Neue Erkenntnisse: Ein Roboter darf nicht zu niedlich sein
Eine Berliner Forschungsgruppe hat den Prototyp eines Pflegeroboters entwickelt und untersucht, wie die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine funktioniert. Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für den künftigen Umgang mit elektronischen Hilfssystemen.
Die Pflegebranche ist besonders intensiv vom Fachkräftemangel betroffen, und das Problem wächst. Denn dank der demografischen Entwicklung nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen weiter zu. Gleichzeitig sind viele Pflegefachkräfte in Deutschland unzufrieden mit ihrem Job, weil die Belastung groß ist. Viele Beschäftigte sind schon in andere Berufszweige gewechselt – oder denken darüber nach, es zu tun, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessern. Es gibt viele Ansätze, die parallel verfolgt werden, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Einer davon sind Pflegeroboter. Sie könnten zumindest unterstützende Tätigkeiten übernehmen, um das Personal zu entlasten.
Das Projekt „RoMi – Roboterunterstützung bei Routineaufgaben zur Stärkung des Miteinanders in Pflegeeinrichtungen“ hat die TU Berlin gemeinsam mit Partnern durchgeführt: mit der Berliner pi4 robotics GmbH, der HU Berlin, der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Gemeinsam hat das Team den Prototyp eines Pflegeroboters entwickelt und getestet.
Pflegeroboter sollen Personal entlasten
„Workerbot_ 9 Care-Home“ lautet der Name des Roboters. Seine Aufgaben sind vielfältig. Er liefert zum Beispiel Essen aus, verteilt Getränke oder begleitet Bewohner zur Gymnastikstunde. Er ist also auf Assistenz-Tätigkeiten spezialisiert, für die kein Pflegefachwissen erforderlich ist. All diese Aufgaben müssen in einer Pflegeeinrichtung normalerweise von Fachkräften, Betreuungspersonal oder anderen Beschäftigten verrichtet werden. Der Pflegeroboter kann dementsprechend insgesamt zur Entlastung des Personals beitragen – die Mitarbeitenden sollen dadurch wieder mehr Zeit für die eigentliche Pflege haben, was auch die Attraktivität des Berufes erhöhen würde.
Verschiedene Studien haben bereits gezeigt, dass Senioren und Seniorinnen Roboter in der Regel gut annehmen, aber die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollten es genau wissen: Im ersten Schritt haben sie umfangreiche Befragungen gestartet, um das optimale Design für den Pflegeroboter zu finden. Gesprochen haben sie nicht nur mit Pflegekräften, sondern auch mit mehreren Hundert Testpersonen. Über Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) versetzen sie die Testpersonen erst in eine virtuelle Umgebung mit Roboter. Schließlich bauten sie in der Charité eine Teststation auf.
Augen sind wichtig für die Kommunikation mit dem Roboter
Linda Onnasch vom Fachgebiet Handlungs- und Automationspsychologie der TU Berlin hat in ihrer Forschungsarbeit untersucht, welche Fallstricke es in der Kommunikation zwischen Menschen und Roboter gibt und wie die Maschine ausgestattet sein muss. Im Ergebnis lässt sich der Pflegeroboter über die Sprache, einen integrierten Touchscreen und eine Smartphone-App steuern. „Gerade die Entwicklung der Sprachsteuerung war nicht trivial, weil wir aus Datenschutzgründen nicht auf vorhandene Sprachassistenten zurückgreifen durften“, sagt Onnasch. Diese Varianten sind an die verschiedenen Nutzergruppen angepasst. Während eine Pflegefachkraft den Roboter aus der Entfernung über ihr Smartphone eine Aufgabe zuweisen kann, werden die Senioren und Seniorinnen vermutlich verstärkt die Sprachsteuerung wählen.
Für eine bessere Kommunikation ist der Pflegeroboter zudem mit Augen ausgestattet worden. „Ein Gesicht mit einer natürlich erscheinenden Augenpartie ist hilfreich“, sagt Onnasch. Das hängt mit unseren Sehgewohnheiten zusammen. Wenn der Pflegeroboter in eine bestimmte Richtung schaut, erfasst der Mensch schnell das Ziel seiner Tätigkeit. Das wäre anders, wenn beispielsweise stattdessen Pfeile die nächsten Schritte anzeigten.
Vorläufermodell des Pflegeroboters ist bereits verfügbar
Auch sein übriges Äußeres ist kein Zufall. „Eine zu niedliche Anmutung hat den Nachteil, dass Menschen das Gerät dann schonen wollen und es weniger häufig nutzen“, sagt Onnasch. Die Größe von 1,70 Metern werde zudem von Menschen nicht als bedrohlich wahrgenommen.
Der „Workerbot_9“ kann bereits bestellt werden, eine Vorläuferversion wurde im Projekt „RoMi – Roboterunterstützung bei Routineaufgaben zur Stärkung des Miteinanders in Pflegeeinrichtungen“ entwickelt. Unterstützt wurde das Vorhaben mit einem Volumen von 1,49 Millionen Euro zu 90 Prozent vom Bundesforschungsministerium (BMBF). Auch die neue Version wird aber sicherlich noch weiterentwickelt werden. Denn zum Beispiel der größte Wunsch der Pflegefachkräfte ist in ihr noch nicht erfüllt: eine digitale Schnittstelle, die es ermöglicht, dass der Roboter Pflegeleistungen des Personals dokumentiert – und damit ein gutes Stück Verwaltungstätigkeit für die Beschäftigten entfällt.
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