Globaler Elektroschrott wiegt mehr als acht Cheops-Pyramiden
Im vergangenen Jahr produzierte die Menschheit knapp 49 Millionen Tonnen Elektroschrott. Die Tendenz ist stark steigend: Im Jahr 2017 wird diese Menge um ein Drittel auf 65 Millionen angewachsen sein. Besonders bemerkenswert: Inzwischen produzieren die Schwellen- und Entwicklungsländer mehr elektronischen Abfall als die Industriestaaten.
Der gute alte Cheops, der 2581 vor Christus das Zeitliche gesegnet hat, würde sich in seinem Grab umdrehen, wenn er diesen Vergleich hören könnte: Der Berg an Elektroschrott, den die Menschheit im Jahre 2017 produzieren wird, wiegt so viel wie elf seiner großen Cheops-Pyramide in Gizeh in Ägypten. In nackten Zahlen werden es 65 Millionen Tonnen Elektroschrott sein oder so viel wie 200 Empire State Buildings, um einmal ein zeitgenössischeres Bauwerk als Vergleich zu bemühen. Der heutige Elektroschrott von knapp 49 Millionen Tonnen entspricht immerhin schon dem Gewicht von acht Pyramiden.
Ausgedacht haben sich solche Vergleiche Experten der UNO-Initiative „Solving the E-Waste Problem“ (StEP). StEP ist ein Zusammenschluss aus UN-Organisationen, Forschungseinrichtungen, Elektronikhersteller sowie Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Ein erster Schritt, um dem wachsenden Elektroschrott-Berg Herr zu werden, ist der Zugang zu verlässlichen Information. „Obwohl es reichlich Informationen über die negativen Folgen primitiven Elektroschrottrecyclings für Gesundheit und Umwelt gibt, macht es der Mangel an verlässlichen Daten schwierig, dass volle Ausmaß des Problems zu verstehen“, sagt Rüdiger Kahr, Chef des in Bonn ansässigen StEP-Sekretariats.
Weltkarte des Elektroschrotts vorgestellt
StEP hat jetzt die erste umfassende Weltkarte des Elektroschrotts erstellt. Diese Karte zeigt für 184 Länder, wie viel Elektronik im Jahr 2012 neu in Umlauf kam und wie viel Elektroschrott produziert wurde. Zudem verweist sie auf die jeweiligen nationalen Vorschriften im Umgang mit Elektroschrott. Wer auf dieser Karte auf Deutschland klickt, stellt fest, dass im vergangenen Jahr pro Einwohner 27,5 Kilogramm neue Elektrogeräte auf dem Markt kamen. Und weil diese neuen Elektrogeräte ja schon bald der Elektroschrott von Morgen sind, zeigt die Karte auch, dass im Jahr 2012 jeder Einwohner 23,2 Kilogramm elektronischen Abfall produziert hat.
Elektroschrottriese USA schafft 9,36 Millionen Tonnen im Jahr
Damit kann unser Land es fast mit dem Mutterland des Elektroschrotts, den Vereinigten Staaten von Amerika, aufnehmen. Jeder Amerikaner war im vergangenen Jahr für 29,8 Kilogramm High-Tech-Schrott verantwortlich. 9,36 Millionen Tonnen Elektroschrott sind das in absoluten Zahlen, die USA führen die Hitliste an, dicht gefolgt von China, die es auf 7,3 Millionen Tonnen bringen. Bezogen auf die Weltbevölkerung sieht die Elektroschrottbilanz so aus: Die sieben Milliarden Erdenbürger haben im vergangenen Jahr pro Kopf sieben Kilogramm Elektroschrott erzeugt. Unterm Strich sind das fast 49 Millionen Tonnen.
Schwellen- und Entwicklungsländer haben Industrienationen überholt
Beunruhigend ist, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer inzwischen mehr Elektroschrott produzieren als die Industriestaaten. Im vergangenen Jahr sind in Staaten wie USA und Japan sowie den EU-Mitgliedsländern zusammen 23,5 Millionen Tonnen alte Elektrogeräte auf den Müll gelandet. In allen anderen Ländern dagegen waren es 25,4 Millionen Tonnen. 2007 noch haben die Industrienationen den größten Teil des Elektromülls produziert.
Der jetzige Anstieg geht vor allem auf das Konto von Entwicklungsländern sowie aufstrebende Staaten wie etwa Brasilien, Russland, Indien, Südafrika und China. An China ist gut zu erkennen, wie rasant diese Länder aufholen, wenn es um den Elektroschrott geht. Die Pro-Kopf-Produktion von E-Schrott lag im vergangenen Jahr bei 5,36 Kilogramm. Allerdings kamen in China 2012 mehr als 11 Millionen Tonnen neue Elektrogeräte auf den Markt. Das sind eine Million Tonnen mehr, als in den USA an neuen Elektrogeräten verkauft wurden.
Elektronische Geräte sind im Wortsinn Goldgruben
„Die Menschheit hungert nach Technologie, die das Leben erleichtert“, sagt Rüdiger Kahr von StEP. „Dabei geht es nicht nur um Kommunikation, sondern auch um medizinische Geräte, Waschmaschinen und Elektrospielzeug, das zur Weihnachtszeit sehr beliebt ist.“ Elektroschrott lässt sich nicht einfach auf eine gewöhnliche Deponie abkippen. So steckt in alten Röhrenmonitoren das giftige Schwermetall Cadmium, in den Leuchtstoffröhren von Flachbildschirmen steckt Quecksilber. Dazu kommt: Die alten elektronischen Hündchen sind im wahrsten Wortsinne Goldgruben. Denn ihre Platinen enthalten winzige Mengen dieses Edelmetalls, dazu Silber und Platin. Das wenigste davon wird recycelt. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms UNEP gehen so jedes Jahr Milliarden Euro verloren. Allein in Computern kamen 2008 Gold, Silber, Kupfer, Palladium und Kobalt im Wert von 2,7 Milliarden Euro in die Geschäfte.
Gigantische Lastwagenschlange am Äquator für den Elektroschrott
All diese Zahlen passen recht gut zu einer kanadischen Studie, die Ende Oktober im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde. Danach produziert die Weltbevölkerung jeden Tag einen Abfallberg von 3,5 Millionen Tonnen. „Der amerikanische Durchschnittsbürger schmeißt jeden Monat Müll in der Größenordnung seines Körpergewichtes weg“, schreiben Daniel Hoornweg, Professor für Energiesysteme an der Universität von Ontario in Kanada und Autor der Studie, sowie seine Co-Autoren Perinaz Bhada-Tata und Chris Kennedy. Um diese gewaltige Müllmenge abzutransportieren, wäre eine tausende Kilometer lange Kolonne von Müllwagen nötig.
StEP-Experte Rüdiger Kahr hat ausgerechnet, wie viele Lkw sich im Jahre 2017 mit den 65 Millionen Tonnen Elektroschrott beladen ließen: Die Schlange dieser Lastwagen würde zu drei Vierteln um den Erdball reichen.
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