Wissenschaft vor Rätsel: Supraleiter braucht Druck
Forschende haben festgestellt, dass der Supraleiter Strontiumruthanat besonders gut leitet, wenn auf ihn mechanischer Druck ausgeübt wird. Zugleich lässt sich das Material dann besser verformen. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat das Forschungsteam in der Zeitschrift Science publiziert.
Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden (MPI CPfS) haben neue Erkenntnisse über das Material Strontiumruthenat gewonnen. Der Supraleiter stellt die Wissenschaft vor einige Fragen, denn es ist noch nicht geklärt, wie es zur Supraleitung kommt. Das Forschungsteam hat jedoch herausgefunden, dass das Aufbringen von mechanischem Druck nicht nur die Supraleitungsfähigkeit des Materials steigert, sondern es auch formbarer macht. Diese Beobachtung führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf quantenmechanische Vorgänge zurück, bei denen Elektronenanregungen eine Rolle spielen.
Konventionelle Theorie lässt sich nicht anwenden
Generell handelt es sich bei Supraleitern um Materialien, die beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur keinen elektrischen Widerstand aufweisen. Die Fachwelt bezeichnet dies als Sprungtemperatur. Durch den fehlenden elektrischen Widerstand sind Supraleiter zum Beispiel für verschiedene Anwendungen der Energieumwandlung und Energieverteilung interessant.
Der Supraleiter Strontiumruthanat wirft in der Fachwelt hingegen einige Fragen auf, so ist zum Beispiel nach wie vor nicht bekannt, wie das Material supraleitfähig wird. Wir hatten es bereits geschrieben. „Die konventionelle Theorie lässt sich auf Strontiumruthanat nicht anwenden. Doch die Quantenmechanik bringt uns weiter, denn mit ihr lassen sich nicht nur die Eigenschaften einzelner Atome und Moleküle, sondern auch die kollektiven Eigenschaften von Vielteilchensystemen beschreiben“, sagt Professor Jörg Schmalian, Leiter des Instituts für Theorie der Kondensierten Materie (TKM) des KIT sowie Leiter der Abteilung Theorie der Quantenmaterialien am Institut für QuantenMaterialien und Technologien (IQMT) des KIT.
Mechanischer Druck erhöht die Sprungtemperatur
Professor Schmalian zählt zu den leitenden Wissenschaftlern hinter der Studie, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde. Das Forschungsteam aus Karlsruhe und Dresden hatte bereits in einer vorherigen „Nature“-Publikation aus dem Jahr 2022 erste Ergebnisse zum Thema präsentiert.
Vor einem Jahr demonstrierten sie, wie gezieltes mechanisches Pressen entlang spezifischer Achsen die kritische Temperatur, bei der Strontiumruthenat supraleitend wird, signifikant steigern kann. Dabei beobachteten sie auch eine Veränderung im Anregungsverhalten der Elektronen.
Material wird wesentlich weicher
In ihrer weiterführenden Forschung, die in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen durchgeführt wurde, entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Karlsruhe und Dresden nun, dass derselbe Druck, der die Supraleitungseigenschaften von Strontiumruthenat verbessert, gleichzeitig das Material weicher macht und so seine Verformbarkeit erleichtert.
Dieser Effekt, so glauben die Forschenden, sei auf eine quantenmechanische Resonanz in den Schwingungen der Elektronen zurückzuführen. Das wiederum ermöglicht neue Einblicke in das Zusammenspiel von mechanischen und elektronischen Phänomenen in Supraleitern.
Dieses mechanische Aufweichen wurde bereits vor etwa 60 Jahren vom sowjetischen Physiker Ilja M. Lifschitz vorhergesagt und ist als Lifschitz-Übergang bekannt. „Der Effekt, den wir nun identifiziert haben, ist jedoch mehr als tausendmal größer und lässt sich klar mit der Verstärkung von Supraleitung in Verbindung bringen. Das ist verblüffend, weil weniger als ein Prozent der insgesamt im Material existierenden Elektronen eine Reduktion der elastischen Konstanten um 20 Prozent erzwingt“, erläutert Schmalian.
Einige stromführende Elektronen beherrschen alles
Die Erforschung der Interaktion zwischen elastischen und elektronischen Eigenschaften steht im Mittelpunkt des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts Transregio ELASTO-Q-MAT. In diesem interdisziplinären Projekt sind das MPI CPfS und das KIT prominent vertreten.
Für die in der Zeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie entwickelten Forschende des KIT ein innovatives Modell, das beschreibt, wie bestimmte Elektronen – die für die Stromleitung verantwortlich sind – einen überraschenden Einfluss ausüben können: Sie dominieren die anderen Elektronen und machen das Material dadurch erheblich weicher. Die experimentellen Messungen, die dieses Modell untermauern, wurden am MPI CPfS in Dresden durchgeführt.
„Ilja M. Lifschiz machte in seiner Theorie keinen Fehler“, betont Schmalian. „Unsere Studie bietet jedoch eine neue Perspektive und eröffnet die Möglichkeit, in Zukunft starke Quantenfluktuationen im Labor zu manipulieren und Materialien für einen gegebenen physikalischen Effekt zu optimieren.“
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