Druckwellen-Sensor misst Viskosität 19.03.2014, 15:24 Uhr

Mit Schall die Zähigkeit von Flüssigkeiten prüfen

Eine neue Messmethode für das Fließverhalten von Flüssigkeiten haben Forscher aus Österreich jetzt vorgestellt. Sie nutzen Schallwellen, um die Viskosität, das ist die Zähigkeit einer Flüssigkeit, zu bestimmen. Das Verfahren hat großes Potential zum Beispiel für die Lebensmittelindustrie, aber auch für die Humanmedizin.

Viskose und weniger viskose Flüssigkeiten:Honig und Wasser

Viskose und weniger viskose Flüssigkeiten:Honig und Wasser

Foto: TU Wien

Die Viskosität ist ein Maß für die Zähigkeit einer Flüssigkeit, je größer die Viskosität, desto dickflüssiger ist sie. Honig, Öl und Sahne haben eine größere Viskosität als Wasser. Es ist für viele industrielle Prozesse daher von enormer Bedeutung, genaue Informationen über dieses Fließverhalten von Flüssigkeiten zu erhalten. So lässt sich anhand der Viskosität eines Schmiermittels in einer Maschine eine Aussage darüber treffen, ob es noch seine Funktion erfüllt, oder ob es gewechselt werden muss. Das ist wichtig für die industrielle Qualitätskontrolle.

Druckwellen-Sensor als Prototyp vorgestellt

In einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität (TU) Wien, der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz und der Donau Universität Krems haben Wissenschaftler um Professor Franz Keplinger von der TU Wien jetzt den Prototyp eines Sensors vorgestellt, der diese Viskosität auf eine völlig neue Art bestimmen kann: mit Druckwellen.

Der normale Weg der Viskositätsmessung ist die Bestimmung der Scherviskosität der Flüssigkeit. Dazu bewegt man eine dünne Platte durch die zu untersuchende Flüssigkeit, ganz so, als würde man mit der flachen Hand entlang einer Wasseroberfläche streichen. Dabei bewegen sich unterschiedlich weit von der Platte entfernte Flüssigkeitsschichten in Abhängigkeit der Viskosität der Flüssigkeit unterschiedlich schnell mit der Platte mit. Diese verschieden schnellen Bewegungen der Flüssigkeitsschichten bilden in der Summe dann den Viskositätskoeffizient der Scherviskosität.

Viskosität dämpft die Ausbreitung der akustischen Wellen

Alle Flüssigkeiten bringen aber noch einen zweiten Viskositätskoeffizienten mit – die sogenannte Druckviskosität. Diese Druckviskosität kann man messen, in dem man eine Platte in der Flüssigkeit vor und zurückbewegt. So werden akustische Wellen erzeugt, die sich in der Flüssigkeit ausbreiten. Die Viskosität der Flüssigkeit dämpft diese Ausbreitung. Je höher die Viskosität, desto stärker werden diese akustischen Wellen abgedämpft.

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„Bisher hat man Viskosität meist mit großen, klobigen Instrumenten gemessen, die kompliziert zu bedienen und außerdem auch recht teuer sind“, sagt Franz Keplinger. Es gibt laut Keplinger zwar auch miniaturisierte Verfahren, die aber ganz entscheidende Nachteile mit sich bringen. „Man kann mikroakustische Strukturen in einer Flüssigkeit schwingen lassen – doch dabei regt man bloß Scherwellen an, die oft nur wenige hundert Nanometer tief in die Flüssigkeit eindringen“, erklärt Keplinger. Solche Messungen mit mikroakustischen Strukturen in der zu untersuchenden Flüssigkeit reagieren zudem äußerst empfindlich auf Verschmutzungen am Sensor. Die Wellen dringen möglicherweise erst gar nicht in die zu analysierende Flüssigkeit ein sondern messen bloß die Schmutzablagerung.

Ein Transmitter (Mitte) und zwei Receiver (oben und unten) messen die Druckwellenausbreitung in einer Flüssigkeitskammer und bestimmen so die Viskosität der Flüssigkeit.

Ein Transmitter (Mitte) und zwei Receiver (oben und unten) messen die Druckwellenausbreitung in einer Flüssigkeitskammer und bestimmen so die Viskosität der Flüssigkeit.

Quelle: TU Wien

Dazu gesellt sich noch ein ganz anderes, ein physikalisches Problem. Solche mikroakustischen Sensoren werden bei sehr hohen Frequenzen im Megahertzbereich betrieben. Und in diesem Frequenzband kann sich die Viskosität ganz anders verhalten als im Niederfrequenzbereich, an dem die Wissenschaftler eigentlich interessiert sind für die Bestimmung der Druckviskosität.

Druckwellen dringen tief in die Flüssigkeit ein

Die typische Eindringtiefe von Druckwellen in Flüssigkeiten beträgt hingegen mehrere Meter. Somit kann ein Druckwellensensor die Flüssigkeitseigenschaften über eine sehr viel längere Strecke hinweg untersuchen. Die Wissenschaftler um Keplinger begeben sich mit ihrem Druckwellensensor zur Messung der Druckviskosität auf absolutes Neuland, deren Messung „bisher noch nicht zur Anwendung gekommen ist“, wie Franz Keplinger weiß. Zum Einsatz kommen dabei Schallwellen, die sehr tief in die zu untersuchende Flüssigkeit eindringen. Und die Abschwächung, also die Dämpfung der Schallwellen, auf ihrem Weg durch das Fluid kann dann sehr genau gemessen werden, zum Beispiel indem man in einem Fluidresonator stehende Wellen untersucht.

Interessant zum Beispiel für die milchverarbeitende Industrie

Laut Keplinger hat ein auf das Prinzip der Dämpfung von Schallwellen im Fluid beruhender Sensor gleich mehrere Vorteile. „Das Prinzip ist sehr robust, lässt sich gut verkleinern und verspricht auch eine kostengünstige Herstellung.“ Es gibt eine ganze Menge von Anwendungsideen für Druckwellensensoren zur Viskositätsbestimmung von Flüssigkeiten. So könnte man sie direkt in Maschinen einbauen, um Flüssigkeitseigenschaften in Echtzeit zu messen.

Viele Bereiche der Nahrungsmittelindustrie sind äußerst interessiert an solchen direkten Methoden zur Viskositätsmessung. Eine sehr interessante Idee ist der Druckwellensensor etwa für die milchverarbeitende Industrie. Denn in dieser können typische Produkteigenschaften zum Beispiel von Sahne, Puddings oder auch Desserts glatt zerstört werden, wenn man ihr Fließverhalten nicht kennt.

Gelenkflüssigkeiten mit Druckwellensensor untersuchen

Auch für die Medizintechnik ist die Druckwellen-Viskositätsmessung von großem Interesse: Das interdisziplinäre Team um Franz Keplinger forscht bereits an der Frage, wie man mit miniaturisierten Druckwellen-Messgeräten winzigste Mengen von Gelenkflüssigkeit untersuchen kann. Noch ist das Zukunftsmusik.

Aber es gibt in der Humanmedizin noch eine ganz andere, eine viel wichtigere Flüssigkeit, bei der die genaue Kenntnis der Fließeigenschaften sogar überlebenswichtig ist: das menschliche Blut. Mit einem Tropfen Blut wird heute schon recht simpel der Insulingehalt bestimmt. Kennt man auch die Viskosität des roten Saftes, lassen sich Herzinfarkte sehr viel besser verhindern. Der Druckwellen-Sensor aus Österreich macht Mut.

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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