„Smart-Grid-ready“ für Hausgeräte noch weit entfernt
„Smart-Grid-ready“ ist eines der Zauberworte der Hausgerätebranche. Die vernetzungsfähige weiße Ware soll irgendwann auch automatisch variable Stromtarife empfangen und verarbeiten. Doch bis dahin scheint der Weg noch lang.
Smarte Hausgeräte können einen „wesentlichen Beitrag“ zum Lastmanagement in zukünftigen, zunehmend durch fluktuierende Erzeugung geprägten Energiesystemen leisten: Dies hat Rainer Stamminger schon vor drei Jahren heraus gefunden. 100 W pro Haushalt könnten im Schnitt zeitlich verschoben werden, schätzt der Bonner Experte für Hausgerätetechnik. Wie sehr das Potenzial zum Tragen kommt, hängt nach Überzeugung des Wissenschaftlers von der Verbreitung dieser Geräte und ihrer Akzeptanz beim Verbraucher ab.
„Smart Grid und Vernetzung sind im Moment kein Massenphänomen, doch es ist ein Feature, dessen Anschaffung zwar ein paar Euro mehr kostet, aber für die Zukunft vorsorgt“, meint Miele-Technikchef Eduard Sailer. Wer sich rüsten will, wird bei Miele schon fündig. Als weltweiter Vorreiter hat das Unternehmen seit 2011 Waschmaschinen, Trockner und Geschirrspüler mit einem Kommunikationsmodul am Markt. Sie können erkennen, wann der Strom am wenigsten kostet und dann auch starten.
Kühlgerätehersteller Liebherr springt auf den Smart-Grid-Zug auf
Der Kühlgerätehersteller Liebherr ist im vergangenen Jahr ebenfalls auf den Smart-Grid-Zug aufgesprungen und bietet NoFrost-Gefrierschränke an, die mithilfe einer sogenannten SmartBox den günstigsten Stromtarif automatisch nutzen können. Und auch Bosch steht bereit für die neue Technologie.
Der Absatz sei im Moment noch gering, räumt Sailer allerdings ein. Für eine breite Nutzung fehlen nach Ansicht der Fachleute derzeit nicht nur hersteller- und marktübergreifende Standards für die Schnittstellen, sondern auch ein ausreichendes Angebot an flexiblen Stromtarifen und intelligenten Zählern. 80 % der europäischen Haushalte sollen nach den Vorstellungen der EU bis 2020 mit Smart Metern ausgestattet werden.
Rund 2 Mio. solcher Zähler hat zum Beispiel der Messgerätehersteller E.on Metering bislang europaweit installiert. Das größte Smart-Meter-Projekt hierzulande führt zurzeit die RWE Deutschland AG in Mülheim an der Ruhr durch. Die Haushalte sind hier flächendeckend mit Smart Metern ausgestattet. Abgebildet werden kann im Moment aber nur der Verbrauch des gesamten Hauses, nicht einzelner Hausgeräte oder anderer Verbraucher.
Smart Grid: Auch beim Thema flexible Tarife besteht für Hausgeräte Handlungsbedarf
Auch beim Thema flexible Tarife besteht Handlungsbedarf. Der Durchdringungsgrad mit lastvariablen oder tageszeitabhängigen Tarifen sei insgesamt noch gering, erklären die Experten von ene“t. Nur 101 von insgesamt rund 1000 Energieversorgungsunternehmen boten nach Angaben des Informationsdienstleisters Mitte 2011 smarte Tarife an. Zudem gebe es variable Tarife derzeit nur gestaffelt nach festen Tageszeiten und sie würden einmalig und manuell ins Gateway eingespeist, berichten Miele-Experten. Ziel sei aber die tägliche Anpassung der Preise und ihre automatisierte Übermittlung vom Energieanbieter zum Hausgerät mittels Smart Meter und Gateway.
„Man wartet noch ab“, glaubt Alastair Scott, Sprecher der Forschungsgruppe EnCT, mit Blick auf die für 2013 erwartete Kosten-Nutzen-Rechnung des Bundeswirtschaftsministeriums. Hausgeräteexperte Stamminger mutmaßt, dass die Energieversorger kein größeres Interesse an variablen Tarifen haben, weil sie aus einem veränderten Verbraucherverhalten zu wenig Profit, aber dafür viele Komplikationen erwarteten.
„Variable Tarife sind klar ein Thema“, sagt dagegen Alexander Seebach, Pressesprecher bei E.on Metering. Aber solange die Lastprofile bei Kleinverbrauchern standardisiert seien und damit keine individuellen Beschaffungsvorteile an den Kunden weitergegeben werden könnten, schätze er die Umsetzungschancen am Markt als nicht wirklich Erfolg versprechend ein.
Dem Vorwurf, die großen Energieversorger zögerten bei der Einführung variabler Tarife, kann auch RWE-Sprecher Sebastian Ackermann nicht folgen. Sein Unternehmen biete bereits zwei Preisstufen an. Man habe es mit einer komplexen Technik zu tun, deren Kinderkrankheiten noch bekämpft werden müssten. Ackermann verweist zudem auf die noch relativ hohen Kosten für smarte Hausgeräte und ihre Steuerungsmodule: „Auch dies steht einer breiten Umsetzung entgegen.“
Smart Grid für Hausgeräte derzeit noch im Versuchsstadium
„Wir kommen im Moment nicht aus dem Stadium von Feldversuchen hinaus“, stellt Stamminger fest. Um Smart Grid auf die Beine zu helfen, fördert allein der Bund sechs sogenannte E-Energy-Projekte. An einigen beteiligen sich auch die Hausgerätehersteller. Für „MeRegio“ etwa, das in Baden-Württemberg bei 1000 Privat- und Geschäftskunden intelligente Wege des Energieverbrauchs testet, hat Liebherr 250 Haushalte mit vernetzungsfähigen Gefrierschränken ausgestattet. Mit dem Prototypen eines Smart-Grid-fähigen Geschirrspülers ist auch Bosch in 15 Haushalten dabei.
Die Kundenakzeptanz für diese Smart-Grid-Funktion sei hoch, heißt es bei Bosch. Zu positiven Zwischenergebnissen kamen auch die Akteure von E-DeMa, einem in Mülheim an der Ruhr und in Krefeld angesiedelten E-Energy-Projekt. Beteiligt sind hier unter anderem Miele und RWE. Seit März dieses Jahres läuft ein Testbetrieb zum flexiblen Stromverbrauch in 700 Privathaushalten. Mehr als 100 von ihnen sind mit intelligenten Waschmaschinen, Trocknern und Geschirrspülern ausgestattet. Zum Einsatz kommen unter anderem auch IKT-Gateways, die als „lokale Drehscheibe“ die weiße Ware ansteuern.
Zeitvariable, dynamische Tarife ließen sich durchaus realisieren und beeinflussten auch das Verbraucherverhalten positiv, heißt es in einer ersten Bilanz. Nachhaltige Veränderungen hin zu einem stärkeren Energieverbrauch zu Zeiten, in denen viel regenerative Energien im Netz seien, seien in der Regel aber nur über automatisierte Systeme möglich.
Es gebe noch viel Baustellen bei den Themen Smart Meter, Smart Grid und Smart Home, sagt Stamminger. Dabei geht es nach seiner Beobachtung durchaus nicht nur um technische Aspekte. Auch Datenschutz- und Haftungsfragen kämen ins Spiel. Die angestrebte Flexibilisierung des Stromverbrauchs, folgert der Bonner Professor, könne entweder nur marktwirtschaftlich oder dirigistisch funktionieren. „Ich sehe aber auch derzeit nicht, dass die Politik hier regelnd eingreift.“
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