Automobilelektronik 06.05.2011, 19:53 Uhr

„Nicht alles, was zunächst cool oder hip ist, wird auch nachhaltig sein“

Audi hat in letzter Zeit bei neuartigen Elektronikfunktionen manche Trends gesetzt. Doch das Unternehmen wählt auch sehr genau aus, was in puncto Elektronik wirklich Sinn im Auto macht und was nicht, wie Ricky Hudi, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik der Audi AG, nachfolgend erläutert.

VDI nachrichten: Vor Jahren wurde von einigen Automobilherstellern angekündigt, die Zahl der Steuergeräte pro Fahrzeug halbieren zu wollen. Wie weit ist man diesem Ziel näher gekommen?

Hudi: Die damalige Aussage hat vielleicht den ungeheuren Innovationsschub der letzten Jahre nicht gebührend berücksichtigt. Denn inzwischen sind zahlreiche weitere Funktionen hinzugekommen, die eine steuernde Intelligenz benötigen, die anfangs in der Regel in einem separaten Steuergerät untergebracht wird.

In einer späteren Evolutionsstufe integriert Audi die einzelnen Controller möglichst wieder in einen übergeordneten Controller. So sind die früher separaten Controller für die Leuchtweitenregulierung und das Advanced-Frontlighting-System im sogenannten Body Computer aufgegangen. Ein aktueller Audi A8 hat jeweils etwa 50 Hauptsteuergeräte und 50 kleinere Steuergeräte. Ohne die Funktionsintegration wäre die Zahl der Steuergeräte schon weit über 100 gestiegen.

Ein Body Computer gilt als „Hafen der Heimatlosen“, dort werden alle Funktionen integriert, die anderweitig nicht sinnvoll aufgehoben sind. Sind die Grenzen der Integration inzwischen erreicht?

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Die Grenzen sind bei Weitem noch nicht erreicht, sowohl von den Abmessungen als auch beim Thema Steckplätze und Steckverbindungen. Im Fahrzeug haben sich gewisse Domänen etabliert. Eine ist der Body Computer, der alles zum Thema Komfort und Karosserieelektronik regelt und über Feldbussysteme wie CAN oder LIN kleinere Subcontroller verknüpft.

Weitere Domänen umfassen das Infotainment, die Fahrwerksregelung, Fahrerassistenz und Sicherheit sowie die Antriebselektronik. Sie sind ebenfalls mit Subsystemen vernetzt. Herz dieser Gesamtstruktur ist ein zentrales Gateway, in dem alle Fäden zusammenlaufen.

Mit welchen Datensystemen verbinden Sie diese Steuerzentralen?

Der Volkswagen-Konzern hat sich für die seriellen Bussysteme High Speed-CAN, MOST 150 zur hauptsächlichen Übertragung von Audio- und Video- und Sprachsignalen mithilfe von Lichtwellenleitern sowie Flex Ray mit seiner sehr hohen Datenrate, die Subbusse CAN und LIN und außerdem für die externe Diagnoseanbindung per Ethernet entschieden. Innerhalb des Fahrzeugs sehen wir mit Ethernet keine Vorteile, da wir die erforderliche Bandbreite mit den anderen Datenbussen darstellen können und Ethernet nicht als Automobilstandard ausgelegt ist.

Internet im Auto ist umstritten. Dennoch verlangt es der Markt. Wie geht Audi damit um?

Ein freier Internetzugang im Mensch-Maschine-Interface (MMI) wie am heimischen Computer ist nicht unser Ziel. Wir haben uns an einem anderen Weg des Internetzugangs orientiert: dem WLAN-Hotspot im Fahrzeug, der seinerseits per UMTS mit dem Internet verbunden ist. Er gewährt dem Beifahrer und den Fondpassagieren für ihre Geräte freien Zugang, sobald sie sich authentifiziert haben. Danach haben sie eine schnelle UMTS-Datenverbindung für bis zu acht Geräte pro Fahrzeug.

Der Fahrer erhält speziell aufbereitete Internetfunktionen, die optimal in das MMI-Bedienkonzept integriert sind. Etwa die Suchfunktion nach Zielen wie zum Beispiel Restaurants, Tankstellen oder Hotels bei Google Earth, die der Fahrer per Touchpad oder Sprachbedienung steuern kann. So sind die Suche nach Restaurants und die Navigation dorthin möglich, ohne dass der Fahrer den Blick von der Straße abwenden muss. Audi treibt hier erheblichen Forschungsaufwand, um eine bedienerfreundliche Integration zu gewährleisten.

Der Markt kennt nicht nur Applikationen von Automobilherstellern, sondern auch von Drittanbietern. Welche Strategie fährt hier Audi?

Dieses Thema ist brandaktuell, da wir ein Fahrzeug durch Softwareaktualisierungen über seine Lebensdauer attraktiv halten können. Audi wird großen Wert auf Apps in Premiumqualität legen. Reine Gimmicks und Schnickschnack halten wir für wenig sinnvoll. Wir arbeiten an einer Lösung, bei der sämtliche Internetanwendungen vollständig in das Bediensystem integriert werden. Damit werden Apps speziell für das Audi-Bedienkonzept aufbereitet. Bei den Apps sind wir für innovative Inhalte und zuverlässige Partner selbstverständlich offen.

Halten Sie es beispielsweise für sinnvoll, in Zukunft mit dem iPhone das Fahrzeug zu öffnen und weitere Fahrzeugfunktionen zu bedienen?

Da wird sich die Spreu schnell vom Weizen trennen. Nicht alles, was zunächst cool oder hip ist, wird auch nachhaltig sein. Deshalb wird sich Audi genau anschauen, welche App sinnvoll ist und zu Audi passt.

Bei welchen Infotainmentfunktionen hat Audi die Innovationsführerschaft?

Audi war im A8 der Erste, der den UMTS-WLAN-Hotspot ab Werk angeboten hat. Das zahlt sich aus, der Zuspruch zu diesem Feature ist außerordentlich groß. So groß, dass wir diese Funktion noch 2011 für alle Audi-Modellreihen anbieten werden.

Auf Basis der Google-Earth-Karte haben wir die sprachbediente Suchfunktion entwickelt und als Erster in Nordamerika eingeführt.

Last, but not least debütiert im neuen A6 „Audi Verkehrsinformation Online“, das alle drei Minuten sehr aktuelle Verkehrsinformationen per UMTS an das Fahrzeug sendet. Basis sind die Daten der anonymen Handyortung, das heißt, theoretisch werden alle Straßen damit erfasst, auch im europäischen Ausland. Wir arbeiten bei dieser Anwendung mit Inrix zusammen.

Dieser Service geht weit über die Leistungsfähigkeit von TMC pro hinaus, da Sie dort beispielsweise Stauinformationen von deutschen Straßen nur im Empfangsbereich deutscher Sender für die Routenberechnung erhalten. Audi Traffic Online hingegen kann den Fahrer schon weit vor dem Stau auf eine Alternativroute lotsen, um ihn zu umfahren.

JÜRGEN GORONCY

Ein Beitrag von:

  • Jürgen Goroncy

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