Forscher: Leiterplatten aus Lignin ohne erdölbasierte Zusätze entwickeln
Bio-Werkstoffe erfreuen sich hoher Beliebtheit. Einerseits bestehen sie aus nachwachsenden Rohstoffen, andererseits ist ihre Verwendung oft ökologisch günstiger. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe bei Rostock macht nun einen Anlauf, auf Lignin basierende Materialien in die Elektronikfertigung einzuführen.
Lignin stabilisiert das Gewebe von Pflanzen und macht 20 % bis 30 % der Pflanzenmasse aus. Rund 50 Mio. t Lignin fallen jährlich als Reststoff bei der Zellstoffproduktion an. Bisher wurden sie meistens verbrannt – nun entdeckt man den Stoff als potenzielle Basis für Produkte, etwa Leiterplatten, oder für Hilfsmittel bei der Leiterplattenproduktion.
BMELV fördert Forschungsprojekt zum Einsatz von Lignin bei Leiterplattenproduktion
Für diese Zwecke geeignete Materialien bis zum einsatzreifen Prototypen entwickeln, das soll ein kürzlich gestartetes dreijähriges Verbund-Forschungsprojekt mit insgesamt neun Projektpartnern, darunter mehrere Fraunhofer-Institute, bewerkstelligen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellt über seinen Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), dafür 2,6 Mio. € zur Verfügung.
Die Herausforderung liegt vor allem darin, die geeigneten Qualitäten des Rohstoffs auszuwählen und ihn zu produktionsreifen Materialien zu veredeln. Denn die auf dem Markt bereitstehenden Ligninqualitäten sind sehr unterschiedlich. „Die Verfahren der Zellstoffproduktion sind in erster Linie auf das Primärprodukt Zellstoff ausgerichtet. Das bedeutet, dass das angebotene Lignin keine für unsere Zwecke optimale Struktur hat“, erklärt Gunnar Engelmann, der am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) eine kleine Lignin-Forschungsgruppe im Rahmen des Verbundprojekts leitet.
Dabei stellen sich viele Fragen: Welches Ligninrohmaterial hat welche Eigenschaften? Wie korrespondieren diese mit den Anforderungen der Elektronikfertigung? Welche Zusatzstoffe haben welche Auswirkungen, und welche Rolle spielt die Gestaltung der Fertigungsprozesse der Elektronik? Mehr Details möchte Engelmann nicht preisgeben, wegen des Innovationsschutzes.
Die Idee „Lignin für Leiterplatten“ ist nicht neu
Neu ist die Thematik „Lignin für Leiterplatten“ nicht: Schon von 2003 bis 2005 war in einem Projekt versucht worden, Lignin für die Elektronikproduktion nutzbar zu machen. Damals kam man bis zu einem Leiterplattenprototypen für TV-Fernsteuerungen. Doch der entsprach nicht der gewünschten Temperaturstabilität.
Hermann Zeuß, Leiter Produktionsvorbereitung und Technologie bei der damals am Projekt beteiligten Loewe-Opta aus Kronach, erklärt: „Leiterplatten müssen beim Reflowlöten aushalten, mehr als eine Minute mit 240 °C bearbeitet zu werden.“ Das vorhandene Material hätte also eine Umstellung der Lötprozesse in der Industrie auf niedrigere Temperatur erfordert, und das wäre teuer geworden.
Doch sehr temperaturstabile Materialien sind auch nicht optimal, wie Lars Ziegler, Leiter Forschung und Entwicklung beim Biopolymerspezialisten Tecnaro aus Ilsfeld-Auenstein bei Heilbronn, erklärt: „Es gibt bei der Produktion dieser Materialien einen Zielkonflikt: Einerseits sollen sie so wärmeformbeständig und stabil sein, dass sie die Temperaturen heutiger Lötprozesse ohne Schaden überstehen, andererseits darf aber ihr Schmelzpunkt nicht zu hoch sein, weil sie ja verformt werden sollen.“ Hier liege eine anspruchsvolle Optimierungsaufgabe. Tecnaro produziert mit 30 Mitarbeitern im Jahr insgesamt rund 10 000 t dreier Biopolymer-Produktserien, eine von ihnen das patentierte „Flüssigholz“ Arboform.
Weitere Anforderungen definieren etwa die Koenen GmbH, ein Produzent von Siebdruckrahmen für die Leiterplattenfertigung, der Extrusionsspezialist Hiendl und der Leiterplattenhersteller KSG. So brauchen Siebdruckrahmen und Bohrvorlagen für Leiterplatten eine gewisse mechanische Stabilität – Ausfransen, Durchbiegen oder Spanbildung sind unerwünscht. Hier war das Optimum im Vorprojekt noch nicht erreicht.
Ziel des Lignin-Projekts: Lignin ohne erdölbasierte Zusatzstoffe
Das Ziel des nun laufenden Projekts besteht in der Entwicklung anwendungsoptimierter Materialien bis zum Produktprototypen und darin, die erwünschten Eigenschaften möglichst ohne Verwendung erdölbasierter Zusatzstoffe zum Lignin zu erreichen. Mineralien oder andere biologische Fasern dürfen jedoch durchaus zugefügt werden. Die Chancen, das zu schaffen, stünden gut, meint Tecnaro-Manager Ziegler. Die Forschung habe in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht.
Loewe-Manager Zeuß ist überzeugt, dass es sich lohnt, für die Elektronikfertigung optimierte Materialien zu konzipieren. „Lignin lässt sich extrudieren, ist also billiger als Materialalternativen, es ist auch leichter und weicher. Letzteres bedeutet, dass es bei Temperaturschwankungen weniger unter Spannung gerät und sich sauberer verarbeiten lässt.“
Jana Rückschloss, Leiterin des Lignin-Projekts, berichtet, es werde eine Umweltbewertung der einzelnen Materialien geben. „Welchen Ansatz wir dafür verwenden, haben wir noch nicht entschieden“, schränkt die Forscherin ein, die beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) angesiedelt ist. Das IZM in Berlin koordiniert auch das Gesamtprojekt.
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