Sensor detektiert verdorbene Lebensmittel
Viele Nahrungsmittel landen im Müll, obwohl sie noch brauchbar wären. Bereits das abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum führt zur Entsorgung. Ein neuer Sensor erkennt Verdorbenes an Zersetzungsprodukten.
Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wirft jeder Bürger pro Jahr mindestens 55 Kilogramm Lebensmittel weg. Das entspricht in Summe 4,4 Millionen Tonnen Müll, ein Großteil wäre vermeidbar. Nur selten handelt es sich tatsächlich um Verdorbenes. Oft landen unansehnliche Produkte, etwa welker Salat oder verschrumpelte Äpfel, in der Tonne. Speziell bei Milchprodukten, bei Fleisch oder Fisch führt das überschrittene Mindesthaltbarkeitsdatum zur Entsorgung. Nur wie erkennt man als Laie den Unterschied zwischen genießbarer und ungenießbarer Ware?
„Verfallsdaten schätzen, wann ein verderbliches Produkt möglicherweise nicht mehr essbar ist, aber sie spiegeln nicht zwangsläufig dessen tatsächliche Frische wider“, so Giandrin Barandun vom Imperial College London. Es sei an der Zeit, Technologien einzuführen, mit denen die Essbarkeit von Lebensmitteln genauer erfasst und Lebensmittelverschwendung verringert werden könne. Als Lösung schlägt Barandun papierbasierte elektrische Gassensoren, kurz PEGS (paper-based electrical gas sensors), vor. Die Tools erfassen typische Fäulnisgase wie Ammoniak und Trimethylamin. Jeder Sensor kostet nur zwei Cent, sodass einem flächendeckenden Einsatz nichts im Wege stünde. Um die Messergebnisse zu übertragen, reicht es aus, ein Smartphone mit passender App über das noch verschlossene Lebensmittel zu halten.
Sensor aus Kohleelektroden und Cellulose
Die Idee, charakteristische Moleküle als Biomarker für Zersetzungsvorgänge heranzuziehen, ist nicht neu. Marktübliche Gassensoren waren aber oft zu teuer. Bei einem Preis von 25% des Warenwerts oder mehr entschieden sich Konsumenten eher für Alternativen der Konkurrenz. Andere Messverfahren vergrößerten sogar die Müllberge. Sensoren, die einen Farbwechsel anzeigen, waren zu schwer interpretierbar. Verbraucher entsorgten ihre Produkte schneller als zuvor.
Das muss nicht sein: Als Alternative entwickelten die Forscher jetzt PEGS. Sie druckten Kohlenstoffelektroden auf Cellulosebahnen. Die biologisch abbaubaren Materialien sind nicht nur preisgünstig, sondern auch ungiftig. Sie belasten die Umwelt nicht und sind für Lebensmitteln unbedenklich, da keine chemischen Wechselwirkungen auftreten. Die Sensoren werden mit NFC-Tags (Near Field Communication) kombiniert – einer Reihe von Mikrochips, die von Smartphones in der Nähe gelesen werden können. Bei Laboruntersuchungen an verpacktem Fisch und Hühnchen hat PEGS Spuren typischer Fäulnisgase schneller und genauer erkannt als handelsübliche Sensoren.
Sensoren im Praxistest
Die Autoren schreiben als Fazit aus Experimenten, dass ihre neuen Tools viele Nachteile der bekannten Gassensoren umgehen. PEGS funktioniert bei 100% Luftfeuchtigkeit problemlos. Andere Sensoren bekommen bei Werten über 90% schon ihre Schwierigkeiten. Offen ist, wie empfindlich PEGS gegenüber einer niedrigeren Luftfeuchtigkeit sind. Ein weiterer Pluspunkt: Der Betrieb erfordert keine höheren Temperaturen, sprich keine Energiequellen.
Und nicht zuletzt reagieren PEGS nur auf Zersetzungsprodukte, aber nicht auf Gase bei stark gewürzten Lebensmitteln. Das schafft vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Alle Sensordaten können über Smartphones ausgelesen werden. Die App lässt keinen Interpretationsspielraum, verglichen mit den kritischen Farbcodierungen.
Vom Prototypen zur Serienproduktion
Für ihre Prototypen verwendeten die Entwickler noch Bauteile aus Druckbleistiften und Kugelschreibern. „Wir glauben, dass unsere sehr einfache Technik leicht skaliert werden kann, um PEGS in großem Maßstab zu produzieren, indem vorhandene Druckverfahren für hohe Auflagen verwendet werden“, sagt Firat Güder vom Imperial College London. Er hofft, die neuen Sensoren könnten mittelfristig sogar Verfallsdaten ersetzen.
Einsatzmöglichkeiten gibt es nicht nur in der Lebensmittelindustrie. PEGS eignen sich, um Ammoniak oder Amine in der Luft zu erfassen. In der Landwirtschaft könnten Sensoren einen Beitrag zur Verbesserung der Bodenqualität leisten. Auch für die Medizin sehen Wissenschaftler Anwendungsmöglichkeiten. Nierenerkrankungen stehen mit geringen Mengen Ammoniak in der ausgeatmeten Luft in Verbindung, weit bevor sich Patienten krank fühlen und zum Arzt gehen. Theoretisch lassen sich Sensoren entwickeln, die jede bekannte Gasart erfassen. Daran arbeiten die Forscher jetzt.
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