Perfekte Kristalle für Mikroelektronik und Photovoltaik aus dem Weltall
Deutschland und Russland betreiben gerade eine Halbleiterproduktion im Weltall. An Bord des Satelliten Foton-M4 züchten sie aktuell Halbleiterkristalle ohne störenden Einflüssen der Schwerkraft. Die Hoffnung: Die Halbleiter werden perfekt sein.
Fünf Eidechsen rasen derzeit in einer russischen Kapsel in einer Höhe von 600 Kilometern um die Erde. Begleitet werden sie von diversen Fliegen, Pflanzensamen und Pilzsporen. Die Forscher, die das Experiment vorbereitet haben, wollen herausfinden, wie sich die Organismen in der Schwerelosigkeit verhalten.
Foton-Satellit mit einem Ofen an Bord
Neben diesem eher akademischen Experiment gibt es eins, das die Herstellung von Hochleistungssolarzellen und Mikroprozessoren revolutionieren könnte. An Bord der Kapsel Foton-M4, die auf das stolze Gewicht von 6,8 Tonnen kommt, befindet sich ein von russischen Wissenschaftlern gebauter Ofen, in dem perfekte Kristalle für Mikroelektronik und Photovoltaik gezüchtet werden sollen. Rund 100 der 850 Kilogramm Nutzlast an Bord der Kapsel entfallen auf diesen Ofen.
Foton-M4 ist der letzte Satellit einer Serie von 16 wissenschaftlichen Missionen. Am 18. Juli brachte ihn eine Sojus-2.1a-Trägerrakete vom kasachischen Raumbahnhof Baikonur ins All. 60 Tage lang soll er um die Erde flitzen. Deutscher Partner ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Kristallexperiment der Universität Freiburg
Das Kristallexperiment haben Wissenschaftler der Universität Freiburg und des Freiburger Materialforschungszentrums gemeinsam mit russischen Forschern vorbereitet. Polizon-2 heißt der Ofen, in dem die Zutaten für die Kristalle aufgeschmolzen werden. Germanien, Gallium, Silizium, Germanium, Cadmium, Zink und Tellur stehen auf dem Speiseplan des Ofens. In vier Experimenten werden aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien Kristalle gezüchtet. Das läuft genauso ab wie auf der Erde. Im Ofen werden sie aufgeschmolzen. Dann landet die Schmelze auf einer gekühlten Unterlage und kristallisiert.
Anders als in irdischen Werkhallen gibt es im Weltraum keine Konvektion, also keine Verwirbelung in der Schmelze, weil die Erdanziehungskraft bei nahezu Null liegt. Die Wissenschaftler erwarten, dass unter diesen optimalen Begleitumständen perfekte Kristalle entstehen.
Auf der Erde werden die Bewegungen innerhalb der Schmelze durch Magnetfelder und Vibrationen kontrolliert. Im All werden die gleichen äußeren Kräfte eingesetzt. Ihre Wirkung lässt sich so ungehindert von Gravitation erfassen. Aus der Beobachtung des Kristallwachstums und der Auswirkungen von Magnetfeldern und Vibrationen hoffen die Forscher Erkenntnisse für die Herstellung besserer Kristalle auf der Erde zu gewinnen.
Experimente werden auf der Erde wiederholt
Das Forschungsgerät, die hergestellten Kristalle und die Lebewesen trudeln, eingesperrt in eine kugelförmige Landekapsel, im September wieder auf der Erde ein. Gebremst wird die wertvolle Fracht von einem Fallschirm. Ende 2014 sollen die Experimente an Bord des Satelliten auf der Erde wiederholt werden. Alle Halbleiter-Proben, die aus dem All und die von den irdischen Versuchen, werden dann der Länge nach halbiert. Die eine Hälfte bekommen die Freiburger Wissenschaftler zur Auswertung, die andere deren russische Kollegen.
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