Durchbruch in der Materialforschung 25.10.2024, 10:07 Uhr

Hydrogel trifft Halbleiter: Neue Schnittstelle für Bioelektronik

Hydrogel und Halbleiter vereint: Eine neue Technologie verbessert die Verbindung von Gewebe und Elektronik und bietet zahlreiche medizinische Anwendungsmöglichkeiten.

Hydrogel

Dieses Hydrogel hat Halbleiterfähigkeiten und kann Informationen zwischen lebendem Gewebe und Maschine übertragen.

Foto: UChicago Pritzker School of Molecular Engineering / John Zich

Die Verbindung von Elektronik und lebendem Gewebe hat in der Medizintechnik eine neue Dimension erreicht. Eine neue Technologie, die Hydrogel mit Halbleitern kombiniert, bietet eine innovative Lösung für die Herausforderungen in der Bioelektronik. Diese Entwicklung könnte nicht nur die Funktionalität von implantierbaren Geräten wie Herzschrittmachern und Biosensoren verbessern, sondern auch zahlreiche nicht-chirurgische Anwendungen ermöglichen.

Die Herausforderung der Materialkombination

Das perfekte Material für die Verbindung zwischen Elektronik und lebendem Gewebe sollte weich, elastisch und wasseranziehend sein – Eigenschaften, die Hydrogelen zugeschrieben werden. Halbleiter hingegen, die als Schlüsselmaterialien für bioelektronische Geräte wie Herzschrittmacher oder Sensoren dienen, sind spröde und wasserabweisend.

Dies stellt eine große Herausforderung dar, denn um funktional zu sein, muss das Material sowohl die mechanischen Eigenschaften von Gewebe als auch die elektronischen Fähigkeiten eines Halbleiters vereinen.

Durchbruch in der Materialforschung

Ein Forscherteam der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) in Chicago unter der Leitung von Assistenzprofessor Sihong Wang hat nun einen Weg gefunden, diese beiden Welten zu verbinden. Ihre Arbeit, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Science, beschreibt die Entwicklung eines Hydrogels, das gleichzeitig als leistungsfähiger Halbleiter fungiert.

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„Bei der Herstellung implantierbarer bioelektronischer Geräte besteht eine Herausforderung darin, ein Gerät mit gewebeähnlichen mechanischen Eigenschaften herzustellen“, erklärt Yahao Dai, der Erstautor des Papers. „Auf diese Weise können sie sich, wenn sie direkt mit dem Gewebe verbunden werden, gemeinsam verformen und auch eine sehr intime Bio-Schnittstelle bilden.“

Das entwickelte Material weist eine einzigartige Kombination von Eigenschaften auf, die es ideal für bioelektronische Schnittstellen machen. Mit einer Dehnbarkeit von 150 %, einer Ladungsträgerbeweglichkeit von bis zu 1,4 cm²/Vs und einem Modul auf Gewebeebene von nur 81 kPa erfüllt es alle notwendigen Voraussetzungen. Das Material bleibt elastisch und weich, während es gleichzeitig Informationen zwischen Gewebe und Elektronik effizient überträgt.

Innovation durch Lösungsmittel-Austausch

Der Schlüssel zu dieser spannenden Entwicklung liegt in der Herstellungsmethode. Anstatt Halbleiter in Wasser zu lösen, wie es bei Hydrogelen üblich ist, wurde ein Lösungsmittel-Austauschprozess verwendet. Dabei wurden die Halbleiter in einem organischen Lösungsmittel gelöst, das mit Wasser mischbar ist. Dieses Organogel wurde dann in Wasser überführt, sodass das organische Lösungsmittel entfernt und das Material zu einem Hydrogel umgewandelt wurde.

„Wir dachten uns: ‚Okay, ändern wir unsere Perspektive‘, und kamen auf einen Lösungsmittel-Austauschprozess“, erklärt Dai. Diese Methode ist nicht nur effizient, sondern lässt sich auch auf verschiedene Arten von Polymer-Halbleitern anwenden.

Vielseitige Anwendungen

Die potenziellen Einsatzgebiete des Hydrogel-Halbleiters sind laut Forschungsteam vielfältig. Neben implantierbaren Geräten wie Herzschrittmachern und biochemischen Sensoren bietet das Material auch interessante Möglichkeiten für nicht-invasive Anwendungen. So könnten beispielsweise bessere Messgeräte für die Haut entwickelt oder die Wundversorgung verbessert werden.

„Es hat sehr weiche mechanische Eigenschaften und einen hohen Hydrationsgrad, ähnlich wie lebendes Gewebe“, erläutert Assistenzprofessor Wang. „Hydrogel ist außerdem sehr porös, sodass es den effizienten Diffusionstransport verschiedener Arten von Nährstoffen und Chemikalien ermöglicht. All diese Eigenschaften machen Hydrogel wahrscheinlich zum nützlichsten Material für die Gewebezüchtung und die Verabreichung von Medikamenten.“

Mehr als die Summe seiner Teile

Das neue Material stellt keine einfache Kombination von Halbleiter und Hydrogel dar, sondern ein vollkommen neues Material, das beide Eigenschaften in einem vereint. „Es handelt sich um ein einziges Stück, das sowohl Halbleitereigenschaften als auch ein Hydrogel-Design aufweist“, betont Wang. „Es ist eine Art Kombination, bei der eins plus eins größer als zwei ist“, scherzt Wang weiter.

Ein entscheidender Vorteil dieser Materialinnovation liegt in der verbesserten biologischen Funktion. Durch die weiche Verbindung mit dem Gewebe werden Immunreaktionen und Entzündungen, wie sie bei herkömmlichen Implantaten oft auftreten, deutlich reduziert. Zudem verstärken die hohe Porosität des Hydrogels und die Halbleitereigenschaften die Sensitivität von Biosensoren und verbessern lichtgesteuerte therapeutische Funktionen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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