Bosch gibt überraschende Mega-Investition bekannt
Zulieferer Bosch wittert ein gigantisches Geschäft und reagiert auf den eklatanten Halbleiter-Mangel. 400 Millionen Euro will das Unternehmen allein 2022 in die Produktion investieren.
Der extreme Halbleiter-Mangel wirbelt die Weltwirtschaft durcheinander: Preise für Elektronikartikel nehmen Ausmaße an, die vor wenigen Jahren kaum jemand hätte vorhersehen können und ganze Branchen werden zu Produktionsstopps gezwungen, weil notwendige Chips fehlen. Die Autoindustrie etwa hat seit vielen Monaten arg mit dem Chipmangel zu kämpfen, mehrere große Werke mussten zwischenzeitlich schließen, andere produzieren „auf Halde“. Zulieferer Bosch wittert ein gigantisches Geschäft und will seine Halbleiterproduktion jetzt massiv ausbauen.
Tatsächlich sind die Auswirkungen des Chip-Mangels eklatant: Sie verlangsamen nach Experten-Einschätzung eine Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Krise. Bereits im Mai hatte zum Beispiel US-Autokonzern Ford seine Produktion in den Werken in Köln-Niehl vorübergehend komplett gestoppt, weil es keine Halbleiterchips mehr gab. Und auch andere Autokonzerne wie Audi und Daimler haben bereits Produktionseinschränkungen wegen der Lieferengpässe von Halbleitern angekündigt. Bosch investiert nun im kommenden Jahr 400 Millionen Euro zusätzlich in seine Chipfertigung an mehreren Standorten:
- Das 300-Millimeter-Halbleiterwerk in Sachsens Hauptstadt Dresden soll schneller ausgebaut werden
- Im baden-württembergischen Reutlingen nahe Stuttgart entstehen laut Bosch 4.000 Quadratmeter neue Reinraumfläche bis Ende 2023. Hier sollen nach Angaben des Unternehmens 150 neue Stellen in der Halbleiterentwicklung geschaffen werden
- Im malaysischen Bundesstaat Penang baut Bosch ein neues Testzentrum: Ab 2023 sollen dort fertige Halbleiter-Chips und Sensoren getestet werden
„Der Bedarf an Halbleitern wächst weiter rasant. Gerade in der aktuellen Lage bauen wir deshalb die Fertigung von Halbleitern konsequent aus, um unsere Kunden bestmöglich zu unterstützen“, sagte Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Bosch eröffnet modernste Chipfabrik in Dresden
Gerade einmal vier Monate ist es her, dass Bosch in Dresden die modernste Chipfabrik Europas eröffnet hatte. Das hat sich das Unternehmen eine Menge kosten lassen: Mit über einer Milliarde Euro ist Halbleiterfertigungswerk die größte Einzelinvestition in der Geschichte von Bosch. Mit der neuerlichen Investition will der Zulieferer die Produktion weiter ankurbeln. „Unser Ziel ist es, die Produktion von Halbleitern in Dresden früher als geplant hochzufahren und gleichzeitig die Reinraumkapazität in Reutlingen zu erweitern. Jeder zusätzliche Chip aus unserer Produktion hilft in der aktuellen Situation“, sagt Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger.
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Am Standort Reutlingen wird demnach die Reinraumfläche von aktuell 35.000 Quadratmetern in zwei Schritten um mehr als 4.000 Quadratmeter vergrößert. In einem erstem Schritt wurde die Fertigungsfläche für 200-Millimeter-Wafer um 1.000 Quadratmeter auf jetzt insgesamt 11.500 Quadratmeter bereits erweitert, die Produktion von Halbleitern auf der neuen Fläche läuft bereits seit September. Damit habe man die die Fertigungskapazität für 200-Millimeter-Wafer schon um rund 10% erhöht, so Kröger.
Große Nachfrage nach MEMS-Sensoren
Wafer sind flache, hauchdünne Scheiben aus einem Halbleitermaterial wie etwa Silizium oder Germanium. Sie bilden die Basis für integrierte Schaltungen und sind das Ausgangsprodukt bei der Chipherstellung. Die etwa einen Millimeter dünnen Scheiben werden aus sogenannten Ingots, das sind gezüchtete Siliziumkristalle in Zylinderform, ausgesägt.
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Die Investition hierfür betrug in diesem Jahr 50 Millionen Euro. Damit reagiert das Unternehmen vor allem auf die gestiegene Nachfrage nach Siliziumkarbid-Leistungshalbleitern und MEMS-Sensoren. Diese Sensoren sind in der Automobilindustrie nahezu unverzichtbar, außerdem werden sie in Smartphones und andern Elektronikartikeln wie etwa Smartwatches und Fitness-Trackern eingesetzt.
Bosch: Zentrum in Penang soll Lieferzeiten in Asien verkürzen
Auf dem Festlandstreifen des Bundesstaats Penang in Malaysia will Bosch ein eigenes Testzentrum bauen: Ab 2023 sollen hier Halbleiterchips und Sensoren getestet werden. Dafür stehen nach Angaben des Unternehmens 100.000 Quadratmeter Grundstücksfläche zur Verfügung. Die zusätzlichen Testkapazitäten in Penang sollen einerseits Freiräume schaffen, um in den bestehenden Halbleiterfabriken neue Technologien ansiedeln zu können, wie Siliziumkarbid-Halbleiter in Reutlingen. Andererseits erhofft sich Bosch durch den neuen Standort in Asien kürzere Lieferzeiten für Chips.
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Die Halbleiterknappheit entstand unter anderem wegen der sprunghaft gestiegenen Nachfrage nach Notebooks und anderer Computer-Technik während der Corona-Pandemie. Die Autoindustrie hat in besonderem Maße darunter zu leiden, wobei die Problematik dort ein Stückweit auch hausgemacht ist. Denn im Corona-Jahr 2020 hatten viele Hersteller während der Produktionsstopps auf Zukäufe von Bauteilen wie Halbleiterchips verzichtet, vor allem aus Spargründen. Hersteller aus anderen Branchen – Smartphone-, Fernseher-, Laptop-Produktion – haben die überaus knappen Rohstoffe den Autobauern zwischenzeitlich vor der Nase weggekauft.
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