Data Mining hilft bei der Suche nach organischen Halbleitern
Forscher an der Technischen Universität München (TUM) suchen mit einem neuen Verfahren nach organischen Verbindungen, die unter anderem Silizium in elektronischen Bauteilen ersetzen könnten.
Klassische Solarzellen werden aus Silizium hergestellt. Das Material hat sich zwar bewährt, gilt jedoch nicht als die optimale Lösung. Denn zum einen ist Silizium verhältnismäßig starr und spröde. Zum anderen muss viel Energie aufgewendet werden, um es über die verschiedenen Verfahren zu gewinnen. Organische Halbleitermaterialien sind im Vergleich leichter und flexibler. Eine ernsthafte Alternative für die Produktion von Solarzellen können sie jedoch nur werden, wenn sie einen ausreichenden Wirkungsgrad erreichen und in puncto Lebensdauer mithalten können. Ein Team an der TUM hat nun einen Weg gefunden, die Suche nach geeigneten organischen Halbleitern zu beschleunigen.
Forscher berechnen Leitfähigkeit am Computer
Geeignete organische Verbindungen könnten nicht nur in Solarzellen zu besseren Ergebnissen beitragen. Beispielsweise werden sie auch für Displays eingesetzt oder für lichtemittierende Dioden (OLED). Im Fokus des Teams um den Chemiker Karsten Reuter stehen dabei organische Verbindungen, deren zentrales Gerüst auf Kohlenstoffatomen basiert. Für die Wissenschaftler gleicht die Forschung jedoch der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Denn die Moleküle und die aus ihnen gebildeten Materialien haben sehr unterschiedliche Eigenschaften, abhängig von der genauen Struktur und Zusammensetzung der Moleküle. Dementsprechend gibt es zahllose Kombinationsmöglichkeiten und vermutlich viele aussichtsreiche Kandidaten für die gewünschten Anwendungen. „Ein großes Problem war es bisher, diese aufzuspüren“, sagt Reuter. „Es dauert Wochen bis Monate, ein neues Material im Labor herzustellen, zu testen und zu optimieren. „Mit Computational Screening können wir diesen Prozess enorm beschleunigen.“
Die Forscher haben also Reagenzgläser und Bunsenbrenner zunächst beiseite gelegt. Stattdessen arbeiten sie mit einem leistungsstarken Rechner und nutzen entsprechende Algorithmen, um Daten zu analysieren. Diese sind bereits vorhanden und stammen aus der Cambridge Structural Database. Neu ist jedoch die gezielte Suche nach Zusammenhängen und Mustern – Data-Mining genannt. Der englische Begriff Mining stammt ursprünglich aus dem Bergbau und heißt übersetzt so viel wie „Abbau“ oder „Gewinnung“. Es geht also darum, wichtige Informationen aus dem Datenmaterial zu gewinnen. „Entscheidend beim Data-Mining ist, dass man weiß, wonach man sucht“, erklärt der Projektleiter Harald Oberhofer. „In unserem Fall ist es die elektrische Leitfähigkeit. Eine hohe Leitfähigkeit sorgt beispielsweise dafür, dass in der Photovoltaik-Zelle viel Strom fließt, wenn Sonnenlicht die Moleküle anregt.“
Künstliche Intelligenz designed neue Verbindungen
Mit den extra programmierten Algorithmen suchen die Wissenschaftler nach bestimmten physikalischen Parametern, die in einem Zusammenhang mit der Leitfähigkeit stehen. Ein Beispiel ist die sogenannte Kopplung. Je größer dieser Wert ist, desto schneller wandert ein Elektron von einem Molekül zum nächsten. Ein weiterer Faktor ist die Reorganisations-Energie: Wird einem Molekül elektrische Ladung zugeführt, muss es seine Struktur an diese neue Ladung anpassen, es muss sich also reorganisieren. Für diesen Prozess wendet es wiederum Energie auf. Je weniger es dafür braucht, desto besser ist die Leitfähigkeit, da weniger Energie „verloren“ geht.
Auf diese Weise haben die Forscher bereits Struktur-Daten von etwa 64.000 organischen Einkristallen analysiert und in Clustern zusammengefasst. Dabei haben sie festgestellt, dass zwei Faktoren die Leitfähigkeit entscheidend beeinflussen, nämlich sowohl das Kohlenstoff-basierte Gerüst der Moleküle als auch die „funktionalen Gruppen“, also die Verbindungen, die seitlich am zentralen Gerüst hängen. Die Cluster zeigen dementsprechend, welche Gerüste und welche funktionalen Gruppen einen guten Ladungstransport erlauben und damit besonders geeignet sind für die Entwicklung elektronischer Bauteile. „Damit können wir jetzt nicht nur die Eigenschaften eines Moleküls voraussagen, sondern auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz neue Verbindungen designen, bei denen sowohl Gerüst als auch funktionale Gruppen eine sehr gute Leitfähigkeit versprechen“, erklärt Reuter. Im nächsten Schritt wird es an die praktische Umsetzung gehen – die am Computer neu gestalteten Moleküle werden im Labor hergestellt und ihre Leitfähigkeit in der Praxis getestet.
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