Elektrische Antriebstechnik bietet viel Energiesparpotenzial
In der Diskussion um die Energiewende und Energieeffizienz wird die elektrische Antriebstechnik immer wichtiger. Hier fühlt sich die deutsche Elektroindustrie besonders gut aufgestellt, wie die erste Fachkonferenz zur Produktion elektrischer Antriebe kürzlich in Nürnberg zeigte. Die Fachmesse SPS/IPC/Drives wird diese Aussage untermauern.
Damit die Energiewende gelingt, braucht es die Produkte der deutschen Elektroindustrie. „Das ist eine Industrie mit großem Potenzial, weil sie mithilft, Lösungen für die größte gesellschaftliche Herausforderung, die Energiewende, zu entwickeln. Ohne die technischen Fähigkeiten der Elektroindustrie wird es keine effektive Klimaschutzpolitik geben“, so Staatssekretär Udo Paschedag vom NRW-Klimaschutzministerium.
„Die Möglichkeiten der Energieeinsparung durch intelligente Technologien wie der Antriebstechnik sind enorm, ob in der Gebäudeautomation, in der Produktion oder der Haustechnik. Wir haben längst nicht alle Energieeffizienzpotentiale ausgeschöpft“, ergänzte Frank-Michael Baumann, Geschäftsführer der Energie-Agentur NRW. Besonders bei öffentlichen Investitionen, die immer auch Vorbild sein sollten, müsse das Augenmerk nicht nur auf den reinen Anschaffungskosten, sondern auf den gesamten Lebenszykluskosten einschließlich Energiekosten liegen.
In Deutschland arbeiten 45 000 Menschen an elektrischer Antriebstechnik
In Deutschland fertigen laut Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), Frankfurt, rund 130 Unternehmen mit rund 45 000 Beschäftigten Komponenten und Systeme der elektrischen Antriebstechnik, sie bedienen damit rund ein Drittel des weltweiten Bedarfes an Elektromotoren. Etwa zwei Drittel der Hersteller zählen zu den mittelständischen Firmen, die mit kundenspezifischen Produkten einschließlich Antriebsregelungen einen jährlichen Umsatz von bis zu 25 Mio. € erzielen. Etwa ein Drittel erwirtschaften zwischen 25 Mio. € und 175 Mio. € mit Standardprodukten und Sondermaschinen. Daneben gibt es ein halbes Dutzend Großfirmen mit breitgefächertem Angebotsspektrum, von Komponenten bis hin zu kompletten Systemen.
„Durch elektronische Regelung und Energiesparmotoren ließen sich in Industrie, Gewerbe und öffentlichen Einrichtungen 38 Mrd. kWh Strom jährlich einsparen. Die Belastung der Umwelt würde nach aktuellem Kraftwerksmix um jährlich 23 Mio. t CO2 vermindert“, stellte ZVEI-Geschäftsführer Werner Blaß dazu fest. Auch Jörg Franke, Leiter des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sieht das größte Potenzial für Energieeinsparungen bei elektrischen Antrieben, da sie rund 60 % der Energie verbrauchen. „Mit geregelten Antrieben in Lüftern, Pumpen oder Förderanlagen lässt sich der Energieverbrauch signifikant reduzieren. Innovative Motorenkonzepte mit Permanentmagneten oder Kupferrotoren sind effizienter und sparen so deutlich elektrische Energie. Auch die Substitution hydraulischer, pneumatischer oder Verbrennungsmotor-basierter Antriebe durch elektrische verbessert die Energieausbeute erheblich“, so Franke.
Elektrische Antriebstechnik bewegt 100 Mio. Haushaltsgeräte
Auch steigende Ansprüche an Komfort und Lebensqualität lassen sich laut Franke durch Elektroantriebe erfüllen: „In Deutschland werden 100 Mio. Haushaltsgeräte mit Elektromotoren betrieben, Tendenz steigend. Entsprechend hoch sind die Optimierungspotenziale, die mit energiesparenden und leistungsstarken Motoren in Wasch-, Trocken- oder Spülmaschinen erzielbar sind.“ Daneben ergäbe sich aus der fortschreitenden Gebäudeautomation mit Klimaanlagen, elektrischen Rollläden, Fenster- und Lüftersteuerungen oder Heizungsthermostaten ein steigender Bedarf an spezialisierten Antriebslösungen.
Die fortschreitende Automatisierung von Produktions- und Logistikprozessen schließlich sorgt für einen wachsenden Bedarf an dynamischen und hochgenauen elektrischen Antrieben in Werkzeug- oder Druckmaschinen, Automatisierungssystemen sowie in der Prozessautomatisierung. Auch zur Materialhandhabung in Förderanlagen wie Gabelstapler oder Kräne sind elektrische Antriebe eine wichtige Basistechnologie.
Eng verknüpft mit einer Optimierung der Antriebsfunktionen ist die Optimierung der Produktionsprozesse, denn neue Motorkonzepte erfordern auch angepasste Fertigungsverfahren. „Ziele sind weiterhin reduzierte Herstellkosten und Materialeinsatz wie seltene Erden sowie gleichzeitig steigende Produktqualität. Dazu ist die Recyclingfähigkeit der Antriebskomponenten zu verbessern, gesundheitsschädliche Stoffe sind zu eliminieren und für umweltgefährdende Fertigungsprozesse sind Alternativen zu entwickeln“, forderte Franke.
Forscherkreis soll innovative, elektrische Antriebskonzepte für die Industrie entwickeln
Für zielorientierte Lösungen dieser Fragen sind interdisziplinäre Kooperationen von Elektrotechnik, Maschinenbau, Fertigungstechnik und Informatik zwingend erforderlich. „Derzeit gibt es in Deutschland kein Forschungsinstitut, das sich in der Breite mit diesen Punkten befasst. Deshalb bauen wir zusammen mit den hiesigen Fraunhofer-Instituten einen interdisziplinären Forscherkreis auf“, unterstrich Franke. Für den Wissenstransfer in die industrielle Praxis werde ein bayerisches Technologiezentrum für elektrische Antriebstechnik mit zugehöriger Leistungselektronik in Nürnberg sorgen. Ziel sei, die Entwicklung innovativer elektrischer Antriebskonzepte und der Produktionstechnologien bis hin zu Kleinserien zu fördern und die gewonnenen Erkenntnisse in industrielle Anwendungen zu übertragen.
Erstes Resultat dieser Anstrengungen war die Ausrichtung der ersten „Electric Drives Production Conference“ mit 350 Teilnehmern vom 27. bis 30. September auf dem Campus der Universität Nürnberg. Die nächste Veranstaltung ist für Mitte Oktober 2012 auf dem Nürnberger Messegelände geplant und soll die SPS/IPC/Drives sowohl von der Konferenz als auch der Ausstellung her thematisch ergänzen.
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