KI macht es möglich 18.11.2024, 11:04 Uhr

Leben in einer Bubble: Kopfhörer für Gestresste im Großraumbüro

Forschende haben einen intelligenten Kopfhörer entwickelt, der das Arbeiten in Großraumbüros erträglicher macht. Alle weiter entfernte Geräusche werden unterdrückt.

Kopfhörer Büro

Ein innovativer Kopfhörer ist nun in der Lage, weiter entfernte Geräusche zu unterdrücken und nur Gespräche in der Nähe zuzulassen.

Foto: PantherMedia / welcomia

Wer schon einmal in einem Großraumbüro gearbeitet hat, kennt das Problem: Die Geräuschkulisse ist oft so hoch, dass niemand mehr konzentriert arbeiten kann. Forscherinnen und Forscher der University of Washington haben nun eine Lösung entwickelt – einen Kopfhörer, der Geräusche außerhalb eines bestimmten Radius unterdrückt. Mit den Kolleginnen und Kollegen, die direkt vor oder neben einem sitzen, kann man sich noch problemlos unterhalten. Und wenn die Kolleginnen und Kollegen, die weiter weg sitzen, auch so einen Kopfhörer aufhaben, bekommen sie von diesen Gesprächen gar nichts mit. Es entsteht sozusagen eine Klangblase.

Die Technologie hinter der Klangblase

Der entwickelte Prototyp nutzt KI-gestützte Algorithmen, um eine sogenannte „Klangblase“ zu erzeugen. Innerhalb eines programmierbaren Radius von ein bis zwei Metern bleiben Stimmen hörbar, während Geräusche außerhalb dieser Blase um durchschnittlich 49 Dezibel gedämpft werden. Zum Vergleich: Dieser Unterschied entspricht der Reduktion von lautem Straßenverkehr auf das Geräusch von raschelnden Blättern.

Der leitende Forscher Shyam Gollakota erklärt: „Unsere Fähigkeit, uns auf die Menschen in unserer Umgebung zu konzentrieren, kann an Orten wie lauten Restaurants eingeschränkt sein, sodass es bisher nicht möglich war, Klangblasen auf einem Hearable zu erzeugen. Unser KI-System kann die Entfernung jeder Schallquelle in einem Raum tatsächlich lernen und diese in Echtzeit innerhalb von 8 Millisekunden auf dem Hörgerät selbst verarbeiten.“

Aufbau und Training des Prototyps

Das System basiert auf handelsüblichen Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung. Sechs kleine Mikrofone wurden am Kopfbügel angebracht, die Schallwellen aus verschiedenen Richtungen aufnehmen. Ein kleines neuronales Netzwerk analysiert die Zeitdifferenz, mit der Geräusche die Mikrofone erreichen. Basierend auf diesen Daten unterscheidet die KI, welche Geräusche innerhalb oder außerhalb des festgelegten Radius liegen, und filtert entsprechend.

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Um die Technologie zu trainieren, nutzte das Team einen Puppenkopf mit Kopfhörern auf einer Roboterplattform. Während sich der Puppenkopf drehte, erzeugte ein Lautsprecher Geräusche aus unterschiedlichen Entfernungen. Diese Daten halfen dem Algorithmus, zwischen Schallquellen verschiedener Distanzen zu unterscheiden. Anschließend wurde der Kopfhörer in Büros, Wohnräumen und weiteren Innenbereichen getestet.

Gollakota beschreibt: „Was wir hier gezeigt haben, ist, dass wir keinen großen Abstand zwischen den Mikrofonen brauchen. Wir konnten es nur mit den Mikrofonen an den Kopfhörern und in Echtzeit machen, was ziemlich überraschend war.“

Vorteile gegenüber bisherigen Technologien

Kopfhörer wie die AirPods Pro 2 können Hintergrundgeräusche reduzieren und gezielt Stimmen verstärken. Diese Funktion basiert jedoch auf der Richtung des Schalls, nicht auf dessen Entfernung. Daher verstärken sie nur einen Sprecher und funktionieren schlechter, wenn die Kopfposition verändert wird. Der neue Kopfhörer der University of Washington hingegen kann mehrere Stimmen gleichzeitig in der Klangblase halten und laute Umgebungsgeräusche effektiv ausblenden.

Derzeit ist die Technologie auf den Einsatz in Innenräumen beschränkt, da sie saubere Trainingsdaten aus Außenumgebungen benötigt. Zukünftige Entwicklungen könnten diese Einschränkung überwinden. Zudem arbeiten die Forschenden daran, die Technologie auf Hörgeräte und andere Ohrhörer zu übertragen. Dazu müssen die Mikrofone neu positioniert werden, um die Funktionalität zu gewährleisten.

Die Ergebnisse der Studie wurden in Nature Electronics veröffentlicht. Der zugrunde liegende Code ist öffentlich zugänglich, sodass andere Forschende die Technologie weiterentwickeln können. Das Team plant außerdem die Gründung eines Start-ups, um die Markteinführung voranzutreiben.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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