Sensor erfasst reife Lebensmittel, bevor diese verderben
Bei der Reifung von Obst oder Gemüse spielt Ethylen eine Schlüsselrolle. US-Chemikern ist es jetzt gelungen, einen Sensor zu entwickeln, um das Gas zu messen – als Hinweis, die Produkte schneller zu verkaufen.
In Deutschland werden pro Jahr rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt, berichtet der WWF. Das entspricht fast einem Drittel des Nahrungsmittelverbrauchs oder umgerechnet einer landwirtschafliche Nutzfläche von mehr als 2,6 Millionen Hektar beziehungsweise 48 Millionen Tonnen an Treibhausgasen. Seit Jahren ist es nicht gelungen, hier erfolgreich gegenzusteuern.
Die American Chemical Society berichtet jetzt von einem neuen, robusten Sensor auf Kohlenstoffbasis. Er misst Ethen (Ethylen), ein gasförmiges Molekül, das Früchte reifen lässt, noch in einer Konzentration von 15 Parts per million (ppm). „Firmen, die Obst transportieren, würden gerne wissen, wie es während des Transports aussieht und ob sie Maßnahmen ergreifen müssen, um das Ethylen während des Transports niedrig zu halten“, so Timothy Swager, Chemiker aus Boston. Hohe Werte sind ein Warnhinweis. Groß- oder Einzelhändler können solche Produkte rascher oder preisgünstiger abgeben. Alternativ kommen Maßnahmen gegen die Reifung infrage, etwa eine stärkere Kühlung.
Ethylen – ein Schlüsselmolekül der Reifung
Dass Ethylen als Pflanzenhormon wichtige Aufgaben bei der Reifung hat, ist lange bekannt. Es stimuliert Wachstum, Reifung und andere wichtige Phasen ihres Lebenszyklus. Bananen zum Beispiel produzieren mit zunehmender Reife und Bräunung immer mehr Ethylen. Nur die Messung des Gases hat bisher Schwierigkeiten gemacht.
„Es gibt immer noch keinen guten kommerziellen Sensor für Ethylen“, sagt Swager. „Um jede Art von Produkten zu verwalten, die langfristig gelagert werden, wie Äpfel oder Kartoffeln, würden die Menschen gerne in der Lage sein, das Ethylen zu bestimmen, um zu wissen, ob Produkte bereits reifen.“
Diese Lücke schließen US-Ingenieure und -Chemiker mit einem neuen Sensor, der aus halbleitenden Zylindern, sogenannten Kohlenstoff-Nanoröhren, besteht. Doch auch sie hatten gewaltige Vorarbeit zu leisten, bis sich der Erfolg schließlich eingestellt hat.
Pilotprojekte mit Kupfer
Bereits im Jahr 2012 hat das Labor von Swager einen ersten Ethylensensor entwickelt – auf der Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren. Diese Strukturen lassen Elektronen entlang der Achse fließen. Fügten die Wissenschaftler Kupferatome hinzu, verlangsamte sich die gerichtete Bewegung von Elektronen.
Zur Messung selbst: Ist Ethylen im Gasraum vorhanden ist, bindet es sich an die Kupferatome, weil ein Komplex entsteht. Elektronen breiten sich langsamer im Nanozylinder aus. Messungen des Unterschieds – verglichen mit reiner Luft – zeigen, wieviel Ethylen vorhanden ist. Dieser Prototyp konnte jedoch nur Ethylenwerte bis hinunter zu 500 ppm messen, was für praktische Anwendungen nicht ausreicht. Swager vermutet, dass es eine weitere Wechselwirkung gibt, nämlich zwischen Kupfer und Sauerstoff. Dieser Mechanismus könne sich störend auswirken, schreibt der Forscher.
Kommerzialisierbare Sensoren mit Palladium
Er hat deshalb einen weiteren Ethylensensor entwickelt. Sein neuer Messfühler basiert ebenfalls auf Kohlenstoff-Nanoröhren, aber nach einem anderen Mechanismus, der Wacker-Oxidation genannt wird. Anstatt ein Metall wie Kupfer einzubauen, das sich direkt an Ethylen bindet, verwendete der Chemiker Palladium als Metallkatalysator.
Bei der Wacker-Oxidation wird dem Molekül Ethylen Sauerstoff hinzugefügt, und Acetaldehyd entsteht. Bei dem Vorgang bekommt der Katalysator vorübergehend Elektronen und leitet sie an Kohlenstoff-Nanoröhren weiter, wodurch diese leitfähiger werden. Durch die Messung der Änderung des Stromflusses können die Forscher Ethyeln selbst in geringen Mengen detektieren. Der Sensor reagiert innerhalb weniger Sekunden nach der Exposition auf das Gas und kehrt wieder in seinen Grundzustand zurück.
„Die Neuausrichtung des Wacker-Oxidationskatalysatorsystems für den Ethylen-Nachweis war eine außergewöhnlich kluge und interdisziplinäre Idee“, kommentiert Zachary Wickens. Der Chemiker arbeitet an der University of Wisconsin und war nicht an der Studie beteiligt. Wickens: „Das Forscherteam stützte sich auf die jüngsten Modifikationen an der Wacker-Oxidation, um ein robustes katalytisches System zu erhalten, und baute es in ein Gerät auf der Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren ein, um einen bemerkenswert selektiven und einfachen Ethylensensor zu erhalten.“
Von der Forschung in die Anwendung
Die Wissenschaftler wollen ihre Entwicklung jetzt kommerzialisieren und haben ein Patent angemeldet. Als Vorteile nennen sie die Empfindlichkeit ihres Sensors, aber auch die potenziell niedrigen Herstellungskosten. Ihr Tool erwies sich zumindest im Labor auch als robust genug für den Feldeinsatz.
Ihr Projekt wurde von der National Science Foundation, dem US Army Engineer Research and Development Center Environmental Quality Technology Program, dem Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada und der Sao Paulo Research Foundation finanziert.
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