen.
Das Besondere in technischer Hinsicht: Das Ortungssystem des US-Herstellers Mojix nutzt passive und damit preisgünstige RFID-Tags für die Ortung. Andere vergleichbare Lösungen verwenden teurere aktive Tags. Ebenfalls zur CeBIT präsentierten RAN-Projektmitglieder eine RFID-Weste mit integrierter RFID- und GSM-Antenne, die das Lesegerät ersetzt. Dieses easyTracing-System hält die Position abgestellter Fahrzeuge automatisch fest, und der Mitarbeiter behält beide Hände frei.
Noch müssen die in sechs Anwendungsfällen geplanten Prototypen ausgearbeitet und mit dem Infobroker verbunden werden. Wer sich in Zukunft beteiligen will, soll es leicht haben. Dafür sorgt ein klar definiertes Rollenkonzept. „Wir definieren Rollen wie ‚Automobilhersteller‘, ‚Zulieferer‘ und ‚Logistikdienstleister‘. Zukünftige Teilnehmer sollen sich ganz einfach per Plug and Play andocken können“, so formuliert Patocka das angestrebte Ziel.
RAN-Priorität: Den wirtschaftlichen Nutzen von RFID in unternehmensübergreifenden Prozessen nachweisen
Transparente Prozesse sollen Kosten sparen. Ganz oben auf der Prioritätenliste des Projekts RAN steht daher die Anforderung, die Wirtschaftlichkeit von RFID in unternehmensübergreifenden Prozessketten zu belegen. „Wir müssen nachweisen, dass die Ansätze, die wir haben, wirtschaftlich sind“, sagt Patocka. Das Ziel: Nutzer sollen mithilfe eines Software-Tools schnell errechnen können, welchen Nutzen sie mit RFID im Verbund erreichen können.
Einen großen Vorteil sieht Patocka für Zulieferer, die mehrere Automobilhersteller beliefern: Bislang müssen die nämlich die Besonderheiten ihrer Kunden beachten und gegebenenfalls mehrere RFID-Tags auf ihre Paletten kleben. Einfacher wird dies, wenn sich alle an diesem gemeinsamen Datenpool beteiligen.
Noch ist das nicht der Fall. Das Konsortium setzt sich zwar aus zahlreichen Marktteilnehmern zusammen (siehe Kasten), aber einige fehlen, z. B. Volkswagen oder Ford. Ein noch nicht gelöstes Problem liegt in der Verwendung unterschiedlicher Nummerierungssysteme: Während sich RAN und die dort beteiligten Unternehmen auf den Elektronischen Produktcode (EPC) der Organisation GS1 fokussieren, setzt Volkswagen auf Nummerierungssysteme, die u. a. mit dem Branchenverband VDA ausgearbeitet wurden und auf den ISO-RFID-Standards basieren. Die sind aber nicht mit dem EPC kompatibel.
„Wir arbeiten derzeit daran, die ISO-Nummerierung in unser Projekt zu integrieren, um alle von RAN zu überzeugen“, betont Patocka.
Auch andere Marktteilnehmer schätzen die Chancen für RAN positiv ein: „Das Zusammenspiel zwischen Automobilherstellern, Logistikdienstleistern und Zulieferern ist in dieser Komplexität noch nie angegangen worden“, erklärt Wolf-Rüdiger Hansen, Geschäftsführer des Verbands der AutoID-Industrie AIM-D. „Hier hat RAN aufgrund der Beteiligung maßgeblicher Unternehmen große Chancen, diese Bemühungen zum Erfolg zu führen.“
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