Intelligente Türdichtung: Schluss mit dicker Luft
Ein neues Türdichtungssystem kümmert sich selbstständig um die nötige Belüftung des Raumes. Wird der Kohlendioxid-Gehalt im Raum zu hoch, löst der eingebaute CO2-Sensor automatisch den Luftaustausch aus.
Dass eine übertriebene Dämmung in Hausbau und -renovierung auch ihre Schattenseiten mit sich bringt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Gerade wenn, wie beim Neubau, hochwertige Fenster und passende Bausubstanzen eine extrem gute Wärmedämmung bringen, ist die Luftzirkulation unter Umständen unzureichend. Das fördert nicht nur Schimmelbildung, sondern durch die erhöhte Kohlendioxid-Konzentration (CO2) auch Konzentrationsstörungen.
Lüften durch Aufreißen der Fenster wird überflüssig
„Moderne Gebäude werden immer dichter“, sagt Hans-Jürgen Schliepkorte, Gruppenleiter am Fraunhofer Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg. „Vielfach wird noch immer durch Fensteröffnen gelüftet“, sagt Schliepkorte. „Das wirkt sich auf die Energieeffizienz aus.“ Das IMS hat nun gemeinsam mit dem auf Dichtungssysteme spezialisierten Unternehmen Athmer ein intelligentes Türsichtungssystem entwickelt. Das I.C.S. (Intelligent Climate Seal) bringt Luftaustausch und Dämmung in einem.
Mit einem CO2-Sensor registriert das System den Kohlendoxid-Gehalt in der Raumluft. Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, steuert ein kleiner Motor über eine Feder die Türdichtung am unteren Teil des Türflügels. Die Dichtung zieht sich nach oben, durch den Schlitz kann sich die Raumluft austauschen. Gleichzeitig schaltet das System über die Gebäudeleittechnik die Lüftungsanlage ein, die verbrauchte Luft aus dem Raum befördert.
Das Türdichtungssystem ist elektronisch an die Gebäudeleittechnik gekoppelt. Ist eine Lüftungsanlage oder eine Wärmerückgewinnungsanlage vorhanden, können diese abhängig vom CO2-Gehalt und der Temperatur im Raum zusätzlich angestellt werden. „Das System berechnet immer den besten Kompromiss zwischen guter Raumluft und optimaler Ausnutzung der Energieeffizienz“, sagt Schliepkorte.
Pettenkofer untersuchte schon im 19. Jahrhundert Folgen zu hoher CO2-Konzentration
Für die zulässige CO2-Konzentration orientierten sich die Forscher am sogenannten Pettenkofer-Wert von 1.000 Teilchen pro Million. Nach dem Münchner Pharmazeut und Mediziner Max von Pettenkofer (1818-1901) ist der hygienische Innenraumluftwert für CO2 benannt. Der Forscher zur Gesundheitstechnik erkannte bereits Mitte des vorletzten Jahrhunderts in seinen Untersuchungen zur Innenluftqualität, ab welchem CO2-Wert sich die Menschen in einem Raum unwohl fühlen. Heutige Regelwerke und Richtlinien nach DIN für Arbeitsstätten setzen 1.500 Teilchen pro Million als oberen Grenzwert an und empfehlen einen CO2-Gehalt von 1.000. „Diesen können wir mit Hilfe der intelligenten Türdichtung erreichen – ohne dass Fenster oder Türen geöffnet werden müssen“, so Schliepkorte.
Ab Juni dieses Jahres wird das System im Fraunhofer-Zentrum in Duisburg, einer Innovationswerkstatt anwendungsorientierter und marktnaher Forschung für Raum- und Gebäudesysteme, zur Erprobung installiert. Die Fraunhofer-Forscher wollen mit der neuen Türdichtung in Zukunft auch die Luftfeuchtigkeit in Wohn- und Nutzgebäuden regulieren.
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