Mittelstand brilliert auf RFID-Messe
Die Halle auf dem Berliner Messegelände war kaum gefüllt und doch versammelte sich auf der diesjährigen Euro ID, der Fachmesse für automatische Identifikation, letzte Woche alles, was Rang und Namen im Bereich der RFID-Techniken hat – von Chipproduzenten über Systemintegratoren bis hin zu Forschungsinstituten, die einen Blick in die Zukunft der Identifikationstechniken wagten.
Dierk Früchtenicht ist sichtlich stolz auf den RFID-Monitor, den sein Unternehmen PAV jedes Jahr auf der Messe Euro ID (24. bis 26. April) präsentiert. „Mehr als zwei von drei RFID-Experten messen der Funktechnik eine starke Bedeutung bei“, berichtet der Leiter Entwicklung des Herstellers für kontaktlose Karten. Potenzial witterten die rund 170 Entscheider vor allem beim mobilen Bezahlen (35 %), gefolgt vom Einsatz am Point of Sale, der Kasse also (19 %), der Personenidentifikation (17 %) und dem Social Marketing (14 %).
Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber kontaktlosen Technologien durch den Einsatz der RFID-Technik Near Field Communication, kurz NFC, bis 2015 verbessert wird. Zum einen dürften 2012 immer mehr Handys für das Bezahlen mit NFC-Chips und -Antennen gerüstet sein. Vor allem jedoch werden Millionen Karten von Finanzinstituten diese Technik in sich tragen. Das gilt für 45 Mio. Kunden der Sparkassen, die neue EC-Karten erhalten. Visa hat Ähnliches angekündigt. „NFC wird ein Riesentrend“, davon ist Früchtenicht überzeugt.
Ganz so optimistisch in Sachen NFC ist man bei der Firma Identive nicht. Vielmehr ist Anton Witkowski von der Vielfalt der Identifikationstechniken begeistert. „RFID ist so schön, weil wir immer projektbezogen arbeiten können.“
RFID macht Barcode sicherer
Längst stehen auch diese vier Buchstaben nicht mehr für euphorische Technikträume. Witkowski weiß: „RFID ersetzt den Barcode nicht, sondern macht ihn sicherer.“ Fälschungssicherheit ist daher für die auf der Euro ID ausstellende Branche ein großes Thema. So sei der Einsatz der Radio Frequency Identification auch an Schrauben für Flugzeuge sinnvoll, um gegen nachgemachte Ersatzteile vorzugehen. Auf der Messe zeigt der Inlay-Spezialist Identive u. a. TOM – Tag on Metall. Dabei ist hinter der RFID-Antenne eine Ferritfolie angebracht, die für Abstrahlung weg vom Metall sorgt.
Es sind eben die kleinen Dinge, die in der Berliner Messehalle für Aufmerksamkeit sorgen. So auch die Anwendung „Wissen statt raten“, die Avus Services in Kooperation mit dem Premium-Möbelhersteller Walter Knoll entwickelt hat. UHF-RFID-Tags und die passende Software dazu machen es möglich, dass die Schwaben immer genau wissen, wo sich ihre Ausstellungsstücke befinden.
RFID in der Daimler-Kantine
Mehr noch, der kleine Systemintegrator steht für ein ausgetüfteltes Lkw-Wechselbrückenmanagement, bei dem die Zugmaschine erkennt, welcher Anhänger aufliegt. Aber auch die in Porzellantellern integrierten RFID-Tags in der Stuttgarter Daimler-Kantine stammen von Avus Services. „Die haben wir schon vor Jahren vorgestellt, aber jetzt kommen langsam die Küchenplaner vorbei und sind sichtlich an der Lösung interessiert“, berichtet Geschäftsführer Wilfried Weiss.
„Wir können alles drucken“, erklärt Siegfried Hochmann am Stand von Bluhm Systeme wenige Meter weiter. Längst hat man hier erkannt, dass nicht immer RFID-Technik nötig ist, sondern manchmal auch Barcode oder Matrix-Codes ausreichen. Beispielsweise, wenn es um die schlichte Etikettierung von Lebensmittelkartonagen oder Blisterverpackungen geht.
„Unsere Systeme drucken Tinte mittlerweile direkt auf die Kartons von Ikea – das spart viel Geld.“ Ähnliches dürfte für die rund 5 Mio. Pizza-Verpackungen von Dr. Oetker gelten, die der Inkjet- und Etikettenspezialist jährlich mit 5 Mio. Labeln versieht. Sie können mit einer Geschwindigkeit von 270 m/min gelesen werden, berichtet Hochmann stolz.
Viel Arbeit könnte auf Bluhm Systeme und andere Spezialisten zukommen, wenn ab 2014 verschreibungspflichtige Medikamente deutlicher gekennzeichnet werden sollen.
Dann muss der Weg jeder einzelnen Verpackung verfolgt und gespeichert werden – von der Produktion in der Pharmaindustrie bis zur Ausgabe beim Apotheker. Zunächst sollen mit gedruckten Matrixkennzeichnungen auf der Verpackung mögliche Manipulationen aufgedeckt werden, später direkt auf dem Blister.
Um Fälschungssicherheit geht es auch beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Es hat gemeinsam mit NXP eine Art Touchpad für künftige Kreditkarten und Pässe entwickelt. So kann ein beliebiges Zeichen statt einer simplen PIN zur Identifizierung auf das kleine Pad gezeichnet werden. „Ob Sie eine Zahl schreiben oder einen Smiley malen, alles ist denkbar und einmalig wiedererkennbar.“ Skimming, die illegale Beschaffung von Daten von Bankkarten wird so ein Riegel vorgeschoben. Auch und gerade beim Einsatz von NFC, den kontaktlosen Zahlmechanismen also, müssen die Systeme sicherer werden, heißt es am Stand.
IZM präsentiert RFID-Textil-Tag
Weit weniger spektakulär, aber eine mindestens ebenso ausgeklügelte Verbundentwicklung ist der Textil-Tag, den das IZM mit dem RFID-Experten Deister und dem Textilunternehmen Jakob Müller entwickelt hat. Die Antenne des RFID-Tags wurde hier mit Kupferfäden gewebt. Ob intelligente Waschmaschinen, Reinigungen oder Textilverpackungen – mögliche Anwendungen für das Textiletikett dürfte es viele geben.
Kein Zweifel, wer auf die Euro ID geht, muss die Augen offen halten für viele kleine Innovationen. Und, wie auch in diesem Jahr, sind es nicht die großen Firmen, die das Berliner Event dominieren, sondern eben die vielen mittelständigen Hidden Champions der Republik. Unternehmen wie PAV, Deister oder auch Feig, die in diesem Jahr ihre Call-a-Bike-RFID-Lösung für die Deutsche Bahn vorstellten. Lösungen, die dank ausgeklügelter Systemtechnik – vom Reader bis zur Datenbank – auch Verbrauchern das Leben erleichtern können.
Ein Beitrag von: