Für Blinde: Wenn der Hut drückt, naht ein Hindernis
Blindenhut statt Blindenhund: Sehbehinderte können sich künftig in Räumen per Hut orientieren. Kommt der Träger des sogenannten ProximityHat einer Wand oder einem Gegenstand zu nahe, spürt er dies am Kopf. Je geringer der Abstand, desto stärker ist der ausgeübte Druck. Details lesen Sie hier.
Hut ab vor der Idee, die hinter der Erfindung steckt: die Entwicklung einer Technik, die für den Nutzer sieht und ihn das Gesehene fühlen lässt. Ein zusätzlicher Sinneseindruck kommt ins Spiel. Warum so kompliziert? Weil sich gezeigt hat, dass die Kommunikation über Tonsignale, die beispielsweise eine Entwicklung von Microsoft favorisiert, die GPS-Signale in Töne umwandelt, bisweilen irritiert.
Reize durch Druck wahrnehmen – diesen neuen Ansatz wählte der Diplomarchitekt Florian Braun für seine Bachelor-Arbeit im Fach Informatik am Lehrstuhl für Pervasive Computing Systems am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Die Entwicklung ProximityHat erweitert die Sinneseindrücke, man kann einen Raum dadurch nicht nur sehen oder hören, wie es in ihm klingt, sondern ihn auch spüren“, sagt Matthias Berning, der die Arbeit betreut hat.
Hut verfügt über Ultraschallsensoren und Druckstempel
Was steckt drin im ProximityHat, den das KIT mit „Annäherungshut“ ins Deutsche übersetzt? Der intelligente Abstandsmesser besteht aus Ultraschallsensoren, die die Umgebung in Echtzeit vermessen. Ausfahrbare, mit elastischem Kunststoff umwickelte Stempel übermitteln dem Träger durch schwächeren oder stärkeren Druck auf den Kopf Informationen darüber, wie nah sich Wände, Durchgänge oder Gegenstände befinden. Batterien versorgen das Sensor- und Drucksystem mit Strom.
Die Ultraschallsensoren befinden sich in sechs Modulen. Sie sind etwa 5×5 cm2 groß und schaffen bis zu 50 Messungen pro Sekunde. Zusammen erfassen sie den Raum horizontal in alle Richtungen mit einem Messbereich von einigen Zentimetern bis zu mehreren Metern.
Erfindung könnte auch Feuerwehrleuten bei der Orientierung helfen
Der Prototyp des ProximityHat wurde in Benutzertests erfolgreich erprobt. „Bislang standen zumeist Sehen und Hören zur Übermittlung digital erfasster Information an den Nutzer im Vordergrund, die Arbeit an ProximityHat weist nach, dass sie auch über die sensorische Wahrnehmung von Druck funktioniert“, sagt Professor Michael Beigl, Leiter des Lehrstuhls für Pervasive Computing Systems am KIT.
Bis es den Hut zu kaufen gibt, wird noch einige Zeit vergehen. An Design und Bedienbarkeit wird weiter gearbeitet. Auch sind für den künftigen Einsatz des Gerätes weitere Zielgruppen im Visier. So könnte das System – eingebaut in Helmen – Feuerwehrleuten helfen, sich in verrauchten Räumen zurechtzufinden. Oder auch Estrichlegern oder Monteuren solche Arbeiten erleichtern, die sie rückwärts gehend ausführen.
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