Siemens entwickelt neuartige Kfz-Elektronik als Basis für Elektroautos
Ein „Betriebssystem“ für Elektroautos hat Siemens entwickelt. Diese Grundstruktur für die Elektronik von E-Autos erleichtert nicht nur deren Konstruktion. Zugleich ersetzt ein Zentralcomputer einige Dutzend Steuergeräte, was Gewicht und Energieverbrauch senkt. Im Elektrotransporter Streetscooter wird das System erstmals genutzt.
Von Steuergeräten wimmelt es nur so in einem Auto: Die Einparkhilfe braucht ein Steuergerät, ebenso das Antiblockiersystem (ABS), die Klimaanlage und das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Der Motor beansprucht gleich mehrere Steuergeräte. Ein modernes Mittelklassefahrzeug ist mit rund 70 solcher Steuergeräte ausgestattet.
Viele davon sind per Kabel untereinander verbunden, weil sie Informationen austauschen müssen. ABS und ESP funktionieren nur, wenn sie auch die Fahrzeuggeschwindigkeit kennen.
Zentralrechner übernimmt die Steuerung der Autoelektronik
Siemens macht aus 70 Steuergeräten ein einziges. Und speckt dazu noch den Kabelbaum ab. RACE heißt die zentrale Elektronik- und Softwarestruktur.
Die Hardware entspricht dem Computer, die Software dessen Betriebssystem. Erstmals realisiert wird diese Lösung im Streetscooter, einem an der RWTH Aachen entwickelten Elektrofahrzeug.
Gebaut wird es von dem gleichnamigen Unternehmen in Aachen, das kürzlich die Deutsche Post DHL übernommen hat, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen will. Derzeit läuft ein Großversuch in Bonn und einigen anderen Städten, in denen Pakete mit Elektrotransportern aus Aachen zugestellt werden. RACE reduziert das Gewicht eines Fahrzeugs um einige Kilogramm.
Vor allem aber vereinfacht es die Autoelektronik. „Wir glauben, dass RACE ein erhebliches Potenzial bietet und den Aufbau künftiger Autos revolutionieren könnte“, sagt Prof. Armin Schnettler, der in der Siemens-Entwicklung das Projekt verantwortet. „In Zukunft erwarten wir einen Einsatz von standardisierter Hardware und flexiblen Apps. Entwicklungszeiten werden deutlich reduziert, gleichzeitig steigt die Individualisierung – nicht nur in der Automobilbranche.“
Vor 30, 40 Jahren kam ein Auto noch mit einer einzigen Steuerung aus – der des Motors. Im Laufe der Zeit kamen immer neue Funktionen hinzu, die die Entwicklungsingenieure gewissermaßen obenauf packten. Mittlerweile ähnelt die Architektur einem alten Gebäude, das immer wieder neuen Bedürfnissen angepasst und durch viele An- und Umbauen erweitert wurde. Wem das nicht gefällt, muss abreißen und neu bauen.
Alle Systemkomponenten sind mehrfach vorhanden
Genau das macht Siemens mit der Steuerung im Auto. Der Bordrechner hat in diesem System seinen Namen verdient. Er steuert alle Funktionen und verknüpft sie miteinander, so weit sie aufeinander angewiesen sind.
Damit das Fahrzeug bei einer Störung nicht lahmgelegt wird, sind alle Systemkomponenten redundant ausgelegt, also mehrfach vorhanden. Fällt eins aus springt der Ersatz in die Bresche. Die Revolution bei der Bordelektronik reduziert die Entwicklungszeit von Neufahrzeugen um bis zu 30 Prozent, so Siemens.
So wie man einen neuen Drucker anschließt, nämlich einfach über den USB-Stecker oder kabellos via WLAN, so sollen auch neue Komponenten künftig mit dem Auto verbunden werden können. Während die Werkstattelektroniker heute schon bei der nachträglichen Installation einer Rückfahrkamera massive Probleme haben, wird sie in Zukunft einfach an den Bordrechner angeschlossen. Sobald der Treiber geladen ist, liefert sie das gewünschte Bild. RACE ist laut Siemens auch auf andere komplexe Systeme übertragbar, etwa auf Lokomotiven.
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