Halbleitertechnik aus Europa: Die 450-mm-Siliziumwafer kommen
Der Übergang der Halbleiterfertigung – zumindest der hochvolumig hergestellten Standardware – auf Siliziumwafer mit 450 mm Durchmesser ist beschlossene Sache. Auch wer den größten Teil der Finanzmittel für die Entwicklung produktionsreifer Lithografiesysteme zur Aufbelichtung von Tausenden von Chips auf jeden dieser Wafer beisteuern soll, steht nun fest: die großen Chiphersteller.
Hauptkunden und erste Nutznießer der neuen Fertigungstechnologie auf 450-mm-Siliziumwafern sind Intel, Samsung, TSMC und eventuell GlobalFoundries (GF). Sie werden auch den Löwenanteil der Investitionen für die Entwicklung der Technologie beisteuern. Weitere Anteile kommen von R&D-Partnerschaften wie dem Global-450-Consortium (G450C) mit starker Beteiligung von IBM an der University of Albany im US-Bundesstaat New York, nebst akademischen und industriellen Auftragsforschern mit staatlicher Förderung, wie dem Imec im belgischen Leuven.
Entwicklung der neuen Halbleitertechnik kostet bis zu 20 Mrd. $
Das ist ein kollaborativer Ansatz von neuen Dimensionen. Kumulativ wird die Entwicklung der 450-mm-Technologie 17 Mrd. $ bis 20 Mrd. $ verschlingen, schätzt man beim Marktforscher Gartner, ehe die ersten Fabs, frühestens 2017, mit der Fertigung beginnen. Jede davon wird 10 Mrd. $ kosten, dann aber bei mehr als verdoppelter Waferfläche Produktivitätsgewinne von 30 % einspielen.
Der Auslöser der neuen 450-mm-Euphorie kam Anfang Juli, zur „Semicon West“ in San Francisco, dem jährlichen Strategietreff der Zulieferer für die Chipindustrie: mit der Ansage von Intel, der Nummer eins am Chipweltmarkt, rund 4,1 Mrd. $ in die Firma ASML zu investieren. ASML, seinerseits Weltmarktführer bei den Lithografiesystemen, ist im holländischen Velden, also in Kerneuropa, zu Hause.
Intel will sich mit 10 % am Aktienkapital seines Lieferanten beteiligen, vielleicht sogar mit 15 %, während Samsung und TSMC insgesamt 10 % übernehmen sollen. Von Intels Investition sind 1 Mrd. $ als R&D-Unterstützung für die 450-mm-Technik und die EUV(extreme ultraviolet)-Lithographie vorgesehen. Die röntgennahe EUV-Waferbelichtung geht zwar nicht unmittelbar mit den größeren Wafern zusammen, sie soll aber eines schönen Tages die heutige, geometrisch und prozesstechnisch aufwendige Maskentechnik bei der Wellenlänge 193 nm ersetzen.
Auch EUV hat noch Optimierungsbedarf bei leistungsstarken Laserlichtquellen für ausreichenden Wafer-Durchsatz. Deshalb wollte ASML die Risikobeteiligung seiner Kunden. Und natürlich zur Profilierung gegenüber den Wettbewerbern Nikon und Canon.
Innovative Impulse für die 450-mm-Halbleitertechnik kommen aus den USA
Somit kommen die innovativen Impulse wieder aus Amerika. Und die Ambitionen des renommierten belgischen Forschungsinstituts Imec, zum Weltzentrum der 450-mm-Lithografie zu werden, sind auf eine komplementäre Rolle neben dem G450C in Albany reduziert. Das ist enttäuschend, und Imec beeilte sich mit der Meldung, die flämische Regionalregierung habe 100 Mio. € zum Ausbau der 450-mm-Pilotlinie in Leuven freigegeben, die erste Tranche von 1 Mrd. € über fünf Jahre.
Malcolm Penn vom britischen Marktforscher Future Horizons, der für seine beherzten Prognosen bekannt ist, schätzt, dass Intel die ersten kommerziellen 450-mm-Waferfabs betreiben wird. Die erste am lange vorbereiteten Standort Oregon, die zweite in Arizona und die dritte, vielleicht, in Leixlip, Irland. Samsung und TSMC haben sich noch nicht festgelegt. Für Dresden, als 450-mm-Standort von GlobalFoundries angedacht, sieht Penn kaum Chancen. Er rechnet mit Malta oder New York, wo GF eine neue Fab errichtet.
Eine Schande für Europas Chipindustrie, schimpft Penn: „Selbst ein relativ geringes Investment in Leuven hätte einen signifikanten Anteil der bisher in Albany investierten Mittel nach Europa gezogen.“ Wie konnte es dazu kommen, dass Europa nicht zum Gravitationszentrum für 450 mm geworden ist? Obwohl die Europäische Kommission die Halbleiterfertigung zur „Schlüsseltechnologie“ (key enabling technology, KET) erhoben, und die zuständige Kommissarin Neelie Kroes sogar die Gründung eines global kompetitiven „Airbus of Chips“ heraufbeschworen hatte.
Europäisches Zentrum für die450-mm-Halbleitertechnik bleibt Theorie
Doch eine solche „EuroFab“ dürfte, wie andere ehrgeizige Konstrukte, reine Theorie bleiben. Vor allem mangels Beteiligung der großen europäischen Hersteller STM, Infineon und NXP. Sie konzentrieren sich auf komplexe Chips und Chipsysteme für spezifische Industriesegmente. Aber ganz ohne Europa, sagt Penn, gibt es keine 450-mm-Wafer: „Imec und ASML halten sehr viele Patente und Prozesswissen. Zusammen kontrollieren sie 450 mm, und technologisch sind sie an vorderster Front.“
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